VwGH 2002/20/0361

VwGH2002/20/03616.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des B in W, geboren 1970, vertreten durch Dr. Heinz Robathin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 12, gegen den am 25. Mai 2001 mündlich verkündeten und am 26. März 2002 ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 219.617/0-VII/20/00, betreffend § 6 Z 3 und § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §6 Z3;
AVG §37;
AsylG 1997 §6 Z3;
AVG §37;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein armenischer Christ aus Tschetschenien, reiste am 29. Juni 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 4. Juli 2000 für sich und seine gemeinsam mit ihm eingereiste Familie die Gewährung von Asyl. In seinem schriftlich gestellten Asylantrag führte er - ohne dies näher zu begründen - aus, "auf Grund der herrschenden Situation in unserem Heimatland und die für uns noch zusätzliche, unerträgliche Gefahr durch die ethnische und religiöse Verfolgung", würden er und seine Familie keinen anderen Ausweg sehen und ersuchten daher um Gewährung von Asyl. In diesem Schreiben wird im Briefkopf als Absender der Beschwerdeführer und darunter dessen "derzeitiger Aufenthaltsort: C-Straße 12, 1130 Wien" angeführt. Weiters führt der Beschwerdeführer darin unter anderem aus:

"Es wurde uns ermöglicht für einen Zeitraum von einem Monat auf obiger Adresse Unterkunft zu erhalten. Sollte unsere Adresse sich ändern, werden wir dies der Behörde unverzüglich bekannt geben.

Für die Abholung der Ladung haben wir Herrn F.M. bevollmächtigt. Wir ersuchen daher diesen als Zustellungsbevollmächtigten einzusetzen."

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12. September 2000 gab der Beschwerdeführer als seinen Heimatort Grosny an; diesen habe er im Mai 1998 verlassen und sei nach Kasachstan und von dort nach Tadschikistan gelangt, wo er mit seiner Familie etwa ein Jahr gelebt habe. "Dort fingen dann Ende 1999 Unruhen an, es hing mit moslemischen Rebellen zusammen. (...) Erst hat es uns nicht betroffen, dann wurden alle Christen verfolgt, auch die Russen. Wir mussten von dort fliehen, wir hatten keinen anderen Ausweg. (...) Das war im April oder Mai 2000." Schließlich sei der Beschwerdeführer mit seiner Familie mit kasachischen Reisepässen in die Ukraine gelangt und von dort mit Hilfe eines Schleppers nach Österreich. Die erwähnten kasachischen Reisepässe - die gefälscht gewesen seien, was er damals jedoch nicht gewusst habe - habe er über Vermittlung von F.M., einem österreichischen Staatsbürger, erhalten. F.M., mit dem er gemeinsam in einer Firma gearbeitet habe, habe auch den russischen Reisepass des Beschwerdeführers gesehen.

Seine Heimatstadt Grosny existiere nicht mehr, weil es dort einen "religiösen Krieg" gebe. Er werde "auch von den dortigen Tschetschenen verfolgt" und könne in seiner Heimat nicht mehr leben, weil diese eine "moslemische Republik" sei. Er spreche nicht Tschetschenisch, weil er "keine Kontakte mit den Tschetschenen" gehabt habe. Bis 1994 habe er keine Probleme in Tschetschenien gehabt. Als er zur Armee einberufen werden sollte, habe er sich - weil er als Christ nicht habe kämpfen wollen - in der Kirche im Keller versteckt. Er habe den Keller nie verlassen dürfen. In der Folge wird in der Niederschrift vermerkt, dass der Beschwerdeführer "wiederholt zur Wahrheitspflicht manuduziert" werde. Die weitere Einvernahme ist wie folgt protokolliert:

"F (Frage): Geben Sie wirklich an, dass Sie von 1994 bis 1998 im Keller leben mussten?

A (Antwort): Das war erst am Ende als die Bombardierungen begannen, Anfang 1998.

F: Nennen Sie die Bezirke von Grosny?

A: Savadskoj, Oktiabiski, Leninskij; ich kann nur diese drei

Bezirke nennen.

F: Wie lautet der Namen von Tschetschenien in der tschetschenischen Sprache?

A: Tschetschenische Republik, etwas anderes weiß ich nicht.

F: Beschreiben Sie die tschetschenische Flagge?

A: Das weiß ich wirklich nicht.

F: Benennen Sie die Krankenhäuser?

A: Es gab Krankenhäuser, ich kann sie aber nicht benennen.

Anmerkung: Für die erkennende Behörde steht aufgrund Ihres mangelnden Wissens über Ihre angebliche Heimatstadt Grosny fest, dass Sie weder in Grosny aufhältig waren noch von dort stammen.

A: Ich habe nur die Wahrheit angegeben.

F: Waren Sie politisch tätig?

A: Nein. (...)"

Am 19. September 2000 richtete der Beschwerdeführer ein Schreiben an das Bundesasylamt, in dem er insbesondere ausführte:

"Da ich zum Zeitpunkt meiner Einvernahme psychisch sehr belastet war, verabsäumte ich eine wesentliche Tatsache anzugeben.

Ich gebe hiermit eine Ergänzung zu meinen Aussagen ab.

Zur damaligen Frage: 'Warum haben Sie ihr Heimatland verlassen?', möchte ich zu meiner Antwort hinzufügen:

Meine Familie und ich wurden in unserem Heimatland Tschetschenien aus religiösen Gründen und als Angehörige einer ethnischen Minderheit, verfolgt. Weiters hätte man mich mit Sicherheit zum Militär gezwungen, was für mich, als nicht Moslim, ein sicheres Todesurteil bedeutet hätte.

Das sind die ausschlaggebenden Gründe unserer Flucht. (...) Ich werde selbstverständlich alles unternehmen um der Behörde unsere Herkunft nachzuweisen. Wie bereits im Protokoll angeführt, sind unsere original Dokumente in Kasachstan. Sofort nach Erhalt unserer Dokumente werde ich diese der Behörde vorlegen.

Ich gebe beiliegend eine Eidesstattliche Erklärung, die ebenfalls aufzeigt, dass meine Aussage der Wahrheit entspricht."

Die erwähnte eidesstattliche Erklärung ist von F.M. unterzeichnet, der darin u.a. angibt, er habe den Beschwerdeführer und dessen Familie kennen gelernt, als er (von Juni 1998 bis März 1999) geschäftlich in Kasachstan zu tun gehabt habe. Er wisse, dass diese Familie aus Tschetschenien stamme, weil er dem Beschwerdeführer behilflich gewesen sei, neue Reisedokumente von der Behörde in Kasachstan zu erhalten. In dieser Angelegenheit "hatte ich mehrmals die Reisepässe und deren Geburtsurkunden von Tschetschenien gesehen, da ich mit der Familie mehrmals bei den kasachischen Behörden und bei einem Notar war. In diesen Fällen wurden jedes Mal die Dokumente der Familie B. vorgelegt und geprüft". Nach Erhalt der neuen kasachischen Reisedokumente seien vom Beschwerdeführer "einige für die Familie wichtige Dokumente und Fotos aus deren Heimat, sowie ein Amulett seiner Tochter" in Almaty in einem Banksafe der "Türkisch-International Bank" deponiert worden, wo sie sich noch immer befänden. Abschließend führte F.M. in der eidesstattlichen Erklärung aus, seine Angaben seien "wahrheitsgemäß und ich bin daher bereit, diese jederzeit auf Verlangen der Behörde unter Eid persönlich zu wiederholen."

In einem weiteren Schreiben an das Bundesasylamt vom 14. Oktober 2000 gab der Beschwerdeführer über Aufforderung der Behörde, näher zu erläutern, warum er bei seiner Einvernahme "psychisch belastet" gewesen sei, u.a. an, er habe "nicht vor sehr langer Zeit um das Leben und Tod seiner Tochter und Frau gekämpft"; die Erinnerungen daran hätten ihn "psychisch äußerst belastet". Weiters gebe er an, dass ihn auch die Anwesenheit einer ungarischen Delegation, die seiner Einvernahme (mit seinem damaligen Einverständnis) beigewohnt habe, beeinträchtigt habe. Er sei bemüht, seine Geburtsurkunde aus dem kasachischen Banksafe beizuschaffen und werde die Dokumente sofort nach Erhalt der Behörde vorlegen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. Oktober 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Begründend wurde ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer aus Tschetschenien stamme. Seine bei der niederschriftlichen Einvernahme gemachten Angaben hätten "ein äußerst mangelhaftes Grundwissen über Tschetschenien" offenbart. Dies spreche dafür, dass er nicht aus Tschetschenien stamme und infolgedessen auch die sich auf diesen Teil des Staates beziehenden Fluchtgründe "offensichtlich den Tatsachen nicht entsprechen". Da seine Angaben in zentralen Punkten offensichtlich nicht den Tatsachen entsprächen, sei dem Beschwerdeführer "bei einer Gesamtbetrachtung der Angaben" jegliche Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen. Da die Angaben des Beschwerdeführers "grundsätzlich als unwahr" erachtet würden, sei der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er auf die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes im Einzelnen einging. Er führte u.a. aus, seine Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe in Anwesenheit einer "ungarischen Delegation", somit von "Personen einer Behörde eines Nachbarlandes, ... in das ich möglicherweise abgeschoben werden könnte", stattgefunden. Dies habe für ihn eine unzumutbare psychische Belastung dargestellt. Er habe mittlerweile jemanden beauftragt, ihm seine in Kasachstan in einem Banksafe aufbewahrte Geburtsurkunde zu bringen und ersuche um Einräumung einer angemessenen Frist zu deren Vorlage.

Mit Ladung vom 11. Mai 2001 beraumte der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) eine Berufungsverhandlung für den 25. Mai 2001 an. Diese Ladung war an den Zustellungsbevollmächtigten F.M. adressiert und wurde laut dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein am 15. Mai 2001 (mit Beginn der Abholfrist am 16. Mai 2001) hinterlegt.

Die Berufungsverhandlung am 25. Mai 2001 wurde in Abwesenheit der Parteien durchgeführt. Mit dem nunmehr angefochtenen, in dieser Verhandlung mündlich verkündeten und am 26. März 2002 schriftlich ausgefertigten Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 6 Z 3 u. § 8 AsylG" abgewiesen und gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland zulässig sei.

Mit einem am 31. Mai 2001 bei der belangten Behörde eingebrachten Schriftsatz beantragte der - nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene - Beschwerdeführer die "Anberaumung einer mündlichen Verhandlung" und führte dazu aus, dass sich der Zustellungsbevollmächtigte F.M. zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Ladung für die Berufungsverhandlung (vom 10. bis 28. Mai 2001) im Ausland befunden habe. Da die Ladung an F.M. zu eigenen Handen zuzustellen war, hätte der Beschwerdeführer erst nach der Rückkehr des F.M. (am 28. Mai 2001) vom Verhandlungstermin Kenntnis erlangt.

Nach Übermittlung einer Kopie der Verhandlungsschrift vom 25. Mai 2001 (in der die mündliche Verkündung des Berufungsbescheids beurkundet ist) beantragte der Beschwerdeführer am 13. Juni 2001 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Verhandlung, weil er durch ein von ihm "nicht zu verantwortendes und unabwendbares Ereignis nicht von der für den 25.5.2001 anberaumten Verhandlung rechtzeitig Kenntnis erlangt" habe. Erst durch Mitteilung des F.M. sei ihm am 29. Mai 2001 der Verhandlungstermin bekannt geworden. Mit diesem Antrag legte der Beschwerdeführer seine Geburtsurkunde und die Geburtsurkunde seiner Ehefrau vor, die vom Standesamt der Stadt Grosny ausgestellt worden seien. Diese in beglaubigter Übersetzung vorgelegten Dokumente sind jeweils als "Duplikat" bezeichnet und mit 10. April 2001 datiert.

In dem von der belangten Behörde in der Folge über den Wiedereinsetzungsantrag durchgeführten Verfahren wurde F.M. als Zeuge vernommen. Er gab an, es sei richtig, dass er Zustellvollmacht für den Beschwerdeführer gehabt habe. Er habe sich nicht ab dem 10. Mai 2001 im Ausland befunden, sondern sei am 15. Mai 2001 abgereist, wobei er aber nicht mehr "hundertprozentig die Tage sagen" könne. Genau wisse er, dass er zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Schriftstückes nicht mehr in Österreich gewesen sei, wobei diese seines Wissens am 16. Mai 2001 erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 26. März 2002 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ab. (Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer mit einer zur Zl. 2002/20/0362 protokollierten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft).

Gleichzeitig fertigte sie den in der Verhandlung am 25. Mai 2001 mündlich verkündeten Bescheid schriftlich aus. In diesem Bescheid wird unter anderem festgestellt, dass die Ladung zur Verhandlung für den 25. Mai 2001 "nach zwei Zustellversuchen beim Postamt hinterlegt" worden sei. Die belangte Behörde erhob die Beweiswürdigung der Erstbehörde mit Ausnahme der vom Beschwerdeführer bestrittenen Feststellung, er sei russischer Staatsbürger, zu ihrer eigenen und führte weiter aus, das Bundesasylamt habe "schlüssig begründet, warum es die Unglaubwürdigkeit des Asylwerbers in Bezug auf seine Herkunft aus Grozny annahm". Die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers sei erst nach Abschluss des Verfahrens mit seinem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegt worden. Bei den Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe aufgrund psychischer Belastung bei seiner niederschriftlichen Einvernahme keine ausreichenden Angaben machen können, handle es sich um eine Schutzbehauptung. "Da das Bundesasylamt richtigerweise von der Unglaubwürdigkeit" des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Herkunftsangaben ausgegangen sei, könne "natürlich auch im gegenständlichen Fall nicht nachvollzogen werden, inwiefern die vom Asylwerber nur sehr generell geschilderten Fluchtgründe zutreffen". Es sei dem Beschwerdeführer "eben nicht gelungen ..., zu bescheinigen, dass er Tschetschene ist".

Über die Beschwerde gegen diesen Berufungsbescheid hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist gemäß Z 3 leg. cit. der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat das Vorbringen des Asylwerbers zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf § 6 Z 3 AsylG 1997 nur herangezogen werden, wenn das Vorbringen des Asylwerbers in seiner Gesamtheit "offensichtlich" nicht den Tatsachen entspricht. Eine bloß "schlichte Unglaubwürdigkeit" des Vorbringens reicht nicht aus (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 15. Mai 2003, Zl. 2002/01/0086, und vom 22. Oktober 2002, Zl. 2002/20/0084). Nur dann, wenn "unmittelbar einsichtig" ist und sich das Urteil quasi "aufdrängt", dass die vom Asylwerber vorgebrachten und für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblichen Schilderungen tatsächlich wahrheitswidrig sind, erreicht das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 als erfüllt angesehen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl. 2001/20/0197, mwN). Die Einschätzung, das Vorbringen eines Asylwerbers zu einer Bedrohungssituation entspreche wegen falscher Angaben zur Identität (und/oder Staatsangehörigkeit) im Sinne des § 6 Z 3 AsylG offensichtlich nicht den Tatsachen, hat zur Voraussetzung, dass die Angaben des Asylwerbers zu seiner Identität (und/oder Staatsangehörigkeit) ihrerseits "offensichtlich" unglaubwürdig sind (vgl. die Erkenntnisse vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0447, vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0079, und vom 21. November 2002, Zl. 99/20/0549).

Diesen an das Offensichtlichkeitskalkül im Sinne des § 6 Z 3 AsylG zu stellenden Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Die Ausführungen in diesem Bescheid - wonach es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, die von ihm behauptete Herkunft zu bescheinigen - vermögen in Bezug auf die Herkunft des Beschwerdeführers aus Tschetschenien "Offensichtlichkeit" im Sinne des § 6 Z 3 AsylG nicht darzutun. Aber auch in der von der belangten Behörde als schlüssig bezeichneten Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - wonach die Angaben des Beschwerdeführers "grundsätzlich als unwahr" zu werten seien - wird nicht dargelegt, warum eine über die "schlichte Unglaubwürdigkeit" hinausgehende "offensichtliche Unglaubwürdigkeit" der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat anzunehmen sei.

Darüber hinaus haben weder die belangte Behörde noch die Erstbehörde die vom Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte eidesstattliche Erklärung des F.M. einer Würdigung unterzogen. Es kann nicht gesagt werden, dass die vom Beschwerdeführer zum Beweis seiner Herkunft aus Tschetschenien vorgelegte Erklärung des F.M. bzw. eine Einvernahme dieses Zeugen, der angegeben hatte, er könne die Herkunft des Beschwerdeführers aufgrund der von ihm eingesehenen Dokumente bestätigen, für das Ergebnis des Asylverfahrens - insbesondere im Hinblick auf das nach § 6 Z 3 AsylG anzustellende Offensichtlichkeitskalkül - nicht von Bedeutung wäre. Ebensowenig handelt es sich bei der Aussage des F.M. um ein von vornherein - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untaugliches Beweismittel. Indem sich der unabhängige Bundesasylsenat und das Bundesasylamt, auf dessen Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid verwiesen wird, zu Unrecht mit der Erklärung des F.M. im Rahmen der Beweiswürdigung nicht auseinander gesetzt haben, wurden daher auch Verfahrensvorschriften verletzt.

Da der unabhängige Bundesasylsenat, indem er die Anwendung des § 6 Z 3 AsylG in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen nur damit begründet hat, dass es dem Beschwerdeführer "nicht gelungen" sei, die Herkunft aus diesem Staat "zu bescheinigen", die Rechtslage verkannt hat und der Aufhebungsgrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit jenem der Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, ist der angefochtene Bescheid schon aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Es braucht daher nicht mehr näher darauf eingegangen zu werden, ob die belangte Behörde die Berufungsverhandlung am 25. Mai 2001 in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchführen durfte. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang freilich, dass aufgrund der vorgelegten Verwaltungsakten nicht feststeht, ob der Beschwerdeführer zu dieser Verhandlung ordnungsgemäß geladen wurde. Weder im angefochtenen Bescheid noch im Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 2002, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung abgewiesen wurde, wird nachvollziehbar festgestellt, ob die Ladung zur Berufungsverhandlung in einer dem § 21 ZustG entsprechenden Weise hinterlegt wurde. Einerseits fehlt jegliche Beweiswürdigung zur Frage, ab wann der Zustellungsbevollmächtigte des Beschwerdeführers sich im Ausland befunden habe (der Beschwerdeführer hat behauptet, F.M. sei schon am 10. Mai 2001 abgereist, während die belangte Behörde offenbar - begründungslos -

davon ausgeht, die Abreise sei erst nach der Hinterlegung der Ladung zur Berufungsverhandlung erfolgt); andererseits kann den Verwaltungsakten nicht entnommen werden, ob die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches der (zu eigenen Handen zuzustellenden) Ladung am 14. Mai 2001 dem § 21 Abs. 2 ZustG entsprochen hat, weil auf dem im Akt erliegenden Zustellnachweis nicht vermerkt ist, in welcher Form die Aufforderung an der Abgabestelle zurückgelassen worden ist.

Die Frage der Gültigkeit der Zustellung der Ladung zur Berufungsverhandlung braucht aber im weiteren Verfahren von der belangten Behörde nicht mehr geprüft zu werden, weil sich die belangte Behörde aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch mit den nach dessen Verkündung vorgelegten Urkunden im Rahmen der Beweiswürdigung jedenfalls auseinander zu setzen hat. Das erfordert im vorliegenden Fall auch die Durchführung einer Berufungsverhandlung und die Einvernahme des F.M., der in seiner - von der belangten Behörde zu Unrecht nicht beachteten - eidesstattlichen Erklärung angegeben hat, die behauptete Herkunft des Beschwerdeführers aus Tschetschenien bestätigen zu können.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren (Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG) war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer diese Gebühr aufgrund der ihm gewährten Verfahrenshilfe nicht zu entrichten hat.

Wien, am 6. Mai 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte