VwGH 2003/21/0053

VwGH2003/21/005319.11.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde der B, vertreten durch den Vater VB, dieser vertreten durch Mag. Christoph Korp, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 22, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 31. Jänner 2003, Zl. Fr 47/2003, betreffend Ausstellung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §55;
FrG 1997 §76 Abs1 Z1;
FrG 1997 §76 Abs1;
FrG 1997 §76;
FrG 1997 §78 Abs1;
FrG 1997 §78 Abs5 Z1;
FrG 1997 §78;
VwRallg;
FrG 1993 §55;
FrG 1997 §76 Abs1 Z1;
FrG 1997 §76 Abs1;
FrG 1997 §76;
FrG 1997 §78 Abs1;
FrG 1997 §78 Abs5 Z1;
FrG 1997 §78;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin wurde nach der Aktenlage am 28. Dezember 2001 in Österreich als eheliches Kind der (damals) russischen Staatsangehörigen N.G. und des (damals) staatenlosen V.B. geboren. Mit Bescheid vom 29. Jänner 2002 wurde dem V.B. sowie (durch Erstreckung) der N.G. und deren erstgeborenem Kind D.B. die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Am 10. Juni 2002 beantragte V.B. für die Beschwerdeführerin (seine Tochter) die Ausstellung eines Fremdenpasses sinngemäß mit der Begründung, er könne sich die von ihm mit EUR 700,-- bezifferten Kosten einer Erstreckung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf die staatenlose Beschwerdeführerin finanziell nicht leisten. In dem am 11. Dezember 2002 bei der Erstbehörde eingelangten Schreiben ergänzte der Vater der Beschwerdeführerin, seine Tochter sei (seiner Ansicht nach) deshalb staatenlos, weil es nach dem "russischen Gesetz" für den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft erforderlich wäre, dass ein Elternteil die Beschwerdeführerin bei der russischen Botschaft anmelde. Das hätten die Eltern nicht gemacht. Es bestehe aber auch keine Verpflichtung, die Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu beantragen; er habe dafür kein Geld.

Die Bundespolizeidirektion Graz wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Dezember 2002 gemäß § 76 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab, weil das nach dieser Bestimmung erforderliche "Interesse der Republik" an der Ausstellung eines Fremdenpasses für die Beschwerdeführerin nicht gegeben sei.

In der dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Vater der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die ungeklärte Staatsangehörigkeit seiner Tochter das Antragsvorbringen. Er müsse für seine Tochter nicht um die "Staatsbürgerschaft ansuchen", weil sie sich später selbst entscheiden könne. Man dürfe seine Tochter in Österreich nicht "zusperren"; er dürfe mit ihr reisen. Schließlich verwies er - wie schon im erstinstanzlichen Verfahren -

noch einmal darauf, dass auch ihm (früher) ein Fremdenpass ausgestellt worden sei, ohne dass das "Interesse der Republik" von der Behörde thematisiert worden sei.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf § 76 Abs. 1 FrG, der jene Fälle - unter Z 1 Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen - taxativ aufzähle, in denen Fremdenpässe ausgestellt werden könnten. Bei dieser Ermessensentscheidung komme es nicht nur darauf an, dass die Ausstellung des Fremdenpasses im Interesse des Betroffenen gelegen sei, sondern es müsse daran auch ein positives Interesse der Republik Österreich bestehen und es dürfe kein Versagungsgrund (§ 81 FrG) vorliegen. Österreich eröffne mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu reisen und übernehme damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordere einen restriktiven Maßstab.

Die belangte Behörde stelle "völlig außer Streit", dass die Disposition darüber, ob jemand um die Verleihung (Erstreckung) der österreichischen Staatsbürgerschaft ansuche, dem jeweils Betroffenen völlig freigestellt sei. Das führe aber "letztendlich" zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin "keinesfalls als ein für die Ausstellung eines Fremdenpasses sprechendes Argument herangezogen werden kann." Der Vater der Beschwerdeführerin habe selbst ausgeführt, ein Elternteil müsste die Tochter bei der russischen Botschaft anmelden, erst dann wäre sie russische Staatsbürgerin. Er habe das nach seinen Angaben "bewusst" nicht gemacht, weshalb die Tochter staatenlos sei. Auch wenn ihm die diesbezügliche Disposition zugebilligt werden müsse und die diesbezüglichen Beweggründe zu akzeptieren seien, könne sich der Vater der Beschwerdeführerin aber dann, wenn er sich gegen diese Möglichkeit entscheide, keinesfalls auf die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses "berufen". Es könne keinesfalls im Interesse der Republik Österreich gelegen sein, einen Fremdenpass nur deswegen auszustellen, weil sich der Betroffene weigere, bei der Vertretungsbehörde seines (ehemaligen) Heimatstaates um die gesetzliche Anerkennung der Staatsbürgerschaft und um die Ausstellung eines nationalen Reisedokumentes anzusuchen. Der bloße Wunsch des Vaters der Beschwerdeführerin, mit seiner Tochter zu reisen, könne noch kein öffentliches Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses begründen, wenn ohne weiteres die Möglichkeit bestehe, für die Beschwerdeführerin ein nationales Reisedokument im Wege der russischen Botschaft zu beschaffen. Insoweit sei der Fall auch nicht mit der seinerzeitigen Ausstellung eines Fremdenpasses für den Vater der Beschwerdeführerin vergleichbar. Zusammenfassend kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten persönlichen Umstände reichten für sich genommen nicht aus, um ein öffentliches Interesse im Sinne des § 76 Abs. 1 FrG zu begründen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Nach § 76 Abs. 1 Z 1 FrG können für Staatenlose oder für Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen, auf Antrag Fremdenpässe ausgestellt werden, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik Österreich gelegen ist und keiner der in § 81 FrG genannten Versagungsgründe vorliegt.

Auch wenn für minderjährige Kinder unter zwölf Jahren nach § 78 FrG die Möglichkeit der Miteintragung in Fremdenpässe der Eltern oder der Person, der die Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, besteht, ist die Ausstellung eines eigenen Fremdenpasses für diese Personengruppe nach dem Gesetz nicht ausgeschlossen. Vielmehr geht der Gesetzgeber offenbar von dieser Möglichkeit aus, weil als Voraussetzung für die Miteintragung im § 78 Abs. 1 FrG normiert wurde, dass das Kind kein eigenes Reisedokument besitzt, und weil die Miteintragung nach § 78 Abs. 5 Z 1 FrG von Amts wegen zu löschen ist, wenn für einen miteingetragenen Minderjährigen ein eigener Fremdenpass ausgestellt wird. Im Einklang mit diesen Überlegungen hat die belangte Behörde die Ausstellung des Fremdenpasses auch nicht schon deshalb versagt, weil der Antrag für ein Kleinkind gestellt wurde.

Die belangte Behörde bezweifelte nicht, dass einer der beiden Fälle der Z 1 des § 76 Abs. 1 FrG vorliegend gegeben sei. Dabei ist sie einerseits davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin kein gültiges Reisedokument besitzt. Andererseits ist sie dem Antragsvorbringen darin gefolgt, dass die Beschwerdeführerin staatenlos bzw. dass ihre Staatsangehörigkeit (derzeit) ungeklärt sei, ohne sich allerdings mit dieser Frage näher auseinander zu setzen (zur diesbezüglichen Ermittlungspflicht siehe aber das - zum vergleichbaren § 55 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 ergangene - hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 97/18/0074; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 95/21/1247). Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nicht auf das Vorliegen von Versagungsgründen (§ 81 FrG) gestützt, sondern die Antragsabweisung mit dem Fehlen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 76 Abs. 1 FrG an der Ausstellung eines Fremdenpasses begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem - auch von der belangten Behörde zitierten - Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 98/18/0316 (vgl. daran anschließend auch das Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 98/21/0474, mit dem Hinweis auf das zum Fremdengesetz aus 1992 ergangene Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 97/21/0295), zu dem in § 76 Abs. 1 FrG erwähnten "Interesse der Republik" Folgendes ausgeführt:

"§ 76 FrG 1997 entspricht in seinen Grundsätzen dem § 55 FrG aus 1992. Nach den einschlägigen, wegen insofern unveränderter Rechtslage zur Auslegung des § 76 FrG heranziehbaren Gesetzesmaterialien zu § 55 FrG aus 1992 kommt es in den Fällen, in denen nach Maßgabe dieser Bestimmung Fremdenpässe ausgestellt werden können, 'nicht bloß darauf an, dass die Ausstellung des Fremdenpasses im Interesse des Betroffenen gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen. Österreich eröffnet mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu Reisen und übernimmt damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab.' (RV 692 BlgNR. 18. GP, 55, 'Zu den §§ 55 bis 61')."

Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses des Begriffs des Bestehens eines Interesses der Republik seitens des Gesetzgebers kann das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass ein solches positives Interesse im Fall der Beschwerdeführerin nicht gegeben sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Beschwerde wiederholt in diesem Zusammenhang vor allem den schon im Verwaltungsverfahren zur Antragsbegründung vorgetragenen Umstand, der Fremdenpass werde benötigt, damit die Beschwerdeführerin reisen könne. Abgesehen davon, dass dies auch in der Beschwerde nicht näher konkretisiert wird, handelt es sich dabei für sich genommen um keinen Grund, der ein öffentliches Interesse im Sinne des § 76 Abs. 1 FrG dartun könnte. An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass die Eltern der Beschwerdeführerin österreichische Staatsangehörige sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 96/18/0137).

Die Beschwerde meint weiters, durch den Fremdenpass käme die Beschwerdeführerin zu einem "offiziellen Reisedokument", welches auch ihre Identität nachweise. Derartiges sei ihr derzeit nicht möglich, "welcher Zustand nicht zu tolerieren ist". Dabei übersieht die Beschwerde aber, dass die Schaffung klarer passrechtlicher Verhältnisse von der Intention des § 76 Abs. 1 FrG nicht umfasst ist (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 98/21/0474); dies gilt umso mehr bei einem im Bescheiderlassungszeitpunkt erst zwei Jahre alten Kind.

Die im vorliegenden Fall ins Treffen geführten (ausschließlich privaten) Umstände sind somit jedenfalls - und zwar ohne dass es auf die Argumentation der belangten Behörde zur unterlassenen Inanspruchnahme anderer Möglichkeiten zur Erlangung eines Reisedokumentes ankommt - nicht geeignet, ein öffentliches Interesse im besagten Sinn zu begründen.

Entgegen dem Beschwerdestandpunkt sind die Überlegungen, die seinerzeit für die Ausstellung eines Fremdenpasses an den Vater der Beschwerdeführerin maßgeblich waren, für den vorliegenden (ein Kleinkind betreffenden) Fall ohne Relevanz. Der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde geltend gemachte Ermittlungsfehler liegt somit nicht vor. Aber auch der behauptete Begründungsmangel ist nicht gegeben, zumal dem angefochtenen Bescheid - wie aus der obigen Wiedergabe zu ersehen ist - die unter Zugrundelegung des Antrags- und Berufungsvorbringens angestellten maßgeblichen Erwägungen der belangten Behörde ausreichend entnommen werden können.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. November 2003

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