VwGH 2002/05/0937

VwGH2002/05/09373.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde 1. der Helga Sorschak, 2. der Gertraud Dunkler, 3. des Christian Dunkler,

  1. 4. der Heidemarie Dunkler, 5.des Alois Dunkler, 6.der Anna Rabl,
  2. 7. des Johann Rabl, 8.der Mag.Ilse Leisser, 9.der Emma Fuchs und 10.des Mag.Rudolf Mayer, sämtliche in Raabs an der Thaya, vertreten durch Dr.Mario Noe-Nordberg, Rechtsanwalt in 3830Waidhofen an der Thaya, Hamernikgasse10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20.Juni2002, Zl.RU1-V-02054/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben und Zurückweisung einer Vorstellung in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1.Stadtgemeinde Raabs an der Thaya, vertreten durch den Bürgermeister, 2.Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft "Waldviertel" reg.Gen.m.b.H. in 3820Raabs an der Thaya, Hauptstraße5), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauO NÖ 1883 §11 Abs1;
BauO NÖ 1883 §11;
BauO NÖ 1883 §6;
BauO NÖ 1883 §8;
BauO NÖ 1969 §11;
BauO NÖ 1996 §23 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §50 Abs1 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §54 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §6 idF 8200-6;
BauRallg;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauO NÖ 1883 §11 Abs1;
BauO NÖ 1883 §11;
BauO NÖ 1883 §6;
BauO NÖ 1883 §8;
BauO NÖ 1969 §11;
BauO NÖ 1996 §23 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §50 Abs1 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §54 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 idF 8200-6;
BauO NÖ 1996 §6 idF 8200-6;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 3. Mai 2001 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei als Bauwerberin die baubehördliche Bewilligung zum Neubau zweier Wohnhäuser mit je sechs Wohneinheiten bestehend aus einem Tief-, einem Erd- und einem Obergeschoss auf dem Grundstück Nr. 252/46 der KG Raabs an der Thaya.

Das zu bebauende Grundstück ist als Bauland-Wohngebiet gewidmet und befindet sich im "ungeregelten Baulandbereich". Dieses Grundstück wurde auf Grund des Abteilungsplanes des Baurates h.c. Ing. F. R. vom 19. Jänner 1963, GZ. 8675/1963, geschaffen. Für die Bewilligung dieser Abteilung hatte die damalige Eigentümerin der betroffenen Grundstücke um "Genehmigung der Abteilung von Grundstücken angesucht". In seiner Sitzung vom 11. März 1964 hat hierüber der Gemeinderat der Stadtgemeinde Raabs an der Thaya folgenden Beschluss gefasst (Auszug aus der Niederschrift über diese Sitzung vom 20. März 1964):

"Es wird einstimmig beschlossen, dem Ansuchen der Frau A.B., Raabs/Th., um Genehmigung der Abteilung der Grundstücke Nr. 250 u. 252/7 Gärten, 251 Baufläche, 252/Acker, 254/2 Weide, 1038/5 bzw. 1042/3 Weg, EZ 519 Grundbuch Raabs a. d. Thaya auf 27 Bauplätze gemäß dem vorgelegten Abteilungsplan zu genehmigen. Gemäß § 14 (1) der n.ö. Bauordnung hat die Übergabe der zu errichtenden Straße im festgesetzten Niveau unentgeltlich an die Gemeinde zu erfolgen.

Die Abteilungswerber haben überdies folgende Beiträge zu leisten:

1. Einen Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn der im Abteilungsplan vorgesehenen Straße in der Höhe von 80 % der Kosten.

2. Einen Beitrag zu den im Abteilungsgebiet erforderlichen Kanalisierungs-, Wasserleitungs- und Beleuchtungsanlagen sowie Lichtanschlusskosten in der gleichen Höhe. Die Sicherstellung dieser Leistungen hat durch grundbücherliche Übertragung von 14 Bauparzellen in das Eigentum der Gemeinde zu erfolgen. Die Straßenbreite muss 6 m und die Vorgartentiefe 4 m betragen. Die Häuser sind ebenerdig oder einstöckig, zuzüglich des Kellergeschosses zu bauen. Es wird offene Bauweise vorgeschrieben, wobei die Entfernung von der Nachbargrenze 3 m zu betragen hat. Die straßenseitige Einfriedung wird jeweils bei der Bauverhandlung vorgeschrieben werden."

Dieser Beschluss wurde der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya mit Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. März 1964 gemäß § 6 der Bauordnung für Niederösterreich 1883 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 1964 hat die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya dem Gemeinderatsbeschluss der Stadtgemeinde Raabs an der Thaya vom 11. März 1964 "gemäß § 11 der n. ö. Bauordnung ihre Zustimmung" erteilt.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat mit Schreiben vom 20. März 1964 der Antragstellerin A.B. Folgendes bekannt gegeben:

"Zu Ihrem Ansuchen vom 2.3.1964 hat der Gemeinderat der Stadt Raabs an der Thaya in seiner Sitzung vom 11.3.1964 folgenden Beschluss gefasst:

(In der Folge wurde der in der Niederschrift vom 20. März 1964 enthaltene Gemeinderatsbeschluss wörtlich wiedergegeben und sodann fortgefahren:)

Auf die hinsichtlich der Parzelle 252/7 und 252/5 gemäß LGBl. Nr. 22/1964 bestehende und dem Abteilungswerber bekannte Bausperre, wird hingewiesen. Die Abteilungspläne werden der BH Waidhofen/Thaya zur Genehmigung übermittelt.

Der Bürgermeister:

(Unterschrift)"

Die Beschwerdeführer sind Nachbarn des zu bebauenden Grundstückes. Sie erhoben in der mündlichen Verhandlung Einwendungen, dass es durch erhöhtes Verkehrsaufkommen zu einer unzumutbaren Immissionsbelastung käme und das Projekt einer "anderen Typologie als die in der Umgebung befindlichen Gelände" entspräche. In der Folge ergänzten sie im Wesentlichen, es liege kein ungeregelter Baulandbereich vor.

In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist festgehalten, dass sich das zu bebauende Grundstück im ungeregelten Baulandbereich befindet und als Bauland Wohngebiet gewidmet ist. Ein Bebauungsplan ist nicht existent. Die umliegenden Grundstücke weisen als Bebauung Einfamilienhäuser auf, das östlich angrenzende Grundstück Nr. 252/9, welches gemeinsam mit dem zu bebauenden Grundstück von der nördlichen vorbeiführenden Straße sichtbar ist (Eigentum der viert- und fünfbeschwerdeführenden Partei) weist ein zweigeschossiges Wohngebäude auf.

In seinem Gutachten führte sodann der bautechnische Amtssachverständige aus, dass in Bezug auf das auf dem Grundstück Nr. 252/9 bestehende zweigeschossige Gebäude und die im Lageplan dargestellten Abstände zu den Grundstücksgrenzen sowie der im Plan vom 21. August 2001 nachgewiesenen Nichtbeeinträchtigung des Lichteinfalles auf bestehende bzw. zulässige Hauptfenster auf Nachbargrundstücke ein Widerspruch zu § 54 NÖ Bauordnung 1996 nicht feststellbar sei. Im Hinblick auf die Baumassen der geplanten Objekte sei darauf hinzuweisen, dass sie annähernd der Baumasse des Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 252/9 entsprächen. In der NÖ Bautechnikverordnung sei zwingend die Errichtung zumindest eines Stellplatzes je Wohnungseinheit vorgeschrieben; dies werde durch das vorliegende Projekt berücksichtigt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. September 2001 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführer wurde keine Folge gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde im Spruchteil I die dagegen erhobene Vorstellung der/des Erst-, Zweit-, Viert-, des Fünft-, Sechst-, Siebent-, Neunt- und Zehntbeschwerdeführerin/s als unbegründet abgewiesen. Im Spruchteil II wurde die Vorstellung des Drittbeschwerdeführers und der Achtbeschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte Teile des Verwaltungsaktes vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde führte in der Begründung des Spruchteiles II des angefochtenen Bescheides aus, die Beschwerde des Drittbeschwerdeführers sei deshalb zurückgewiesen worden, weil die Gattin des Drittbeschwerdeführers (d. i. die Zweitbeschwerdeführerin) bei der mündlichen Verhandlung am 3. September 2001 nicht in Vertretung ihres Gatten aufgetreten sei und daher in dessen Namen bis zum Verhandlungsschluss keine zulässigen baubehördlichen Einwendungen vorgebracht worden seien; der Drittbeschwerdeführer habe deshalb seine Parteistellung verloren. Die Vertreterin der Achtbeschwerdeführerin wiederum habe keine zulässigen Einwendungen im Sinne des § 6 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1996 in der mündlichen Verhandlung erhoben, weshalb sie ebenfalls ihre Parteistellung verloren habe.

Im Beschwerdefall kommt im Hinblick auf die Einleitung des Baubewilligungsverfahrens die NÖ Bauordnung 1996 in der Fassung der Novelle 2000, LGBl. 8200-6, zur Anwendung. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 6 Abs. 1 hat folgenden Wortlaut:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) Im Baubewilligungsverfahren ... haben Parteistellung:

...

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), ...

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

..."

Mangels eigener Präklusionsregelung, wie sie noch in § 6 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 in der Stammfassung LGBl. 8200-0 vorgesehen war, ist für die Parteistellung im Verwaltungsverfahren und deren Verlust § 42 AVG zu beachten.

Die für die Beurteilung der Präklusion einer Partei des Verwaltungsverfahrens maßgeblichen Bestimmungen des AVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 haben folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"§ 41. ...

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für die Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. ...

§ 42. (1) Wurde die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. ..."

Ein Verlust der Parteistellung kann daher nach § 42 AVG dann nicht eintreten, wenn in der Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung - entgegen § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG - nicht auf diese in § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird, wobei die bloße Anführung von Paragraphenbezeichnungen nicht ausreicht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. November 2002, Zl. 2000/05/0247). Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der persönlich zu verständigenden Nachbarn nur gegeben, sofern diese auch tatsächlich fehlerfrei geladen wurden, hinsichtlich jener, die mittels Edikt zu verständigen waren, sofern die Kundmachung fehlerfrei erfolgte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. April 2000, Zl. 99/05/0239). Eine Sanierung dieses Mangels kann auch nicht durch den Umstand der tatsächlichen Einlassung in die Sache in der Verhandlung eintreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1999, Zl. 98/06/0158).

In der Ladung zur mündlichen Verhandlung der Baubehörde erster Instanz vom 3. September 2001 wurde unter "Rechtsgrundlagen" auf die "§§ 6 und 21 NÖ. Bauordnung 1996 und §§ 40 bis 44 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991" verwiesen und zur Beachtung ausgeführt: "Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor der Verhandlung beim Gemeindeamt oder während der Verhandlung vorgebracht werden, finden keine Berücksichtigung und die Beteiligten werden als dem Vorhaben zustimmend angesehen." Ein Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG in der zitierten Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 (Verlust der Parteistellung) fehlt jedoch in dieser Verständigung (Kundmachung), weshalb die Präklusionsfolgen (Verlust der Parteistellung) im Beschwerdefall nicht eintreten konnten.

Die Zurückweisung der Vorstellung des Drittbeschwerdeführers und der Achtbeschwerdeführerin erweist sich demnach als rechtswidrig, weshalb Spruchteil II des angefochtenen Bescheides aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Die belangte Behörde hat über die Vorstellung dieser Beschwerdeführer unter Abstandnahme des von ihr angenommenen, als rechtsirrig erkannten Zurückweisungsgrundes neuerlich zu entscheiden.

§ 6 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1996 umschreibt die subjektivöffentlichen Rechte der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren wie folgt:

"§ 6

...

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

..."

Im Beschwerdefall gilt für das im Bauland liegende, zu bebauende Grundstück kein Bebauungsplan, weshalb die Regelung des § 54 NÖ Bauordnung 1996 betreffend Bauwerke im ungeregelten Baulandbereich zur Anwendung gelangt. Diese Regelung hat folgenden Wortlaut:

"§ 54.

Bauwerk im ungeregelten Baulandbereich

Ein Neu- oder Zubau eines Bauwerks ist unzulässig, wenn für ein als Bauland gewidmetes Grundstück kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält oder das neu- oder abgeänderte Bauwerk

in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder Höhe von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken auffallend abweicht oder

den Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken beeinträchtigen würde.

Zur Wahrung des Charakters der Bebauung dürfen hievon Ausnahmen gewährt werden, wenn dagegen keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen."

Die Beschwerdeführer vertreten die Rechtsansicht, dass der Gemeinderatsbeschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 11. März 1964, mit welchem die beantragte Abteilung der Grundstücke (u.a. des hier zu bebauenden Grundstückes) genehmigt worden ist, ein - noch gültiger - Regulierungsplan bzw. (vereinfachter) Bebauungsplan sei.

Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob sich der in § 54 NÖ Bauordnung 1996 verwendete Begriff "Bebauungsplan" auch auf die in der Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 3 leg. cit. erwähnten Begriffe Regulierungsplan oder vereinfachter Bebauungsplan bezieht, weil der erwähnte Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahre 1964 kein Regulierungsplan gemäß § 5 der Bauordnung für Niederösterreich vom 17. Jänner 1883, LGBl. Nr. 36 in der damals geltenden Fassung, ist, sondern im Rahmen der Verfahrensanordnungen dieses Gesetzes betreffend die Abteilung eines Grundes auf Bauplätze ergangen ist. § 6 dieser Bauordnung ordnete an: "Zur Abteilung eines Grundes auf Bauplätze oder zur Unterabteilung eines bestehenden Bauplatzes muss, bevor um die Baubewilligung für die einzelnen Gebäude nachgesucht wird, die Zustimmung der politischen Behörde (d.i. die Bezirkshauptmannschaft) dann eingeholt werden muss, wenn die betreffende Gemeinde kein eigenes Gemeindestatut besitzt." § 11 Abs. 1 dieses Gesetzes normierte, dass bei Bestimmung der Baulinie und des Niveaus (§ 1), bei Verbauung bisher freier Plätze und Brandstätten (§ 5), dann bei Regulierung der Straßen und Gassen eines Ortes oder eines Ortsteiles sowie bei der Abteilung eines Grundes auf Bauplätze (§§ 6 bis 8) der Gemeindevorsteher (Bürgermeister) vor Erteilung der Bewilligung vor allem den Beschluss des Gemeindeausschusses (Gemeinderates) einzuholen hatte, an welchen Beschluss der Gemeindevorsteher (Bürgermeister) gebunden war. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen hatte der Gemeindevorsteher (Bürgermeister) im Fall, dass der Gemeindeausschuss (Gemeinderat) seine Genehmigung erteilte, den ganzen Akt samt Plänen der politischen Behörde (Bezirkshauptmannschaft) zur Zustimmung vorzulegen, insofern eine solche durch diese Bauordnung vorgeschrieben war.

Das Ansuchen der damaligen Grundeigentümerin aus dem Jahre 1964 war auf Abteilung eines Grundes auf Bauplätze gemäß § 6 NÖ Bauordnung 1883 gerichtet. Die Baubehörde hat die hiefür vorgesehenen Verfahrensanordnungen gemäß § 11 leg. cit. eingehalten. Auch in jenen Fällen, in welchen nach der Bauordnung die Beschlussfassung des Gemeindeausschusses (Gemeinderates) einzuholen war, begründete aber der Partei gegenüber nicht dieser Beschluss, sondern die auf Grund desselben vom Gemeindevorstand (Bürgermeister) ausgefertigte Entscheidung den rechtserzeugenden und rechtswirksamen Verwaltungsakt (siehe die bei Krzizek, Die Bauordnung für Niederösterreich, Manz'sche Gesetzesausgaben, Sonderausgabe Nr. 7 (1964), E 1. zu § 11 wiedergegebene Rechtsprechung).

Im Abteilungsverfahren waren die Nachbarn (Anrainer) nicht beizuziehen (siehe Krzizek, Die Bauordnung für Niederösterreich, Manz'sche Gesetzesausgaben, Sonderausgabe Nr. 7 (1964), Anm. 3 zu § 8). Aus der Parzellierungsbewilligung erwuchs den Nachbarn (Anrainern) kein subjektiver Anspruch auf Unabänderlichkeit der darin enthaltenen Parzellierungsbedingungen (siehe Neuwirth/Strasser, Das Baurecht in Niederösterreich (1969), E. 3. zu § 11 der NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969). Die beschwerdeführenden Nachbarn können sich daher zur Durchsetzung ihrer Nachbarrechte auf die in einer Abteilungsbewilligung gemäß § 6 NÖ Bauordnung 1883 enthaltene Anordnung, dass die auf den mit der Abteilung geschaffenen Grundstücken zu errichtenden "Häuser (...) ebenerdig oder einstöckig" zu bauen seien und "offene Bauweise vorgeschrieben (werde), wobei die Entfernung von der Nachbargrenze 3 m zu betragen" habe, in einem in der Folge durchzuführenden Baubewilligungsverfahren nicht berufen. Die Baubewilligungsbehörde hat vielmehr die nach der durchgeführten Abteilungsbewilligung erfolgten gesetzlichen Änderungen und die Änderungen eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes bezüglich der bauordnungsgemäßen Verbauung der Grundstücke zu berücksichtigen (vgl. hiezu das zur Bauordnung für Wien ergangene hg. Erkenntnis vom 26. April 2000, Zl. 99/05/0268).

Im Beschwerdefall sind daher die Behörden zutreffend davon ausgegangen, dass das zu bebauende Grundstück und die Grundstücke der Beschwerdeführer im ungeregelten Baulandbereich (§ 54 NÖ Bauordnung 1996) liegen und die Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren die in § 6 Abs. 2 leg. cit. taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen können.

Für die Annahme, dass das beschwerdegegenständliche Bauvorhaben der zweitmitbeteiligten Partei im Grunde des § 54 NÖ Bauordnung 1996 zulässig ist, haben sich die Baubehörden und in der Folge die belangte Behörde auf das Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Bauverhandlung vom 26. September 2001 gestützt. Dieses Gutachten kann jedoch mangels Vollständigkeit und der daraus folgenden fehlenden Nachvollziehbarkeit nicht als Grundlage für die zu lösende Rechtsfrage herangezogen werden. Zum Einen enthält dieses Gutachten nur Ausführungen zum Lichteinfall auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Nachbargrundstück Nr. 252/9, zum Anderen bezieht sich dieses Gutachten auf einen Plan vom 21. August 2001, welcher jedoch dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt worden ist. (Auf die im § 38 Abs. 2 VwGG normierte Rechtsfolge bei nicht vollständiger Vorlage der Verwaltungsakten ist in diesem Zusammenhang zu verweisen.)

Ob ein Bauwerk im ungeregelten Baulandbereich zulässig ist kann abschließend nur beurteilt werden, wenn ein Vergleich des geplanten Bauwerkes mit den "von den an allgemein zugänglichen Orten zugleich mit ihm sichtbaren Bauwerken" in Bezug auf seine Anordnung auf dem zu bebauenden Grundstück oder Höhe vorgenommen wird und der Lichteinfall auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf sämtlichen Nachbargrundstücken begutachtet wurde. Mit dem Hinweis auf die Baumasse eines einzigen Gebäudes in der Nachbarschaft kann - wie aus der von den Beschwerdeführern in der Berufung vorgelegten Fotomontage deutlich wird - die Frage des auffallenden Abweichens von den sichtbaren Bauwerken (Mehrzahl im Gesetzeswortlaut!) nicht beantwortet werden. Weiters ist, ausgehend vom Begriff der zulässigen Gebäude, zu berücksichtigen, dass nicht nur auf den Lichteinfall auf Hauptfenster bestehender Gebäude, sondern auch auf die Zulässigkeit eines Neu- und Zubaues auf dem jeweiligen Nachbargrundstück Bedacht zu nehmen ist. Zu beachten ist also, dass diese Bestimmung den Lichteinfall unter 45 Grad nicht nur auf bestehende Hauptfenster, deren Situierung den derzeitigen Vorschriften entspricht, gewährleistet, sondern auch einen solchen auf Hauptfenster von (späteren) Neu- und Zubauten, und zwar auch in den Fällen, dass die Bebaubarkeit des Grundstückes noch nicht (zur Gänze) ausgenützt sein sollte oder dass ein bestehendes Gebäude abgetragen und durch einen Neubau ersetzt werden sollte (vgl. hiezu Hauer/Zaussinger, NÖ Baurecht, 6. Auflage, Anm. 30 zu § 6 BO, Seite 160). Liegen die Voraussetzungen des § 54 NÖ Bauordnung 1996 vor, darf der seitliche Bauwich gemäß § 50 Abs. 1 leg. cit. auch 3 m unterschreiten, da dieser Bauwich nur für den geregelten Baulandbereich gilt und § 54 NÖ Bauordnung 1996 eine Sonderbestimmung im Sinne des § 50 Abs. 1 erster Absatz zweiter Satz ist. Hingewiesen wird darauf, dass zur Wahrung des Charakters der Bebauung (- und nur dafür -) Ausnahmen von den Festlegungen in § 54 NÖ Bauordnung 1996 unter den im letzten Absatz dieses Paragraphen näher genannten Voraussetzungen erteilt werden dürfen.

Die Beschwerdeführer haben mit dem Hinweis, dass mit dem bewilligten Bauvorhaben die für das zu bebauende Grundstück vorgesehene Bauklasse nicht eingehalten sei und nur Einfamilienhäuser in offener Bauweise ebenerdig oder einstöckig errichtet werden dürfen, zulässige Einwendungen gemäß § 6 Abs. 2 Z. 3 NÖ Bauordnung 1996 betreffend die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe sowie die Abstände zwischen Bauwerken und deren zulässige Höhe erhoben. Ihre Einwendungen sind im Beschwerdefall insoweit beachtlich, als durch den im Beschwerdefall anzuwendenden § 54 NÖ Bauordnung 1996 diese Bestimmung der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehend bewilligten und künftig bewilligungsfähigen) Gebäude - wie oben ausgeführt - auf den Grundstücken der Beschwerdeführer und damit auch der Wahrung ihres subjektivöffentlichen Rechts auf Einhaltung der zulässigen Höhe gemäß § 6 Abs. 2 Z. 3 BO dient. Insoweit dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht beachtet hat und das von den Baubehörden eingeholte Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Verwaltungsrechtssache als ausreichend angesehen hat, belastete sie daher den angefochtenen Bescheid auch hinsichtlich Spruchteil I mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 3. April 2003

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