Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 1. März 2001 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 1. März 2001 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 für schuldig erkannt. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, verhängt.
Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 6. März 2001 zugestellt. Ein in der Kanzlei der Beschwerdevertreterin verfasster, mit "14.03.2001" datierter Berufungsschriftsatz, in welchem unter anderem beantragt wurde, eine Kopie des Aktes, wenn möglich per Fax, an die Beschwerdevertreterin zu übersenden, langte nicht bei der Erstbehörde ein. Am 6. April 2001 übermittelte der Beschwerdeführer an die Erstbehörde ein mit "ergänzender Schriftsatz zur Berufung vom 14. März 2001" bezeichnetes Schreiben, worin er ausführt, da bislang keine Aktenübersendung an die Behörde in Innsbruck erfolgt sei, und daher keine Akteneinsicht möglich gewesen sei, werde hiermit vorsichtshalber der gegenständliche ergänzende Schriftsatz zur Berufung vom 14. März 2001 eingebracht. Weiters enthielt dieser Schriftsatz den Text der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 1. März 2001. Mit Schreiben vom 19. April 2001 teilte die belangte Behörde der Vertreterin des Beschwerdeführers mit, ihr ergänzender Schriftsatz vom 6. April 2001 zur Berufung vom 14. März 2001 sei von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See mit der Bemerkung vorgelegt worden, dass die vorgenannte Berufung bei ihr nicht eingelangt sei, weshalb der Beschwerdeführer aufgefordert werde, binnen zwei Wochen Stellung zum Vorhalt betreffend die Verspätung zu nehmen. Mit Schreiben vom 23. April 2001 übermittelte die Vertreterin des Beschwerdeführers die Berufung vom 14. März 2001, den Schriftsatz vom 6. April 2001 sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Berufung vom 23. April 2001.
Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass er durch seine Anwältin am 14. März 2001 einen Schriftsatz mit Vollmachtsbekanntgabe, Berufung und Anträge auf Akteneinsicht und Frist zur Stellungnahme eingebracht habe. Der entsprechende Schriftsatz sei um 10.40 Uhr durch die Konzipientin der Vertreterin, die den Schriftsatz auch verfasst habe, per Fax an die Behörde übermittelt worden. Offensichtlich (wie jetzt anlässlich des Schreibens des Unabhängigen Verwaltungssenates für das Burgenland vom 19. April 2001 erkannt worden sei) sei bei der Faxübermittlung ein Fehler unterlaufen und der Schriftsatz nie angekommen. Auf dem Faxübertragungsprotokoll sei zwar die richtige Nummer und die Dauer der Übertragung ersichtlich, doch schienen statt übertragene Seiten "002" übertragene Seiten "000" auf. Das sei von der Konzipientin übersehen worden. Normalerweise müsse das Faxgerät im Falle einer Fehlübertragung ein akustisches Signal übertragen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, weswegen die Konzipientin trotz Durchsicht des Faxberichtes die aufscheinende Seitenzahl übersehen habe. In Anbetracht der Umstände stelle dieses Versehen einen minderen Grad des Verschuldens dar. Insbesondere auch deswegen, weil die Konzipientin in der mehr als einjährigen Praxiszeit in der Kanzlei der Beschwerdevertreterin durch ihren ganz besonders sorgfältigen und kompetenten Arbeitsstil aufgefallen sei und ihr bisher kein ähnliches oder sonstiges Versehen in ihrer Arbeit unterlaufen sei. Diesem Schreiben war eine eidesstattliche Erklärung der Konzipientin und eine Kopie des Faxprotokolls vom 14. März 2001 auf dem unter anderem die angewählte Rufnummer, mit Zahl der übermittelten Seiten und die Dauer der Übermittlung ersichtlich ist, angeschlossen.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2001 wies die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See den Wiedereinsetzungsantrag ab.
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. September 2001 abgewiesen. Die Berufungen vom 6. April und vom 23. April 2000 wurden zurückgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, wenn die einschreitende Rechtsanwältin im Anlassfall ein Faxgerät zur Übermittlung der Berufung vorgesehen habe und durch die Konzipientin benutzen habe lassen, so hätte sie Vorkehrungen treffen müssen, dass sichergestellt sei, dass das Unterbleiben der Übermittlung auch wahrgenommen werden könne. Allein aus der im vorgelegten Übertragungsprotokoll bei der übertragenen Seitenzahl aufscheinenden Zahl "000" sei nach der Behauptung des Beschwerdeführers der Übertragungsfehler ersichtlich gewesen. Das vom verwendeten Faxgerät bei einem Übertragungsfehler vorgesehene akustische Signal sei zwar unterblieben, dennoch hätte die Nichtübermittlung erkannt und vermieden werden müssen. Von einem Rechtsanwalt, der seinen eigenen Angaben zufolge Berufungen nahezu ausschließlich per Telefax übermittle, sei zu erwarten, dass er ein Faxgerät verwende, das Missverständnisse über die tatsächlich erfolgte Übertragung von Schriftsätzen weitestgehend ausschließe. Es sei auch nicht dargetan und glaubhaft gemacht worden, dass die Konzipientin, zu deren hauptsächlichen Aufgaben wohl nicht die Bedienung des Faxgerätes zähle, über die Funktionsweise des verwendeten Gerätes informiert worden sei. Insoweit liege ein Organisationsverschulden der Rechtsanwältin vor. Es sei nicht behauptet und glaubhaft gemacht worden, dass die Rechtsanwältin überhaupt kontrolliert hätte, ob Telefaxübertragungen aus ihrer Kanzlei einwandfrei erfolgten, wozu sie jedoch verpflichtet gewesen wäre, um insbesondere das genannte Versehen aller Voraussicht nach auszuschließen. Die Telefaxbenutzung wäre so sicher wie die Postaufgabe von Schriftsätzen zu organisieren gewesen. Dies habe sie nicht dargetan, weshalb das gegenständliche Versehen auch nicht bloß eines minderen Grades sein könne. Die Erstbehörde habe somit zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen; die vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufungen seien verspätet.
Gegen diesen Bescheid, insoweit mit ihm der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 71 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:
"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. ..."
§ 51e Abs. 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/991 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautete:
"§ 51e. (3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
...
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. ..."
Gegen den angefochtenen Bescheid bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, die belangte Behörde habe auf die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung entgegen den Bestimmungen des § 51e Abs. 1 VStG verzichtet. Da die Voraussetzungen für einen Entfall der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen seien, begründe dieses Vorgehen der belangten Behörde eine Verletzung dieser wesentlichen Verfahrensvorschrift, deren Zweck es sei, in einem unmittelbaren Verfahren die Sachlage entsprechend zu erörtern, um der belangten Behörde einen Eindruck von der Sachlage und vom Vorgehen der Erstbehörde zu vermitteln.
Der Beschwerdeführer übersieht, dass der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 51e Abs. 3 Z. 4 VStG von einer Berufungsverhandlung absehen kann, wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Bei einem Bescheid, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wird, handelt es sich um einen verfahrensrechtlichen Bescheid. In seiner Berufung gegen die Ablehnung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 7. August 2001 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt. Es kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie unter diesen Voraussetzungen von einer Berufungsverhandlung abgesehen hat.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei dem Gesetz entsprechend begründet und durch Vorlage der eidesstättigen Erklärung durch die Konzipientin sowie durch Vorlage des Sendeprotokolls der Telefaxübertragung glaubhaft gemacht worden, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlägen. Die Vorlage der Bedienungsanleitung des verwendeten Faxgerätes für die Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 71 AVG sei nicht erforderlich gewesen. Der Beschwerdeführer habe behauptet und dies auch entsprechend glaubhaft gemacht, dass die Kanzlei der Beschwerdevertreterin über die durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderten Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen verfüge und auch die Konzipientin über die entsprechenden Kenntnisse bei der Bedienung des Faxgerätes verfügt habe. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Vorlage des "Sendeprotokolls" vorgebracht worden, dass die Konzipientin den Faxbericht sehr wohl kontrolliert, jedoch übersehen habe, dass bei "übertragene Seiten" "000" aufgeschienen sei und damit keine Berufung bei der BH Neusiedl eingelangt sei. Das Versehen der Konzipientin sei also nicht darin gelegen, den Faxbericht mangels Kenntnis der Funktionsweise des verwendeten Faxgerätes oder mangels Fähigkeit den Faxbericht zu interpretieren, richtig zu lesen, sondern habe das Versehen darin bestanden, dass die Konzipientin dadurch, dass eine Sendezeit am Faxbericht angegeben gewesen sei, in der Eile des Geschäftsbetriebes offenbar übersehen habe, dass keine Seiten übertragen worden seien. Dieses Verhalten stelle einen minderen Grad des Versehens dar.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes Letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach der Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung und Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigung von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2001/18/0114, sowie die dort zitierte Vorjudikatur).
Kann sich ein Rechtsanwalt aber darauf verlassen, dass eine bewährte Kanzleikraft einen fertig gestellten und unterschriebenen Schriftsatz noch am selben Tag auftragsgemäß zur Post geben oder überreichen werde, so ist dies vom Gedanken einer rationellen und arbeitsteiligen, die Besorgung abgegrenzter Aufgabenbereiche delegierenden Betriebsführung getragen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2002, Zl. 2002/04/0063).
In gleicher Weise ist ein Fall zu sehen, bei welchem - so wie im vorliegenden - eine Konzipientin eines Rechtsanwaltes, die mit der Übermittlung einer Berufung an die Behörde befasst war, bei dem (versuchten) Übertragungsvorgang per Fax trotz durch sie vorgenommener Kontrolle des "Faxberichtes" übersieht, dass in diesem die Anzahl der übertragenen Seiten mit "000" ausgewiesen ist und damit die Übertragung nicht erfolgreich war, und auch kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass dieser Konzipientin ein derartiger Fehler schon einmal passiert wäre. In einem Fall wie diesem, der wie in der oben genannten Rechtsprechung die rein manipulative Tätigkeit des Abfertigens eines Schriftstückes an die Behörde betrifft, würde die von der Behörde im angefochtenen Bescheid verlangte zusätzliche Kontrolltätigkeit durch den Rechtsanwalt selbst ein Überspannen seiner Sorgfaltspflicht bedeuten. Auf den von der belangten Behörde erhobenen Vorwurf, es sei nicht dargetan worden, ob die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ihre Angestellte über die Funktionsweise des Gerätes informiert habe, und es sei die Bedienungsanleitung des Gerätes nicht vorgelegt worden, ist nicht weiter einzugehen, weil hier die Konzipientin ohnehin das Blatt kontrolliert und die angegebene Seitenzahl übersehen hat, sodass sich nähere Ausführungen zur "Funktionsweise" erübrigen. Ein Organisationsverschulden der Rechtsanwältin ist sohin nicht erkennbar.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, sodass er - im bekämpften Umfang - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Februar 2003
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