Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seiner Aussprüche nach §§ 7 und 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, gelangte am 15. Jänner 2001 in das Bundesgebiet und stellte am 17. Jänner 2001 einen Asylantrag. Zu seinen Fluchtgründen gab er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen an, er sei Schiite und sei 1993 im Zuge einer Demonstration festgenommen und zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er habe die Strafe verbüßt und sei anschließend zum Militärdienst eingezogen worden. Während des Militärdienstes sei er mehrfach von Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit seinem schiitischen Glauben befragt worden, was schließlich auch der Grund für seine Ausreise aus dem Irak gewesen sei. Er habe mit einem irakischen Pass, den er sich durch Bestechung besorgt habe, zunächst nach Syrien ausreisen können, von wo er schließlich nach Österreich gelangt sei. Im Falle seiner Rückkehr in den Irak befürchte er die Todesstrafe; von seiner Mutter habe er während seines Aufenthaltes in Syrien erfahren, dass die irakischen Behörden bereits nach ihm gefragt hätten.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 13. Februar 2001 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung in den Irak gemäß § 8 AsylG für zulässig.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 7 AsylG ab und stellte ebenfalls die Zulässigkeit des Refoulement des Beschwerdeführers in den Irak fest. Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer habe den Irak "mit einem echten Reisepass im Jahr 1998 legal verlassen". Er sei vor seiner Flucht keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von irakischen Behörden gesucht werde oder dass gegen ihn ein Verfahren eingeleitet worden sei. Aufgrund der "legalen Ausreise ... mit Hilfe eines echten Reisepasses" könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer "keinerlei Probleme mit den irakischen Behörden hatte oder im Falle seiner Rückkehr zu gewärtigen hätte". Die angeblichen Nachfragen irakischer Behörden bei der Mutter des Beschwerdeführers habe das Bundesasylamt zurecht als unglaubwürdig bewertet. Da der Beschwerdeführer "nicht dargetan (habe), dass die Reise nach Österreich bzw. die Asylantragstellung in Österreich irakischen Behörden zur Kenntnis gelangt" sei, könne "ihm auch aus diesem Sachverhalt im Falle einer Rückkehr keine Gefahr drohen". Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe, sodass der Asylantrag nach § 7 AsylG abzuweisen gewesen sei. Auch bestünden kein "stichhaltigen Gründe" für das Vorliegen einer einen Refoulement-Schutz gemäß § 8 AsylG begründenden Gefährdung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat (vgl. in diesem Zusammenhang zuletzt etwa das Erkenntnis vom 26. November 2003, Zl. 2000/20/0258, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in zahlreichen Erkenntnissen in Bezug auf die hier maßgeblichen Umstände zur Zeit der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, den einem irakischen Staatsbürger wegen illegaler Ausreise und Asylantragstellung im Ausland drohenden, unverhältnismäßig harten Sanktionen könne gerade unter den besonderen politischen Verhältnissen im Irak Asylrelevanz zukommen; einem derartigen "Nachfluchtgrund" könne die Asylrelevanz nicht von vornherein abgesprochen werden (vgl. die im Erkenntnis vom 22. Mai 2003, Zl. 2001/20/0268, und im Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401, referierte Rechtsprechung).
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, der Beschwerdeführer sei mit Hilfe eines echten Reisepasses aus dem Irak ausgereist, woraus geschlossen werden könne, dass er "keinerlei Probleme mit den irakischen Behörden hatte oder im Falle seiner Rückkehr zu gewärtigen hätte". Selbst wenn aber dem Beschwerdeführer der für die Ausreise nach Syrien verwendete Reisepass ausgestellt worden wäre, ohne dass dafür die von ihm behauptete Bestechung notwendig gewesen wäre, so sagt die von der belangten Behörde festgestellte "legale" Ausreise nach Syrien noch nichts darüber aus, dass die irakischen Behörden nicht dennoch die darauf folgende Weiterreise des Beschwerdeführers nach Österreich, den länger dauernden Aufenthalt in Europa und die hier erfolgte Asylantragstellung - etwa schon wegen Überschreitung einer Rückkehrfrist - als illegal angesehen hätten. Mit den dafür maßgeblichen, in den Bescheiden der belangten Behörde wiederholt erörterten irakischen Vorschriften und der Praxis ihrer Anwendung hat sich die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht auseinander gesetzt.
Da aufgrund des von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes keinesfalls feststeht, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Irak unter dem Regime von Saddam Hussein keine Bestrafung wegen der Weiterreise nach Österreich und des gestellten Asylantrages gedroht hätte, ist die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Ausstellung eines Reisepasses (für die Ausreise nach Syrien) keine asylrelevante Verfolgung im Irak gedroht hätte. Indem die belangte Behörde das Vorliegen des in Rede stehenden Nachfluchtgrundes - im Übrigen auch unter Verletzung der Verhandlungspflicht - verneint hat, ohne sich weiter damit auseinander zu setzen, ob der Beschwerdeführer trotz der Ausreise mit einem von den irakischen Behörden ausgestellten Reisepasses Verfolgung im Irak zu befürchten hätte, ist sie daher von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 29. Jänner 2004
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