Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. April 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Februar 2001 ausgesprochene Ausweisung gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.
Der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Februar 2001 sei dem Beschwerdeführer an diesem Tag zugestellt worden. Die vierzehntägige Rechtsmittelfrist habe daher am 16. Februar 2001 geendet. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2001 - bei der Erstbehörde am 22. Februar 2001 eingelangt - habe der Beschwerdeführer den vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter gleichzeitiger Einbringung der Berufung erhoben.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei damit begründet worden, dass die Berufung fristgerecht am Freitag, dem 16. Februar 2001 verfasst und auch abgefertigt worden wäre. Durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis wäre das Poststück jedoch nicht aufgegeben worden. Die Sekretärin der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers hätte die Post abgefertigt und alle Briefe - wie üblich - in ein Säckchen gegeben, damit kein Poststück verloren gehe. Aus unerklärlichen Gründen wäre das Briefkuvert mit der Berufung aus dem Säckchen heraus- oder daneben gefallen, ohne dass die Sekretärin dies bemerkt hätte. Erst am darauffolgenden Montag hätte sie bemerkt, dass der Brief herausgefallen wäre.
Die Erstbehörde habe den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid vom 6. März 2001 gemäß § 71 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richte sich die vorliegende Berufung. Ergänzend zum erstinstanzlichen Verfahren sei in der Berufung ausgeführt worden, dass es sich bei der Sekretärin der Rechtsanwältin um eine äußerst zuverlässige und genaue Kanzleikraft handelte, der bisher noch nie ein Fehler bei der Postaufgabe unterlaufen wäre. Die Berufung wäre zudem fristgerecht geschrieben, zur Unterschrift vorgelegt und auch fristgerecht postfertig abgefertigt worden. Dies wäre von der Rechtsanwältin auch kontrolliert worden. Diesbezüglich sei eine eidesstattliche Erklärung der Rechtsanwältin vorgelegt worden. Weiters sei ausgeführt worden, dass das Versehen einer zuverlässigen Angestellten, das nach Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach dessen Kontrolle durch den Rechtsvertreter im Zug der Kuvertierung oder Postaufgabe unterlaufen wäre, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 AVG darstelle. Nach dieser Judikatur wäre dem Rechtsanwalt die Kontrolle dieser rein manipulativen Tätigkeit einer verlässlichen Angestellten nicht zumutbar, wollte man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen.
Im Zug des Berufungsverfahrens sei die Rechtsanwältin ersucht worden bekannt zu geben, seit wann die betreffende Sekretärin in ihrer Kanzlei beschäftigt sei. Aus der dazu ergangenen Stellungnahme vom 18. April 2001 gehe hervor, dass die Sekretärin seit dem 6. November 2001 (der beigelegten Kopie der Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse sei zu entnehmen, dass es sich um eine Beschäftigung seit dem 6. November 2000 handle) in der Kanzlei beschäftigt wäre. Weiters sei ausgeführt worden, dass "trotz" der kurzen Zeit der Beschäftigung die Überwachung der Einhaltung der Fristen erfolgt wäre, die Postaufgabe nach Abfertigung der Post jedoch nicht ständig überprüft werden könnte, wobei der Sekretärin, außer im gegenständlichen Fall, noch nie ein Fehler unterlaufen wäre.
Gemäß § 71 Abs. 2 (richtig: Abs. 1) Z. 1 AVG sei gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.
Das Verschulden des Parteienvertreters treffe die von diesem vertretene Partei. Dabei stelle ein einem Bevollmächtigten widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Bevollmächtigten selbst unvorhergesehen oder unabwendbar gewesen sei und ihn höchstens ein minderer Grad des Versehens treffe. Zu beurteilen sei somit das Verhalten des Bevollmächtigten selbst, wobei der Begriff des minderen Grad des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen sei.
Eine Kanzlei des Vertreters des Berufungswerbers müsse dabei so organisiert sein, dass die vollständige und fristgerechte Erfüllung von im Zusammenhang mit einem Einschreiten des Bevollmächtigten ergehenden Aufträgen von Behörden und Gerichten gesichert erscheine. Er habe dabei alle Vorsorgen zu treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag oblägen. Insoweit er diese Vorsorgen nicht in der Art und in dem Maß getroffen habe, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten gewesen sei, komme "ein Verschulden an einer späteren Fristversäumnis" in Betracht. Selbst wenn man dem Berufungsvorbringen folge, wonach das Kuvert mit der Berufung in der oben dargelegten Art in der Kanzlei zurückgeblieben wäre - bemerkt werde in diesem Zusammenhang, dass ebenso mit Datum vom 21. Februar 2001 die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers eine Beschwerde gemäß § 72 des Fremdengesetzes 1997 eingebracht habe -, so sei zunächst festzuhalten, dass für die belangte Behörde kein Grund ersichtlich sei, warum die Berufung am letzten Tag und noch dazu in den Nachmittagsstunden am Postweg habe eingebracht werden sollen, noch dazu, wenn sich die Bevollmächtigte der Bedeutung einer Berufungsfrist für den Vertretenen sehr wohl bewusst sein müsse.
Abgesehen davon lasse sich dem Wortlaut des § 63 Abs. 5 AVG nicht entnehmen, dass eine vierzehntägige Berufungsfrist "voll ausgeschöpft" werden müsse. Schöpfe man jedoch diese gesetzliche Frist voll aus, obwohl die Wahrnehmung derselben durchaus bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre - Gegenteiliges sei nicht behauptet worden - könne man sich nicht mit Erfolg auf einen minderen Grad des Versehens berufen. Das Risiko einer Fristversäumung wachse proportional mit dem ungenützten Verstreichen des vorhergesehenen Zeitraumes.
Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes sei diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen habe. Unterlaufe einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan werde, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zug der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stelle dies nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene oder zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführe, sei dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, wolle man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen.
Im konkreten Fall habe die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers nicht glaubhaft darlegen können, dass es sich bei der betreffenden Kanzleikraft um eine erfahrene und/oder zuverlässige Kanzleikraft handle. Dem Akteninhalt zufolge sei die Sekretärin zum Vorfallszeitpunkt nämlich erst seit etwas mehr als drei Monaten bei der Rechtsanwältin beschäftigt gewesen, zudem sei nicht einmal behauptet worden, dass die Kanzleikraft bereits zuvor einschlägige Berufserfahrung bei vorherigen Arbeitgebern gesammelt hätte. Nach Ansicht der belangten Behörde könne aus einer Beschäftigungszeit von wenigen Monaten keinesfalls mit einer im Hinblick auf die Bedeutung einer Berufungsfrist ausreichenden Sicherheit von der Zuverlässigkeit eines Angestellten ausgegangen werden. Eine Kontrolle auch dieser rein manipulativen Tätigkeit wäre somit angesichts des gegebenen Sachverhalts nicht nur zumutbar, sondern sogar aus der Sorgfaltspflicht heraus geboten gewesen, sodass der Beschwerdeführer (bzw. seine rechtsfreundliche Vertreterin) weder habe glaubhaft machen können, dass er (sie) durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Ausweisungsbescheid vom 2. Februar 2001 gehindert gewesen sei, noch, dass ihn (ihr) daran nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Da somit die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG nicht gegeben seien, sei der Antrag zu Recht abgewiesen worden und habe der Berufung keine Folge gegeben werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den genannten Ausweisungs-Bescheid vom 2. Februar 2001 versäumt wurde, womit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (vgl. § 71 Abs. 1 AVG).
2. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass keine Verpflichtung erkennbar sei, die Berufung nicht am letzten Tag der Frist im Postweg einzubringen. Es komme nicht selten vor, dass die Aufgabe nicht in den Nachmittags-, sondern in den späten Abendstunden erfolge; es sei keine Sorgfaltspflicht dahingehend gegeben, Berufungen Tage vor Ablauf der Frist einzubringen. Die Argumentation der belangten Behörde, dass eine vierzehntägige Berufungsfrist nicht "voll ausgeschöpft" werden müsse, sei unschlüssig, da eine Fristversäumung auf Grund eines Versehens mit der Dauer der Berufungsfrist nicht zusammenhänge.
Fristversäumungen beruhten auf Fehlern, die unabhängig davon passierten, um welchen Tag der Frist es sich handle. Der Grad des Versehens hänge vom konkreten Grund für die Fristversäumung ab, nicht jedoch davon, wie viele Tage der Frist noch offen seien. Das Recht, die Berufungsfrist aus welchen Gründen immer voll auszuschöpfen, könne nicht bedeuten, dass ein minderer Grad des Versehens schon allein aus diesem Grund auszuschließen sei.
Schließlich habe die belangte Behörde die zeugenschaftliche Einvernahme der Beschwerdevertreterin unterlassen, die dargetan hätte, dass es sich bei der Sekretärin - der das Versehen unterlaufen sei - um eine äußerst zuverlässige Kanzleikraft gehandelt habe. Die Dauer der Beschäftigung von nahezu vier Monaten sei kein Kriterium dafür, ihr die Zuverlässigkeit abzusprechen. Genauigkeit und Zuverlässigkeit ließen sich bereits nach einigen Wochen feststellen. Die Dauer der Beschäftigung sei lediglich für die Erfahrung maßgebend. Bei der vorliegenden Tätigkeit, nämlich der Beförderung von Kuverts in ein Plastiksäckchen, sei jedoch keine spezielle Erfahrung durch Beschäftigung in einer Rechtsanwaltskanzlei notwendig, weil es sich hiebei um eine Tätigkeit des täglichen Lebens handle. Wenn die belangte Behörde meine, dass die Kanzleikraft auch bei dieser Tätigkeit zu kontrollieren gewesen wäre, bedeute dies eine Überspannung der Sorgfaltspflicht, weil ansonsten auch eine Begleitung bis zum Postamt notwendig wäre, um zu überwachen, ob die Post tatsächlich im Postamt übergeben werde. Wenn man jeden einzelnen rein manipulativen Handgriff der Kanzleikraft zu überwachen hätte, bedürfte es keiner Sekretärin, sondern müsste man diese Tätigkeit selbst verrichten. Die Beförderung von Poststücken von der Kanzlei bis zum Postamt sei eine Tätigkeit, die in der Praxis nicht mehr kontrollierbar sei, wenn die Übergabe der kuvertierten und frankierten Poststücke an die Kanzleikraft erfolgt sei. Jedenfalls sei das Herausfallen eines Schriftstückes ein so seltenes Ereignis, mit dem nicht unbedingt gerechnet werden könne, sodass es sich um einen minderen Grad des Versehens handle.
3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
3.1. Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn (Z. 1) die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder (Z. 2) die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, dass keine Berufung zulässig sei.
3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0032, mwN).
Zu beurteilen ist somit das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist Letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem Angestellten, dessen Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach der Kontrolle desselben durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Zug der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 96/18/0211).
Ein Rechtsanwalt kann sich darauf verlassen, dass eine bewährte Kanzleikraft einen fertig gestellten und unterschriebenen Schriftsatz noch am selben Tag auftragsgemäß zur Post geben oder überreichen werde (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 unter E 213 zu § 71 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Erledigung fristgebundener Schriftsätze am letzten Tag der Frist kann dem Rechtsanwalt - sofern er die organisatorische Vorsorge zur Wahrung der Frist trifft - nicht als sorgfaltswidrig angelastet werden (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 199 zu § 71 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere den Beschluss vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0162).
4. Auf dem Boden des Gesagten konnte dem zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erstatteten Vorbringen nicht die Eignung abgesprochen werden, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Vorliegend ist der Vertreterin des Beschwerdeführers eine Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht nicht anzulasten. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann es nicht als sorgfaltswidrig erkannt werden, dass sie mit der Verfassung und Abfertigung der Berufungsschrift bis zum letzten Tag der Frist zuwartete. Unter dem Gesichtspunkt einer rationellen und arbeitsteiligen, die Besorgung abgegrenzter Aufgabenbereiche delegierenden Betriebsführung war eine Kontrollmaßnahme derart nicht erforderlich, dass sich die Rechtsanwältin nach der Übergabe der Poststücke an ihre Sekretärin noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung überzeugte (vgl. den hg. Beschluss vom 15. Oktober 1998, Zl. 97/18/0512, betreffend die Bestimmung des § 46 Abs. 1 VwGG), woran auch der Umstand, dass die Sekretärin erst knapp länger als drei Monate bei der Beschwerdevertreterin beschäftigt war, nichts änderte, stellte doch der rein manipulative Vorgang des Einsteckens von Postsendungen eine Tätigkeit von solcher Einfachheit dar, dass die Anwältin auf die fehlerfreie Ausführung dieser Tätigkeit schon allein deshalb vertrauen durfte, weil der Sekretärin - außer im gegenständlichen Fall - während ihrer Tätigkeit bei der Beschwerdevertreterin noch nie ein Fehler unterlaufen war. Angesichts dessen verpflichtete auch allenfalls mangelnde einschlägige Berufserfahrung der Sekretärin - wie sie die belangte Behörde unterstellte - die Rechtsanwältin nicht zur Überwachung des Einsteckens von Poststücken.
5. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. November 2001
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