VwGH 96/15/0012

VwGH96/15/001222.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über den Antrag der Feriendialyse B KG, des E und des P in B, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in F, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die bloß teilweise erfolgte Mängelbehebung im hg.

Beschwerdeverfahren Zl. 95/15/0072, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Verfügung vom 2. Juni 1995, Zl. 95/15/0072-2, wurde den Antragstellern der Beschwerdeschriftsatz gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung zweier Mängel zurückgestellt. Der Auftrag lautete auszugsweise wie folgt:

"Es ist der Sachverhalt in einer zeitlich geordneten Darstellung des Verwaltungsgeschehens wiederzugeben (§ 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG).

Auf Seite 2 der Beschwerde wird behauptet, der angefochtene Bescheid sei am 31. Mai 1995 zugestellt worden; auf Seite 4 der Beschwerde wird hingegen behauptet, dieser sei am 31. März 1995 zugestellt worden. Es ist daher anzugeben, an welchem Tag der angefochtene Bescheid tatsächlich zugestellt wurde (§ 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG).

Zur Behebung dieser Mängel wird eine Frist von drei Wochen, vom Tage der Zustellung dieses Auftrages an gerechnet, bestimmt.

...

Die Versäumung der Frist gilt als Zurückziehung der Beschwerde."

Fristgerecht gaben die Antragsteller bekannt, der angefochtene Bescheid sei am 31. März 1995 zugestellt worden, unterließen es jedoch, den Sachverhalt in einer zeitlich geordneten Darstellung des Verwaltungsgeschehens wiederzugeben.

Daraufhin wurde mit Beschluß vom 27. September 1995, Zlen. 95/15/0072, AW 95/15/0012, das Verfahren wegen nicht vollständiger Erfüllung des erteilten Mängelbehebungsauftrages gemäß den §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.

Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses beantragten die Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Vornahme der versäumten Handlung, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Mängelbehebungsfrist, soweit sie die zeitlich geordnete Darstellung des Verwaltungsgeschehens betrifft, zu bewilligen. Der im Hinblick auf das Fehlen einer "Gliederung nach Zahlen" undeutliche Mängelbehebungsauftrag sei vom Beschwerdevertreter mißverstanden worden. Der Irrtum sei entschuldbar, weil sich der Beschwerdevertreter im Zeitpunkt der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages in einer Ausnahmesituation befunden habe. Damals sei nämlich die bis dahin bestandene Anwaltspartnerschaft aufgelöst und die Kanzlei des Beschwerdevertreters auf ein neues EDV-System umgestellt worden. Insbesondere der Austritt des Kanzleipartners des Beschwerdevertreters habe besondere Emotionen geschaffen, die den nicht eindeutig formulierten Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes in seinem gesamten Umfange nicht hätten erkennen lassen. Diese Ereignisse und Geschehnisse stellten ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, welches die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Mängelbehebungsfrist rechtfertige.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 264/1985 ist einer Partei, wenn diese durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Eine Wiedereinsetzung gegen eine unterlassene oder mangelhafte Erfüllung eines Mängelbehebungsauftrages ist zulässig (vgl. hiezu den Beschluß eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049).

Da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu beispielsweise den Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A) das Verschulden des Rechtsanwaltes dem Verschulden der Partei gleichzustellen ist, würde auch ein dem Rechtsanwalt unterlaufens Verschulden dann die Wiedereinsetzung möglich machen, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelte.

Das ist aber im vorliegenden Fall nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aus folgenden Gründen nicht gegeben:

Nach dem oben wiedergegebenen Wortlaut der hg. Verfügung vom 2. Juni 1995 war eindeutig die Behebung von ZWEI MÄNGELN aufgetragen. Zwar trifft es zu, daß die Teile des Mängelbehebungsauftrages nicht mit Ziffern versehen sind, sie wurden jedoch in Absätze gegliedert und es wurde jeweils auf die (verschiedenen) Ziffern des § 28 Abs. 1 VwGG hingewiesen. Die im anschließenden Absatz der Verfügung getroffene Fristbestimmung betrifft MÄNGEL (und nicht bloß einen MANGEL).

Unter diesen Umständen hätte durchschnittliche und gewöhnliche Aufmerksamkeit eine Mißinterpretation der hg. Verfügung vom 2. Juni 1995 ausgeschlossen. Da an berufliche rechtskundige Parteienvertreter auch ein strengerer Maßstab angelegt werden muß als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an einem gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 3. Oktober 1986, Zl. 86/18/0186, und vom 16. Juni 1986, Zl. 82/03/0074), kann der dem Beschwerdevertreter unterlaufene Irrtum nicht als ein aus einem bloß minderen Grad des Versehens unterlaufener angesehen werden. Daran ändert auch die im Wiedereinsetzungsantrag dargestellte "Ausnahmesituation" des Beschwerdevertreters im Zeitpunkt der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages nichts, weil selbst eine plötzliche Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdevertreters einen Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG nur dann darstellt, wenn sie im maßgebenden Zeitpunkt zu einer vorübergehenden DISPOSITIONSUNFÄHIGKEIT geführt hat. Der Wiedereinsetzungsantrag legt auch nicht dar, daß die besondere Situation es dem Beschwerdevertreter nicht erlaubt hätte, zumindest für die Weitergabe der von ihm übernommenen Rechtsvertretung an einen Substituten Sorge zu tragen (vgl. hiezu beispielsweise den hg. Beschluß vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/15/0219).

Dem Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der oben genannten Fassung war daher nicht Folge zu geben.

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