VwGH 2003/05/0246

VwGH2003/05/024627.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König,

1. über den Antrag des Dr. S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Mai 2003, Zl. UVS-06/27/3891/20003/8, betreffend Beschlagnahme eines Deutschen Schäferhundes, und 2. über die Beschwerde des unter 1. genannten Antragstellers gegen den unter 1. genannten Bescheid (weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die gleichzeitig mit diesem Antrag eingebrachte Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Dem Vertreter des Beschwerdeführers wurde der unter Punkt 2. in Beschwerde gezogene Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Mai 2003 per Telefax am 28. Mai 2003 zugestellt (siehe den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zlen. 2003/05/0119, 2004/05/0082).

In dem am 29. Dezember 2003 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wird ausgeführt, im Akt des Antragsteller-Vertreters befinde sich das Original des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides vom 27. Mai 2003, welches am 6. Juni 2003 per Post zugestellt worden sei. Ein mit Fax am 28. Mai 2003 übermittelter Bescheid finde sich hingegen nicht in diesem Akt. Ebenso fehle ein Nachweis über eine telefonische oder briefliche Benachrichtigung des Antragstellers vom Einlangen dieses Bescheides vor dem 6. Juni 2003. Die üblicherweise vom Antragsteller-Vertreter auf einlangenden Schriftstücken angebrachten "eiligen handschriftlichen Anmerkungen/Unterstreichungen" fänden sich im gegenständlichen Fall auf dem am 6. Juni 2003 mit der Post zugestellten Schriftstück. Diese wären nicht angebracht worden, wenn er bereits einige Tage zuvor ein entsprechendes Fax bearbeitet hätte. Auf dem am 6. Juni 2003 per Post eingelangten Bescheid stehe auf Seite 7 im "Hinweis" unter der "Rechtsmittelbelehrung" die handschriftliche Bestätigung der Sekretärin S St. ("S"), dass und welche Fristen für die Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde im Terminbuch der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters eingetragen seien. Dieser Hinweis sei vom Antragsteller-Vertreter auch gegengezeichnet worden. Die Einträge im Terminbuch der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters wären nicht erfolgt, wenn sich jemand an eine frühere Zustellung des Bescheides erinnert hätte. Sollte der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien am 28. Mai 2003 in der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters eingelangt sein, so folge daraus - da nur das am 6. Juni 2003 eingelangte Schriftstück bearbeitet worden sei -, dass dieser per FAX übermittelte Bescheid "verschwunden sein muss". Es werde daher der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den angefochtenen Bescheid gestellt.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des VwGG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses … zu stellen…. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."

Der Antragsteller erachtet die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG schon deshalb für gegeben, weil es keinen konkreten Hinweis gäbe, dass das Faxgerät seines Vertreters im Mai 2003 nicht ordnungsgemäß funktioniert hätte. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass durch Spannungsschwankungen im öffentlichen Stromnetz, welche tatsächlich schon einige Male zum Abstürzen der EDV-Anlage des Antragsteller-Vertreters geführt hätten, oder durch einen gänzlichen Stromausfall oder durch einen nicht bemerkten einmaligen Bedienungsfehler oder auch durch fehlerhafte Elektronik kein Ausdruck des von der belangten Behörde übermittelten FAX erfolgt sei. Der Antragsteller-Vertreter habe alles Zumutbare getan, um das mangelfreie Funktionieren des FAX-Gerätes in seiner Kanzlei sicherzustellen.

Mit diesem Vorbringen bestreitet der Antragsteller nicht, dass ihm der Bescheid zugestellt worden ist. Das Vorbringen betreffend mögliche Störungen der Funktionsfähigkeit des Faxgerätes stellt Mutmaßungen ohne konkrete Anhaltspunkte dar und vermag daher - auch im Zusammenhang mit den vorgelegten Urkunden - nicht davon zu überzeugen, dass diese Behauptungen wahrscheinlich den Tatsachen entsprechen.

Der Antragsteller behauptet, sein Vertreter habe eine "ausgereifte gute Kanzlei-Organisation zur Eintragung von Rechtsmittel-Fristen in das Terminbuch und zur Überwachung möglichst frühzeitiger, jedenfalls rechtzeitiger Erledigung von allen Fristen und Terminen". Das Fax-Gerät stehe im Sekretariat, in welchem üblicherweise zwei seit vielen Jahren zuverlässige Mitarbeiterinnen beschäftigt seien. Eine von beiden sei u. a. vor allem für Termin- und Frist-Verwaltung vorgesehen. Diese Sekretärin, Frau S St. trage sämtliche Fristen selbständig in das Fristenbuch ("rot") ein. Jede Frist-Eintragung werde auch auf dem die Frist auslösenden Dokument sofort vermerkt. Dieses Dokument erhalte sodann der Antragsteller-Vertreter zur Kontrolle der Fristeintragung. Nur im Falle seiner mehrtägigen Abwesenheit übernehme diese Aufgabe die langjährige zuverlässige Konzipientin Dr. G M.; in der Folge berichte sie jedoch darüber dem Antragsteller-Vertreter mit einem kurzen schriftlichen Vermerk. Der Antragsteller-Vertreter prüfe ständig fast alle Fristen-Berechnungen und Eintragungen persönlich nach. Neben dem üblichen Kanzlei-Fristen-Kalender würden alle Fristen zusätzlich in den elektronischen Kanzlei-Kalender (Microsoft Outlook) eingetragen, der von jedem Kanzleimitarbeiter genutzt werde. Die Fristeneintragung sei daher mehrfach abgesichert. (Es folgen weitere Ausführungen über die Fristenüberwachung.) Am 28. Mai 2003 habe die Sekretärin S St. bis 16 Uhr in der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters gearbeitet. Der Antragsteller-Vertreter sei - bis auf wenige Stunden - ebenfalls in der Kanzlei anwesend gewesen. Es gebe für den Antragsteller-Vertreter und dessen Mitarbeiter nur eine Erklärung, warum, falls das Fax vom 28. Mai 2003 tatsächlich vom Fax-Gerät angezeigt oder auch ausgeruckt worden sein sollte, alle Sicherungsinstrumente haben versagen können. Alle Mitarbeiter der Kanzlei inklusive dem Antragsteller-Vertreter selbst seien damals erkrankt gewesen. Dies sei nicht vorhersehbar und auch nicht zu verhindern gewesen. Es habe damals eine Grippe-Welle gegeben. Die Konzipientin Mag. G M. sei am 28. Mai 2003 wegen einer schweren Grippe im Krankenstand gewesen. Gleiches gelte für die Sekretärin S St. Trotz ihrer Erkrankung an Grippe habe sie am 28. Mai 2003 gearbeitet, weil auch die für Schreibarbeiten zuständige Sekretärin an diesem Tag nicht gearbeitet habe. Der Antragsteller-Vertreter sei ebenfalls an Grippe mit Kopf- und Halsschmerzen erkrankt gewesen. Trotz leichter "Temperatur" habe er gearbeitet. Der Antragsteller-Vertreter habe im Mai/Juni 2003 teilweise auch starke Schmerzen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule gehabt, die zeitweise mit Tramal, einem Opioid, behandelt worden seien. Die neuartige Behandlung mit starker Dehnung von gereizten/entzundenen Wirbelsäule-Abschnitten, Gelenken und Muskeln habe insbesondere in den ersten Wochen der Behandlung die damals gewohnten Dauerschmerzen zeitweise erheblich verstärkt und auch zu Schwindel geführt. Die Geschichte mit dem Deutschen Schäferhund "A" sei in der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters deshalb ein besonders wichtiges Thema gewesen, weil dieser Hund sowohl dem Antragsteller-Vertreter, der ein besonderer Hundeliebhaber sei, und seiner Konzipientin auf Grund mehrerer Besuche beim Antragsteller gut bekannt gewesen sei. Umso erstaunlicher wäre es, wenn tatsächlich in dieser Causa ein Schriftstück eingelangt und unbeachtet verschwunden wäre. Sollte dies wirklich passiert sein, so sei dies nur darauf zurückzuführen, dass unglücklicherweise sämtliche Mitglieder der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters zu diesem Zeitpunkt erkrankt gewesen seien.

Es lässt sich den für die Erledigung des Wiedereinsetzungsantrages wesentlichen Ausführungen des Antragstellers konkret nur entnehmen, die Versäumung der Beschwerdefrist beruhe auf einer von der üblichen Organisation in der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters abweichenden (fehlerhaften) Behandlung des zugestellten Bescheides deshalb, weil infolge Erkrankung der maßgeblichen Personen die Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde nicht in das Fristenbuch eingetragen worden sei und als Folge davon der in der Kanzlei bestehende Kontrollmechanismus versagt habe. Dies habe die Einhaltung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verhindert.

Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass die Erkrankung der Konzipientin Mag. G M. nach dem Vorbringen des Antragstellers schon deshalb nicht für die rechtliche Würdigung des Wiedereinsetzungsantrages von Bedeutung ist, weil die für die Eintragung in das Fristenbuch zuständige Sekretärin in der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters zum hier relevanten Zeitpunkt (Übermittlung des Tele-FAX) anwesend war und der Antragsteller-Vertreter, der die Kontrolle dieser Eintragung bei Anwesenheit selbst vornimmt, am Zustelltag des angefochtenen Bescheides diesen Vorgang selbst hätte überprüfen können. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag wäre somit die Konzipientin Mag. G M. für die Kontrolle der Eintragung der Beschwerdefrist in das Fristenbuch nicht in Betracht gekommen.

Auch wenn die Grippe-Erkrankung des Antragsteller-Vertreters plötzlich aufgetreten sein sollte, folgt aus dem Vorbringen des Antragstellers, dass der Antragsteller-Vertreter am 28. Mai 2003 nicht arbeitsunfähig war und auch die medikamentöse Behandlung seiner Schmerzen nicht zu seiner Dispositionsunfähigkeit in der Weise geführt hatte, dass er am Zustelltag nicht in der Lage gewesen wäre, seine ihm durch die Kanzleiorganisation zugewiesenen Aufgaben im Falle der Behandlung von Schriftstücken, die in das Fristenbuch einzutragen sind, auszuüben. Seine Erkrankung kann daher im vorliegenden Fall nicht als Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG gewertet werden (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 22. Februar 1996, Zl. 96/15/0012).

Die für die Behandlung der Schriftstücke, die in der Kanzlei des Antragsteller-Vertreters in das Fristenbuch einzutragen sind, zuständige Kanzleikraft S St. war nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ebenfalls erkrankt, hat jedoch am Zustelltag gearbeitet. Auch dieser Umstand vermag im Beschwerdefall dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. In einem solchen Fall obliegt es nämlich dem Parteienvertreter genau zu prüfen, welche Angelegenheiten die Erkrankte zu besorgen in der Lage war. Dass der Antragsteller-Vertreter eine solche Überprüfung vorgenommen hätte, wird im Antrag nicht behauptet. Insbesondere die Tatsache, dass die Kanzleikraft trotz ihrer Erkrankung - und damit ihrer offenbar körperlich und geistig eingeschränkten Dienstfähigkeit - ohne Vertretung alleine am Zustelltag die eingelangte Post bearbeitet hat und dass trotz des behaupteten reduzierten Dienstbetriebes keine Vorsorge für die Kontrolle der von ihr bearbeiteten oder zu bearbeitenden Post getroffen wurde, ist von einem die Wiedereinsetzung hindernden Organisationsmangel auszugehen (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 19. August 1997, Zl. 97/16/0037).

Es war daher spruchgemäß über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden.

Bei diesem Ergebnis war die in einem mit diesem Wiedereinsetzungsantrag "wiederholte" Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2004

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