Normen
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Armenien, reiste zusammen mit seiner Ehefrau (hg. Zl. 2001/20/0410) und den gemeinsamen Kindern (hg. Zlen. 2001/20/0430 und 2001/20/0431) am 14. Juni 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Juni 1999 zusammen mit den übrigen Familienmitgliedern Asyl.
Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau gaben bei ihren Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 17. August 1999 an, Armenien wegen der aserbaidschanischen Abstammung der Ehefrau des Beschwerdeführers im Jahr 1990 zusammen mit ihren Kindern verlassen zu haben und danach "illegal" in Russland und in der Ukraine gelebt zu haben. Im Juni 1998 sei der Beschwerdeführer in der Absicht, Reisepässe für seine Familie zu beantragen, nach Armenien zurückgekehrt. Er habe aber neuerlich Probleme mit seinen früheren Nachbarn bekommen. Die Familie des Beschwerdeführers sei schon vor der Ausreise im Jahr 1990 "von den Nachbarn schlecht behandelt" worden; bei einer Schlägerei im Zusammenhang mit der Ausreise der Schwiegereltern des Beschwerdeführers nach Aserbaidschan habe dieser einen Nachbarn zusammengeschlagen. Als dieser Nachbar bemerkt habe, dass sich der Beschwerdeführer wieder am früheren Wohnort befinde, hätten "Freunde von ihm daher mein Auto in Brand gesteckt". Der Beschwerdeführer habe in der Folge von seiner Absicht, Reisepässe zu beantragen, Abstand genommen und habe Armenien wieder verlassen.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers zunächst mit einem auf § 6 Z 1 AsylG gestützten Bescheid vom 19. August 1999 ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung und legte im Zuge des Berufungsverfahrens die Kopie einer "Fahndungsausschreibung" einer armenischen Behörde vor, in der ihm "Verbrechen auf nationaler Basis" vorgeworfen würden und er als "Verräter des armenischen Volkes" bezeichnet werde.
Nach Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vom 19. August 1999 durch die belangte Behörde wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers, ebenso wie die Asylanträge seiner Ehefrau und seiner Kinder, mit Bescheid vom 20. Oktober 1999 neuerlich - gemäß § 7 AsylG - ab und erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung (u.a.) des Beschwerdeführers nach Armenien für zulässig.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid folgende auf den Beschwerdeführer bezogene Feststellungen getroffen:
"Der Berufungswerber verließ im Jahr 1990 gemeinsam mit seiner Familie auf Grund des damals schwelenden Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan und daraus resultierenden allgemeinen Schikanen und Anfeindungen gegen armenische Staatsangehörige mit aserbaidschanischer Abstammung sein Herkunftsland. Seine Ehefrau ist aserbaidschanische Staatsangehörige. Seine minderjährigen Kinder sind jedoch armenische Staatsangehörige. Zwischen 1990 und seiner Einreise in das Bundesgebiet hielt er sich ohne rechtsgültigen Aufenthaltstitel zuerst in Russland und dann in der Ukraine auf. Im August 1998 kehrte er für 4 - 6 Wochen in sein Herkunftsland zurück, um sich dort Reisepass und Führerschein ausstellen zu lassen."
Daran anschließend traf die belangte Behörde längere
Feststellungen über die Verhältnisse in Armenien, wobei sie zu den
"Verdrängungsmaßnahmen gegen die in Armenien lebenden
Aserbaidschaner" feststellte, Letztere hätten "teilweise unter dem
Schutz der Regierung" das Land verlassen. UNHCR habe "Kontakt zu
den vereinzelt in Armenien verbliebenen Aserbaidschanern mit
armenischen Ehepartnern, die jedoch mittlerweile nach Bedrohungen
durch Nachbarn Armenien zumeist verlassen" hätten. Gegen
"Abkömmlinge aus armenisch-aserbaidschanischen Mischehen" seien
"bei Bekanntwerden der Abstammung ... Animositäten möglich. Seit
dem Waffenstillstand 1994 hat sich die Situation jedoch auch
insoweit entspannt. Heute ist es durchaus möglich, bei der
Beantragung eines Reisepasses die Volkszugehörigkeit 'Aseri'
eintragen zu lassen. ... Fälle von Repressionen Dritter, für die
der Staat verantwortlich ist, weil er sie anregt, unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt, sind dem (deutschen) Auswärtigen Amt nicht bekannt und werden auch von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen, soweit ersichtlich, nicht vorgetragen". Es habe nicht festgestellt werden können, "ob es sich beim vorgelegten Fahndungsbefehl um ein echtes Dokument" handle; auf Grund des Erscheinungsbildes dieser Urkunde und des darin genannten, vor dem Hintergrund des "im Wesentlichen funktionierenden armenischen Rechtssystems übertrieben formuliert(en) Vorwurfes" erscheine es "unwahrscheinlich ..., dass diese Urkunde von einer armenischen Behörde ausgestellt wurde".
In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zur Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers fallbezogen aus:
"Dem festgestellten Sachverhalt folgend kommt es in Armenien zu Animositäten gegenüber der aserbaidschanisch stämmigen Bevölkerungsgruppe sowie Personen, die gemischt aserbaidschanischarmenischer Abstammung sind oder jenen, die mit solchen Personen verheiratet sind. Diese Benachteiligungen werden von der Staatsmacht im Herkunftsstaat weder geduldet noch gefördert. Soweit es zu Beeinträchtigungen kommt, erreichen diese nicht die asylrechtlich notwendige Intensität, die ein Leben im Herkunftsland aus Sicht der Konvention unzumutbar machen würde. Eine asylrelevante Bedrohungssituation ist somit nicht gegeben."
Auch der vorgelegte Fahndungsbefehl könne - wenn man diesem Echtheit unterstelle - keine asylrelevante Verfolgung begründen, weil sich der Beschwerdeführer in einem allfälligen Gerichtsverfahren zur Wehr setzen könne und nicht erkennbar sei, dass dieser "Fahndungsbefehl aus Gründen der Konvention erlassen worden wäre".
Der Beschwerdeführer, der mit einer aserbaidschanischen (aserischen) Ehefrau verheiratet ist, wobei aus dieser gemischten Ehe zwei Kinder stammen, hat seine Verfolgungsbehauptung insbesondere auf die Situation seiner Familie gegründet. Zur Lage der Aseri und armenisch-aserischer Ehepaare sowie Kinder aus gemischten Ehen hat die belangte Behörde in einem mit dem hg. Erkenntnis vom 29. März 2001, Zl. 2000/20/0458, bestätigten Bescheid vom 28. September 2000 ausführliche Feststellungen getroffen, die auch im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/20/0430 (betreffend den am 5. Juni 1987 geborenen Sohn des Beschwerdeführers), wiedergegeben werden. Diesen Feststellungen ist insbesondere zu entnehmen, dass von Schikanen und Gewaltakten gegen die ethnischen Aseri durch die örtliche Bevölkerung "insbesondere armenisch-aserische Ehepaare sowie Kinder aus gemischten Ehen betroffen" seien. Die im vorliegenden Fall von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zu diesem Thema ergeben, wie in dem zuvor zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag näher dargestellt wird, kein grundsätzlich anderes Bild, die belangte Behörde spricht jedoch statt von "Gewaltakten" - der Terminologie eines von ihr herangezogenen Berichtes des deutschen Auswärtigen Amtes folgenden - von "Animositäten". Wie im erwähnten Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/20/0430, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, im Einzelnen dargelegt wird, hat die belangte Behörde nicht schlüssig begründet, woraus sie die Überzeugung gewonnen hat, dass dem Beschwerdeführer noch drohende Beeinträchtigungen "nicht die asylrechtliche notwendige Intensität" erreichten und sie hat darüber hinaus in Bezug auf die Frage staatlichen Schutzes vor "Repressionen Dritter" gegen die aserische Minderheit auch die Rechtslage verkannt. Diese Ausführungen treffen auch auf den hier angefochtenen Bescheid zu.
Da sich schon daraus ergibt, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unzutreffend davon ausgegangen ist, dass eine asylrelevante Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer als Ehegatte einer aserischen Ehefrau nicht gegeben sei, kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, ob er vom Beschwerdeführer vorgelegte "Fahndungsbefehl" echt ist bzw. ob er im Falle der Unterstellung der Echtheit nicht aus asylrelevanten Gründen erlassen worden wäre. Anzumerken ist freilich, dass die zuletzt genannte Annahme der belangten Behörde vom Verwaltungsgerichtshof angesichts des keinesfalls von vornherein auszuschließenden politischen Charakters der darin behauptetermaßen erhobenen Vorwürfe, "Verbrechen auf nationaler Basis" begangen zu haben und ein "Verräter des armenischen Volkes" zu sein, nicht nachvollzogen werden kann.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. September 2004
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