VwGH 2001/09/0007

VwGH2001/09/000729.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des F in N, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf, Rechtsanwalt in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vom 15. November 2000, Zl. Schk.: OB. 410-456008- 005, betreffend Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

HVG §2 Abs1;
HVG §2 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1980 geborene Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 2. November 1999 bis 30. Juni 2000 seinen Präsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer. Nach dem Konsum von 1,5 Liter Bier begab er sich am 15. Dezember 1999 um etwa 23.30 Uhr in der ihm zugewiesenen militärischen Unterkunft im ersten Stock des Bürgstummer-Gutes in Hörsching zur Nachtruhe, wo er kurz nach Mitternacht einschlief. Das geöffnete Fenster befand sich neben seinem Bett. Um 1.00 Uhr des 16. Dezember 1999 stürzte der Beschwerdeführer aus diesem Fenster aus einer Höhe von etwa 6 m und erlitt dabei schwere Verletzungen, insbesondere Knochenbrüche im Gesicht sowie im Lenden- und Hüftbereich.

Am 9. Juni 2000 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Anerkennung dieser Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigung nach dem Heeresversorgungsgesetz und Gewährung einer Beschädigtenrente.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes Oberösterreich vom 15. Juni 2000 wurden die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gesundheitsschädigungen gemäß §§ 1 und 2 des Heeresversorgungsgesetzes (HVG), BGBl. Nr. 27/1964, in der geltenden Fassung, nicht als Dienstbeschädigung anerkannt und der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Beschädigtenrente gemäß § 4 Abs. 1 HVG abgelehnt. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer aus bisher unerklärlichen Gründen aus dem Fenster seines Zimmers gefallen sei und dabei Verletzungen erlitten habe, für die er Versorgungsansprüche nach dem HVG geltend mache. Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung sei ein örtlicher, zeitlicher und kausaler Zusammenhang mit dem Präsenzdienst oder dessen eigentümlichen Verhältnissen. Beim Sturz eines Präsenzdieners aus dem Fenster eines im ersten Stock gelegenen Schlafraumes eines Kasernengebäudes fehle nicht nur ein für den Wehrdienst typisches Ereignis, sondern es kämen auch nicht der Dienstleistung eigentümliche Verhältnisse als Ursache für die dabei erlittenen Gesundheitsschädigungen in Betracht. Der Umstand, dass es sich bei einer Unterkunft um eine militärische Unterbringung gehandelt habe, mache für sich allein noch nicht jede in diesem Bereich erlittene Gesundheitsschädigung zu einer Dienstbeschädigung im Sinne des HVG.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er unter anderem ausführte, dass seine Anwesenheit während der Nachtruhe in der militärischen Unterkunft angeordnet gewesen sei und es ihm nicht freigestanden sei, die Nachtruhe außerhalb des Kasernengebäudes zu verbringen. Der Beschwerdeführer sei auch auf Grund der dem Kasernengebäude eigentümlichen Verhältnisse aus dem Fenster, das sich rund einen halben Meter neben seinem Bett befunden habe, gestürzt. Dieses sei zum Vorfallszeitpunkt gänzlich geöffnet gewesen, was sich aus der Notwendigkeit der Lüftung des Kasernenraumes infolge der Vielzahl der sich darin aufhaltenden Präsenzdiener ergeben habe. Im Bereich des Fensters habe sich eine Stufe befunden und das Fenster sei derart niedrig situiert gewesen, dass der Beschwerdeführer beim Herabsteigen von seinem Bett leicht aus dem Fenster habe fallen können. Das Fenster habe auch funktionell als Notausstieg gedient und sei nicht durch ein entsprechendes Gitter abgesichert gewesen. Es sei derart niedrig situiert gewesen, dass eine schlaftrunkene Person leicht habe hinausfallen können. Der Beschwerdeführer habe zum Vorfallszeitpunkt irrtümlich das Fluchtfenster mit dem Zimmerausgang verwechselt. Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Berufung die Einvernahme mehrerer Zeugen sowie die Durchführung eines Lokalaugenscheins an Ort und Stelle.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. November 2000 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass zur Unfallszeit noch drei weitere Personen im Zimmer mit dem Beschwerdeführer geschlafen hätten. Der Vorfall sei von niemandem beobachtet worden, einer der Kameraden sei erst durch die Schreie des auf der Straße liegenden Beschwerdeführers geweckt worden. Am Unfallort aufgenommene Lichtbilder zeigten u.a. das besagte Fenster, welches eine normale Höhe aufweise. Unter dem Fenster befänden sich zwei in der Mauer eingelassene Steighilfen, weiters seien auf dem Foto zwei Sessel zu erkennen, die direkt davor stünden.

Für die Beurteilung der Kausalität sei wesentlich, ob das schädigende Ereignis ursächlich auf die der Dienstleistung eigentümliche Verhältnisse zurückzuführen sei. Der Umstand, dass es sich um eine militärische Unterkunft gehandelt habe, mache für sich allein noch nicht jede in diesem Bereich erlittene Gesundheitsschädigung zu einer Dienstbeschädigung im Sinne des AVG. Auch die bloße Tatsache, dass das schädigende Ereignis ausgeblieben wäre, wenn der Versorgungswerber nicht zur Ableistung des Präsenzdienstes einberufen worden wäre, begründe noch keinen unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang. Das Schlafen im ersten Stock eines Gebäudes, in einem dunklen Raum oder bei offenem Fenster sei auch im Zivilleben durchaus üblich. Dieser Umstand begründe daher grundsätzlich keine besonderen Verhältnisse, die dem Wehrdienst eigentümlich seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung, in eventu die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hält die vorliegende Beschwerde zunächst im Hinblick darauf für unzulässig, als sie verspätet eingebracht worden sei. Angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 29. November 2000 habe die Beschwerdefrist am 10. Jänner 2001 geendet. Die Beschwerde sei jedoch nach einem Eingangsstempel des Verwaltungsgerichtshofes erst am 11. Jänner 2001 zur Post gegeben worden.

Da jedoch nach den Ermittlungen des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere beim Postamt Peuerbach, die Beschwerde tatsächlich dort am 10. Jänner 2001 (und nicht, wie der Postaufgabestempel auf jenem Kuvert, in welchem sich die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde befand, anzeigt, am 11. Jänner 2001) zur Post gegeben wurde, ist die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden, weshalb auf den bloß für den Fall ihrer verspäteten Einbringung eingebrachten Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung des Verfahrens nicht einzugehen war.

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz HVG ist eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes, einschließlich einer beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst oder im Wehrdienst als Zeitsoldat, erlitten hat, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen (§ 2).

Eine Gesundheitsschädigung ist nach § 2 Abs. 1 erster Satz HVG als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Nach der dargelegten Rechtslage macht das HVG gemäß § 2 Abs. 1 die Gewährung von Versorgungsleistungen für Gesundheitsschädigungen (im Sinn des § 1) davon abhängig, dass das schädigende Ereignis mit dem geschützten Bereich in ursächlichem Zusammenhang steht. Die Zurechnung in den Versicherungsschutz stellt demnach eine Kausalitätsbeurteilung dar; diese erfolgt auch im Bereich der Heeresversorgung nach der so genannten Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung. Wo die Grenzen dieser Zurechnung liegen, kann nur im Einzelfall unter verständiger Würdigung aller maßgebender Umstände gesagt werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 12. Juni 1997, Zl. 94/09/0231, vom 26. Juni 1997, Zl. 94/09/0202, sowie von 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0167, und die darin angegebene Rechtsprechung).

Hinsichtlich des Sturzes des Beschwerdeführers aus dem Fenster seiner Unterkunft stellte die belangte Behörde fest, dass sich der Beschwerdeführer zur Unfallszeit in der Unterkunft aufzuhalten hatte, sie führt nicht aus, dass er sich dabei etwa weisungswidrig verhalten hätte. Der Sturz ereignete sich aus einem in der Nacht offen stehenden Fenster, das sich unbestritten in unmittelbarer Nähe des Bettes des Beschwerdeführers befand, sowie weiters auch als Notausstieg aus dem Schlafraum des Beschwerdeführers diente; zu diesem Zweck waren nach der Aktenlage auch unterhalb des Fensters zwei zum Fenster führende Eisentritte angebracht.

Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer den Auftrag gehabt hätte, in der Nacht das Fenster als Ausgang des Schlafraumes zu benutzen, auch wurden von der belangten Behörde hinsichtlich des näheren Herganges des nächtlichen Sturzes des Beschwerdeführers aus dem Fenster keine Feststellungen getroffen und konnten auch nicht getroffen werden. Nach der Aktenlage hatte der Beschwerdeführer nach dem Unfall bloß angegeben, sich nicht erinnern zu können, er könne bloß ein Fremdverschulden ausschließen und müsse wohl schlafgewandelt sein. Die Beschwerde enthält hinsichtlich des Unfallherganges keine näheren Hinweise.

Bei dieser Sachlage kann der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht entgegen getreten werden, wenn sie im Ergebnis den für die Anerkennung der durch den Sturz aus dem Fenster verursachten Verletzungen als Dienstbeschädigungen nach dem HVG geforderten ursächlichen Zusammenhang mit dem durch das HVG geschützten Bereich verneint hat. Der Dienstleistung eigentümliche Verhältnisse sind zwar auch dann anzunehmen, wenn die Gesundheitsschädigung zwar eine vom Wehrdienst unabhängige Ursache hatte, für das Zustandekommen jedoch die besonderen örtlichen Verhältnisse von Bedeutung waren (vgl. die EB zu § 2 HVG in seiner Stammfassung BGBl. Nr. 27/1964, 158 BlgNR, 10. GP, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. März 1957, 945/56, sowie das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 94/09/0202, betreffend das Ausrutschen eines Präsenzdieners auf einem vereisten und gänzlich ungestreuten Hof eines Kasernengeländes, vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1967, Zl. 94/09/0231, betreffend das Stolpern eines Zeitsoldaten über einen erhöhten Kanaldeckel). Im vorliegenden Fall sprechen die besonderen örtlichen Verhältnisse jedoch angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer vor seinem Sturz offensichtlich ein Fensterbrett in durchaus normaler Höhe überwunden haben muss (ein vom Schlafraum des Beschwerdeführers aus aufgenommenes Foto des Fensters liegt in den Akten des Verwaltungsverfahrens ein), sowie auch angesichts seiner Alkoholisierung nicht auf ähnliche Weise wie in den angeführten Fällen für das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhanges im Sinne des § 2 Abs. 1 HVG.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. April 2004

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