VwGH 97/18/0074

VwGH97/18/007419.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des SC, (geboren am 10. November 1958), in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Eichenseder, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Auerspergstraße 2/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Dezember 1996, Zl. SD 744/96, betreffend Ausstellung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §55 Abs1;
IPRG §4;
StbG 1985;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §55 Abs1;
IPRG §4;
StbG 1985;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Dezember 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Dezember 1995 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 55 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag im Wesentlichen damit begründet, als türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung noch immer verfolgt zu werden. In der Stellungnahme vom 7. Mai 1996 habe er behauptet, nunmehr staatenlos zu sein, weil er seit 17 Jahren keinerlei Kontakt mit den türkischen Behörden hätte. Zudem hätte er mit Schreiben vom 2. Mai 1996 die türkische Staatsangehörigkeit zurückgelegt.

Laut Auskunft der türkischen Botschaft in Wien sei es nicht möglich, durch ein bloßes an die Botschaft gerichtetes Schreiben die türkische Staatsbürgerschaft zu verlieren. Vielmehr müssten türkische Staatsbürger, falls sie die Absicht hätten, die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband zu beantragen, mit dem Zusicherungsbescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft oder mit dem österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweis persönlich bei der türkischen Konsularabteilung ansuchen. Da es auf Grund einer bloßen schriftlichen Mitteilung nicht möglich sei, das Ausbürgerungsverfahren einzuleiten, sei davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer weder staatenlos noch eine Person mit ungeklärter Staatsangehörigkeit sei, sodass § 55 Abs. 1 Z. 1 FrG mit Sicherheit nicht gegeben sei. Da auch sonst keine der in § 55 Abs. 1 Z. 2 bis 5 FrG normierten Fälle auf ihn zuträfen (er sei nicht zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Sichtvermerks lägen nicht vor, etc.), sei der vorliegende Antrag zu Recht abgewiesen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 55 Abs. 1 FrG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 505/1994 lautet:

"Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines unbefristeten Sichtvermerkes gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt."

2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer weder staatenlos noch eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit sei, und macht geltend, dass die belangte Behörde die Rechtsfrage, ob die türkische Staatsbürgerschaft durch (bloße) einseitige, an die türkische Botschaft gerichtete Erklärung zurückgelegt werden könne, nicht durch Anfrage bei der türkischen Botschaft hätte lösen dürfen. Dies widerspreche massiv den Verfahrensvorschriften, nach denen die Lösung einer Rechtsfrage der zuständigen Behörde obliege und einer Beweisführung nicht zugänglich sei.

3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die Festlegung, wer als Angehöriger eines bestimmten Staates zu gelten hat, ist ausschließlich Angelegenheit dieses Staates selbst (vgl. etwa Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft I (1990), 102, mwN). Die Frage, ob der Beschwerdeführer trotz der von ihm ins Treffen geführten Erklärung, die türkische Staatsbürgerschaft zurückzulegen, noch immer türkischer Staatsbürger sei, ist daher nach türkischem Recht zu beurteilen. Da der Grundsatz "iura novit curia" auf fremdes Recht nicht Anwendung findet, ist dieses in einem - amtswegigen (vgl. § 4 IPR-Gesetz) - Ermittlungsverfahren festzustellen (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 316; ferner das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1997, Zl. 96/01/0511). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist somit die Lösung der vorliegenden Frage der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers einer Beweisführung zugänglich.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschwerdeführer, der die Aufhebung eines Bescheides nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG begehrt, durch konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen, zu welchem anderen Ergebnis die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 616, zitierte hg. Judikatur). Die in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrüge, "die belangte Behörde hätte sich mit den türkischen Rechtsvorschriften auseinandersetzen und dies auch ausführlich begründen müssen" sowie die Anfrage bei der türkischen Botschaft und die von dieser erteilte Auskunft seien ein ungeeignetes und daher unzulässiges Hilfsmittel zur Lösung der vorliegenden Staatsangehörigkeitsfrage (vgl. § 4 IPR-Gesetz), ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde die diesbezügliche Feststellung des ausländischen Rechts im angefochtenen Bescheid nicht als unrichtig bekämpft.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer durch eine (bloß einseitige) Erklärung, die türkische Staatsangehörigkeit zurückzulegen, diese nicht habe verlieren können und er somit weder staatenlos noch eine Person mit ungeklärter Staatsangehörigkeit sei, begegnet daher keinem Einwand.

4. Demzufolge bestehen keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der (allein ins Treffen geführte) Tatbestand des § 55 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht erfüllt sei. Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses steht daher mit dem Gesetz in Einklang.

5. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Oktober 1999

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