VwGH 2002/01/0238

VwGH2002/01/02389.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde 1. des ED, 2. der ND, 3. der AD, 4. des SD sowie 5. der SD, alle in L, alle vertreten durch Dr. Ralph Vetter und Dr. Andreas Fritsch, Rechtsanwälte in 6890 Lustenau, Reichshofstraße 11, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 6. Mai 2002, Zl. Ia 370-941/2001, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §60;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §12 idF 1998/I/124;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §12 idF 1998/I/124;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Vorarlberger Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) und die Anträge der Zweitbeschwerdeführerin - seiner Ehefrau - sowie der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer - der gemeinsamen Kinder - auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 16, 17 und 18 StbG ab.

Der Erstbeschwerdeführer, türkischer Staatsangehöriger, sei 1968 in der Türkei geboren worden und habe seit 6. Juni 1979 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Seit 1987 sei er mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Dieser Ehe entstammten die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer. Der Erstbeschwerdeführer habe einen Teil der Pflichtschule (vier Jahre Hauptschule und ein Jahr Polytechnikum) in Österreich absolviert und spreche dementsprechend gut Deutsch. Seit 7. August 2000 sei er als Arbeiter im Fertigwarenlager der Firma R. beschäftigt. Vorher sei er bei verschiedenen Arbeitgebern in den verschiedensten Gewerbebetrieben beschäftigt gewesen. Seine Mitarbeiter seien überwiegend Ausländer und in seiner Freizeit habe er ausschließlich Kontakt mit türkischen Landsleuten.

Weiters traf die belangte Behörde die folgenden Feststellungen:

"Der Erstbeschwerdeführer wurde mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes D vom 24.07.1995 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer teilbedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen a S 280,-- (umgerechnet EUR 20,35), somit insgesamt S 16.800,-- (umgerechnet EUR 1.220,90), bestraft. Der 30 Tagessätze übersteigende Teil der Geldstrafe wurde für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Strafverfügung lag zu Grunde, dass der Erstbeschwerdeführer im Zusammenwirken mit seinem Bruder mit den Fäusten und den Füßen auf eine andere Person eingeschlagen hatte, wodurch diese Prellungen am Kopf und im Gesicht, Schmerzen am Hals, Schluckbeschwerden, Hüftschmerzen sowie ein Hämatom am rechten Auge erlitten hatte.

Der Erstbeschwerdeführer wurde vom Gendarmerieposten H am 15.02.2000 wegen des Verdachtes der Körperverletzung angezeigt. Er hatte am 23.12.1999 im Zuge einer wörtlichen Auseinandersetzung seinem ehemaligen Arbeitgeber mehrere Faustschläge versetzt. Der Staatsanwalt ist gem. § 90c StPO von der Verfolgung der strafbaren Handlung am 11.08.2000 zurückgetreten, nachdem der Verdächtige einen Geldbetrag zugunsten des Bundes entrichtet hatte.

Von der Bezirkshauptmannschaft D wurde der Erstbeschwerdeführer wie folgt rechtskräftig bestraft:

mit Bescheid, Zl. ..., wegen einer Übertretung vom 11.02.2000 nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52a Z 10a StVO mit einer Geldstrafe von EUR 124,--, weil der Erstbeschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit in L, Astraße, von 40 km/h um 24 km/h überschritten hatte;

mit Bescheid, Zl. ..., wegen einer Übertretung vom 11.02.2000 nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52a Z 10a StVO mit einer Geldstrafe von EUR 124,--, weil der Erstbeschwerdeführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h wiederum um 24 km/h überschritten hatte (ca. 10 Minuten später auf der selben Straße in der Gegenrichtung)."

Der vorstehende Sachverhalt sei unbestritten. In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der Erstbeschwerdeführer sei zweimal wegen des Vergehens der Körperverletzung angezeigt worden. Einmal sei er deshalb vom Bezirksgericht zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt und das zweite Mal sei das Verfahren nach Zahlung eines Geldbetrages eingestellt worden. Ungeachtet der Einstellung dieses Verfahrens habe er durch das dem Verfahren zu Grunde liegende Verhalten eine objektiv schwere Rechtsverletzung gesetzt. Durch seine Tat habe er die körperliche Integrität seines ehemaligen Arbeitgebers vorsätzlich beeinträchtigt. Dieses Verhalten stelle einen schweren Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar. Der Erstbeschwerdeführer habe somit innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren zweimal die körperliche Integrität anderer Personen beeinträchtigt. Außerdem sei er wegen zweier erheblicher Geschwindigkeitsübertretungen im Frühjahr 2000 rechtskräftig bestraft worden. Bemerkenswert sei, dass die zweite der beiden Geschwindigkeitsübertretungen nur wenige Minuten nach der ersten begangen worden sei. Das aufgezeigte Verhalten lasse den Schluss zu, dass er möglicherweise auch in Zukunft wesentliche Vorschriften missachten werde, die zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bzw. für die anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen erlassen worden seien. Es könne daher derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführer Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und die anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zu sein. Er erfülle daher die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht. Der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft sei daher abzuweisen gewesen.

Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft käme auch dann nicht in Frage, wenn ein Ausschluss nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht gegeben wäre. Gemäß § 11 StbG habe sich die Behörde unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr im § 10 StbG eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen. Der Erstbeschwerdeführer halte sich seit dem 6. Juni 1979 ununterbrochen im Bundesgebiet auf und habe einen Teil der Pflichtschule in Österreich absolviert. Dann habe er in den Jahren von 1985 bis 2000 bei elf verschiedenen Firmen in Österreich gearbeitet und sei seit dem 7. August 2000 bei der Firma R. in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Es bestünden kaum Kontakte zu Einheimischen. Eine Vereinsmitgliedschaft bestehe nicht. Er habe sich dennoch in hohem Maße an die österreichischen Verhältnisse angepasst. Dem stehe gegenüber, dass er bereits 1995 wegen Körperverletzung zu einer teilbedingten Geldstrafe habe verurteilt werden müssen und im Dezember 1999 eine zweite Körperverletzung begangen habe. Obwohl die Staatsanwaltschaft nach Zahlung eines Geldbetrages von einer weiteren Strafverfolgung zurückgetreten sei, handle es sich hiebei objektiv um einen schwer wiegenden Verstoß gegen die Rechtsordnung. Durch seine Taten habe er die körperliche Integrität anderer Personen vorsätzlich beeinträchtigt und dadurch einen Verstoß gegen die körperliche Sicherheit begangen. Außerdem habe er an einem Tag zweimal die höchstzulässige Geschwindigkeit von 40 km/h um mehr als die Hälfte überschritten. Das aufgezeigte Verhalten des Erstbeschwerdeführers stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des allgemeinen Wohles und der öffentlichen Interessen dar. Das durch dieses Verhalten negativ berührte öffentliche Interesse wiege nach Auffassung der belangten Behörde schwerer als der mehr als 22-jährige Aufenthalt und die damit verbundene Eingliederung des Erstbeschwerdeführers. Nach Abwägung der aufgezeigten Gesichtspunkte sei die belangte Behörde der Auffassung, dass eine Ermessensübung im Sinn des § 11 StbG nicht zu seinen Gunsten erfolgen könne. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG scheide daher aus.

Betreffend einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft führte die belangte Behörde aus, der Erstbeschwerdeführer könne zwar auf einen mehr als 15-jährigen Hauptwohnsitz im Sinn des § 12 Z 1 lit. b StbG verweisen; der für diesen Tatbestand geforderte Nachweis nachhaltiger beruflicher Integration liege aber nicht vor. Wie aufgezeigt, sei er erst seit dem 7. August 2000 bei der gleichen Firma als angelernter Hilfsarbeiter beschäftigt. Vorher sei er bei den verschiedensten Arbeitgebern in unterschiedlichen Tätigkeiten beschäftigt gewesen. Bei einer knapp eineinhalbjährigen durchgehenden Hilfsarbeitertätigkeit könne noch nicht von einer nachhaltigen beruflichen Integration ausgegangen werden. Für den Tatbestand des § 12 Z 1 lit. b StbG müssten beide Voraussetzungen, sowohl die nachhaltige persönliche als auch die nachhaltige berufliche Integration gegeben sein. Da somit die Voraussetzungen für die einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft begründenden Tatbestände nicht gegeben seien, scheide auch eine Verleihung auf Grund dieser Tatbestände aus.

Da der Verleihungsantrag abzuweisen gewesen sei, seien auch die Voraussetzungen für die Erstreckung der Verleihung der Staatbürgerschaft nicht gegeben und auch die Anträge auf Erstreckung derselben abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, ...

...

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

...

§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.

§ 12. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er

1. nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 33 oder 34) oder des Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft (§ 37) Fremder ist und entweder

a) seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat oder

b) seit mindestens 15 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist oder

..."

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Verleihungsantrag des Beschwerdeführers aus drei Gründen abgewiesen; vorerst im Grunde des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG, weil - unter Zugrundelegung der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen - die zwingende Verleihungsvoraussetzung nach dieser Bestimmung nicht erfüllt sei; weiters sah die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsbegehrens darin begründet, dass sie - auch bei unterstelltem Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen - das ihr in § 10 Abs. 1 StbG eingeräumte freie Ermessen unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des § 11 leg. cit. nicht zu Gunsten des Erstbeschwerdeführers üben könne; letztlich gründete sie die Versagung der Verleihung - gleichfalls bei unterstelltem Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen - darauf, dass dem Erstbeschwerdeführer die nachhaltige berufliche Integration mangle und ihm daher ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 12 Z 1 lit. b leg. cit. nicht zukomme.

Die Beschwerde wendet sich vorerst gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG: Die Anzeige wegen des Verdachtes der Körperverletzung aus dem Jahr 2000 sei zurückgelegt worden. Ob tatsächlich eine Körperverletzung und somit eine objektiv schwere Rechtsverletzung durch den Erstbeschwerdeführer vorliege oder nicht, lasse sich anhand des Aktenstandes bzw. lediglich aus dem Umstand, dass eine Diversion gemäß § 90c StPO durchgeführt worden sei, entgegen den Ausführungen der belangten Behörde nicht feststellen. Die Strafanzeige an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht B sei, da keine Körperverletzung vorläge, nicht als Umstand heranzuziehen, der eine negative Prognose veranlassen könne.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Staatsbürgerschaftsbehörde bei der Prüfung der Frage, ob das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliegt, vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, das wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter erlassene Vorschriften missachten. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, kann sich die erwähnte Schlussfolgerung auch auf Verstöße gegen Vorschriften gründen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0118, mwN).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die dem Erstbeschwerdeführer angelastete Körperverletzung aus dem Jahre 1995 sowie die zwei Verwaltungsübertretungen aus dem Jahre 2000 eine negative Prognose nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht zu tragen vermögen. In Bezug auf die dem Erstbeschwerdeführer angelastete Körperverletzung seines (ehemaligen) Arbeitgebers ist zwar aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu erschließen, dass die belangte Behörde im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens von der Staatsanwaltschaft F und vom Bezirksanwalt beim Bezirksgericht B Kopien der Anzeige gegen den Erstbeschwerdeführer wegen des Verdachtes einer am 23. Dezember 1999 begangenen Körperverletzung beischaffte, allerdings bot die belangte Behörde dem Erstbeschwerdeführer keine Gelegenheit, zu diesem Ermittlungsergebnis Stellung zu nehmen und verletzte im weiteren dadurch, dass sie im angefochtenen Bescheid ihre Tatsachenannahme -

der Erstbeschwerdeführer habe am 23. Dezember 1999 im Zuge einer wörtlichen Auseinandersetzung seinem ehemaligen Arbeitgeber mehrere Faustschläge versetzt - keiner nachvollziehbaren Begründung zuführte, die sie nach § 60 AVG treffende Begründungspflicht. Eine nachvollziehbare Begründung ihrer Feststellungen wäre jedoch schon in Anbetracht der einander widersprechenden niederschriftlichen Angaben der Streitbeteiligten, insbesondere im Hinblick auf die Verantwortung des Erstbeschwerdeführers, der ausschließlich Tätlichkeiten gegen seine Person schilderte, geboten gewesen. Dem Umstand, dass der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht B die Anzeige gegen den Erstbeschwerdeführer - ebenso wie jene gegen den ehemaligen Arbeitgeber und dessen Sohn - gemäß § 90c StPO zurücklegte, kam für das vorliegende Staatsbürgerschaftsverfahren in Bezug auf die ihr zu Grunde liegende strafbare Handlung keine Bindungswirkung zu und entband daher die belangte Behörde nicht von einer nachvollziehbaren Begründung ihrer Feststellungen.

Der angefochtene Bescheid vermag daher eine Versagung des Verleihungsbegehrens im Grund des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht zu tragen.

Stünde dem Erstbeschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zu, so erübrigte sich die im angefochtenen Bescheid vorrangig behandelte Frage der Ermessensübung nach § 11 in Verbindung mit dem Verleihungstatbestand nach § 10 Abs. 1 leg. cit. StbG.

Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, kommt von jenen Tatbeständen, die eine Verleihung der Staatsbürgerschaft kraft Rechtsanspruches vorsehen, sachverhaltsbezogen jener nach § 12 Z 1 lit. b StbG in Betracht. Diesbezüglich ist unstrittig, dass der Erstbeschwerdeführer die Erfordernisse des mindestens 15-jährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet sowie einer nachhaltigen persönlichen Integration erfüllt; strittig ist, ob auch die weitere Voraussetzung einer nachhaltigen beruflichen Integration gegeben ist.

Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmales der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration im Sinn des § 12 Z 1 lit. b StbG sei vorerst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227, mwN, verwiesen.

Die Beschwerde sieht eine nachhaltige berufliche Integration des Erstbeschwerdeführers dadurch gegeben, der Erstbeschwerdeführer habe seit seinem Eintritt in den Arbeitsmarkt, sohin 18 Jahre lang, nur in Österreich gearbeitet. Die belangte Behörde lasse dies außer Acht und ziehe rechtswidrig lediglich die eineinhalbjährige Tätigkeit bei der Firma R. als maßgebend heran.

Die Beschwerde zeigt zutreffend auf, dass die belangte Behörde ihr Augenmerk auf das letzte aufrechte Beschäftigungsverhältnis des Erstbeschwerdeführers richtete und im Übrigen nur davon sprach, er sei vorher bei verschiedenen Arbeitgebern in den verschiedensten Gewerbebetrieben beschäftigt gewesen. Abgesehen davon, dass die - von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen - Angaben im Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft eine durchgehende Beschäftigung seit dem Jahre 1985 indizieren und die belangte Behörde im Rahmen der sie treffenden Ermittlungs- und Begründungspflicht gehalten gewesen wäre, auch die Erhebungsergebnisse in ihre Erwägungen einfließen zu lassen, spricht auch eine Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers bei verschiedenen Arbeitgebern in verschiedenen Gewerben nicht gegen die Annahme einer beruflichen Integration (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2000/01/0189, mwN, betreffend die Frage der gleich zu haltenden nachhaltigen beruflichen Integration nach § 10 Abs. 5 Z 3 StbG).

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid schon deshalb, weil sie (für den Fall der Erfüllung der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) einen Rechtsanspruch des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft verkannte, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes,

weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass noch auf die Frage der Ermessensübung im Grund des § 11 StbG einzugehen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 9. September 2003

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte