VwGH 99/04/0137

VwGH99/04/013722.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1.) des G in R, 2.) des H und der MS in R und 3.) der M und des JB in R, alle vertreten durch Dr. Benno Wageneder und Dr. Claudia Schoßleitner, Rechtsanwälte in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen die Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) vom 26. Mai 1999, Zlen. 556.300/16-VIII/6/99 sowie 556.300/18- VIII/6/99, und vom 31. Mai 1999, Zl. 556.300/17-VIII/6/99, betreffend Enteignungsverfahren nach § 11 EnWG (mitbeteiligte Partei: OÖ. F AG in L, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in 1014 Wien, Tuchlauben 17), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
EnergiewirtschaftsG 1935 §4;
AVG §8;
EnergiewirtschaftsG 1935 §4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 291,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sprach mit Bescheid vom 22. Dezember 1998 über einen Antrag der mitbeteiligten Partei wie folgt ab:

"Aufgrund der Ergebnisse des abgeführten Ermittlungsverfahrens in allen 9 vom eingereichten Projekt 'EHDL A-H/H-W-K, 1. Bauabschnitt A-H/H' betroffenen Gemeinden ergeht über den Antrag der O AG folgende Entscheidung:

Spruch

I.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt gemäß § 4 EnWG 1935, GBlfdLÖ. Nr. 156/1939, gemäß Art. 2 der zweiten Verordnung für die Einführung des Energiewirtschaftsrechtes vom 17.1.1940, GBlfdLÖ. Nr. 1381/1939, gemäß § 2 des Rechtsüberleitungsgesetzes, STGBl. Nr. 6/1945 sowie unter Beachtung der §§ 40 ff AVG 1991 idgF. Folgendes fest:

Die Errichtung der 'EHDL A-H/H-W-K, 1. Bauabschnitt A-H/H' dient der zukunftssicheren Erweiterung der öffentlichen Versorgung mit dem Primärenergieträger Erdgas.

Das Detailprojekt dieses Leitungsabschnittes entspricht nach Maßgabe der folgenden Bedingungen und Auflagen dem bei Beurteilung derartiger Energieversorgungsanlagen im Sinne der Präambel des EnWG zu beachtenden und von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen ebenso wie dem der O AG gemäß § 5 Abs. 1 EnWG erteilten öffentlichen Versorgungsauftrag, sodass dieses Projekt vom Standpunkt dieser öffentlichen Interessen bei projektgemäßer Ausführung weder zu beanstanden noch zu untersagen ist.

Im Sinne obiger Feststellung trifft der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auf Grund der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 EnWG im Zusammenhalt mit den Bestimmungen der Verordnung vom 27.9.1939, GBlfdLÖ. Nr. 1381/1939 sowie gemäß den §§ 40 ff AVG 1991 idgF. über den Antrag des konzessionierten Gasversorgungsunternehmens O AG für das gegenständliche Detailprojekt folgende Entscheidung:

Das Erdgashochdruckleitungsprojekt A-H/H wird nicht untersagt, sofern nachstehende Bedingungen und Auflagen eingehalten

werden: ..."

Eine von den (auch nunmehrigen) Beschwerdeführern erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/04/0133, als unbegründet abgewiesen.

Mit den im Spruch genannten Bescheiden wurde (zwischenzeitig) festgestellt, dass die Entziehung oder Beschränkung von Rechten am Grundeigentum der Beschwerdeführer durch zwangsweise Einräumung in Einzelnen beschriebene Dienstbarkeitsrechte zu Lasten der Beschwerdeführer und zu Gunsten des von der mitbeteiligten Partei projektierten Erdgasleitungssystems A-H-W-K, 1. Bauabschnitt A-H, zulässig ist und "der Landeshauptmann von Oberösterreich ... auf Grund dieser Zulässigkeitsfeststellung die beantragte zwangsweise Einräumung der genannten Dienstbarkeitsrechte im Enteignungsweg aussprechen und die dafür zu leistende Entschädigung festsetzen (kann)".

In den Begründungen dieser Bescheide heißt es u.a. (und insofern übereinstimmend), dass über die Frage der Trassenführung bereits im Verfahren gemäß § 4 EnWG abgesprochen worden sei. In diesem Verfahren hätten die Grundeigentümer durch ihren ausgewiesenen Vertreter eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, ohne jedoch die volkswirtschaftliche Notwendigkeit der Leitung in Zweifel zu ziehen. Hinsichtlich derartiger Einwendungen seien die Grundeigentümer daher im gegenständlichen Verfahren gemäß § 11 EnWG präkludiert. Die von der mitbeteiligten Partei projektierte Leitungsanlage diene der zukunftssichernden Erweiterung der öffentlichen Versorgung mit dem Primärenergieträger Erdgas. Um die somit im öffentlichen Versorgungsinteresse liegende Verwirklichung dieser Leitungsanlage privatrechtlich auf Dauer zu sichern, sei die Einräumung entsprechender Dienstbarkeiten notwendig. § 11 Abs. 1 EnWG, der auf Enteignungsmaßnahmen für Erdgasversorgungsleitungen anwendbar sei, stelle auf die Erforderlichkeit für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung ab. Die Enteignung sei im Sinne des § 11 EnWG erforderlich, wenn die Durchführung eines konkreten Erdgasversorgungsprojektes energiewirtschaftlich notwendig sei, zur Verwirklichung des Projektes die Benützung von nicht im Eigentum des Erdgasversorgungsunternehmens stehenden Grundstücken notwendig sei, andere gesetzliche oder "quasi gesetzliche" Rechtsgrundlagen für die Grundstücksinanspruchnahme nicht zur Verfügung stünden und trotz ernsthafter Bemühungen des Erdgasversorgungsunternehmens auch keine privatrechtlichen Benützungsverträge hätten abgeschlossen werden können. Alle diese Voraussetzungen lägen vor und seien von den Enteignungsgegnern in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten worden.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft (Energiewirtschaftsgesetz) GBlfdLÖ Nr. 156/1939 (EnWG), hatte folgenden Wortlaut:

"Soweit für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung die Entziehung oder die Beschränkung von Grundeigentum oder Rechten am Grundeigentum im Wege der Enteignung erforderlich wird, stellt der Reichswirtschaftsminister die Zulässigkeit der Enteignung fest."

Gemäß Art. 4 der zweiten Verordnung über die Eingliederung des Energiewirtschaftsrechtes in der Ostmark vom 17. Jänner 1940, GBlfdLÖ Nr. 14/1940, ist auf die Durchführung des Enteignungsverfahrens das Eisenbahnenteignungsgesetz vom 18. Februar 1878, RGBl. Nr. 30, in der Fassung des Art. 52 des Verwaltungsentlastungsgesetzes, BGBl. Nr. 277/1925, mit Maßgabe einiger Änderungen anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Inhalt eines (positiven) Bescheides nach § 4 EnWG zulässigerweise die Feststellung, dass gegen das Projekt vom Standpunkt der zu wahrenden öffentlichen Interessen Einwendungen nicht oder nur unter bestimmten Auflagen zu erheben seien (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2001, Zl. 2000/04/0023, und die dort zitierte Vorjudikatur). An dieser Rechtsprechung hält der Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Beschwerdefall fest; ebenso an seiner Rechtsprechung, dass den beteiligten Grundeigentümern Parteistellung im Prüfverfahren nach § 4 EnWG zukommt, wie dies der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 22. Juni 1961, Slg. Nr. 5594/A, dargelegt hat (vgl. auch das Erkenntnis vom 31. 3. 1992, Zl. 92/04/0021). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis Slg. Nr. 5594/A näher ausgeführt, warum er sich ungeachtet einer gegenteiligen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg. 3409 von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen nicht veranlasst sieht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausführte, sei es auch im Interesse des Energiewirtschaftsunternehmens, wenn über Einwendungen gegen das Projekt in dem über dieses abzuführenden Verfahren endgültig entschieden werde und im Verfahren über die Begründung von Zwangsrechten nur mehr eingewendet werden könne, dass die Einräumung der beanspruchten Rechte zur Durchführung des Projektes nicht erforderlich sei. Andernfalls würde der Feststellung, dass gegen das Vorhaben vom Standpunkt der öffentlichen Interessen keine Bedenken bestünden, nur eine sehr beschränkte Wirksamkeit zukommen, weil mit Enteignungsverfahren von den Grundeigentümern gegen die Notwendigkeit des Vorhabens selbst erhobene Einwendungen, sofern sie als begründet erkannt werden müssten, die Durchführung des Projektes unmöglich machen könnten.

Auf dem Boden dieser für die im Beschwerdefall noch anzuwendende Rechtslage vor dem Energieliberalisierungsgesetz - in der Beschwerde wird auch nichts gegen diese Vorjudikatur vorgebracht - ist die Beschwerde nicht begründet:

So wird, wenn in der Beschwerde im Kern behauptet wird, es sei nicht das EnWG sondern das Rohrleitungsgesetz für dieses Vorhaben anzuwenden, übergangen, dass über diese Frage bereits mit dem nach § 4 EnWG ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 1998 rechtskräftig abgesprochen wurde. Daran ändert auch nichts, wenn es in der Beschwerde unternommen wird, durch Ausführungen über zukünftige Entwicklungen hinsichtlich der Gasmarktliberalisierung darzutun, die belangte Behörde habe "zu Unrecht sowohl § 4, als auch § 11 EnWG als Rechtsgrundlage herangezogen". Von den Beschwerdeführern wird dabei übergangen, dass sich der Spruch eines Bescheides auf den Sachverhalt zu beziehen hat, der im Zeitpunkt der Erlassung bestand; ebenso hat er der im Zeitpunkt der Erlassung bestehenden Rechtslage zu entsprechen (vgl. zum Ganzen Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 413, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung). Schon insofern gehen daher auch die Beschwerdeausführungen im Zusammenhalt mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, VfSlg. 15201, mit dem § 4 EnWG als verfassungswidrig aufgehoben wurde, wobei (eben) auch ausgesprochen wurde, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 1999 (also nach Erlassung der angefochtenen Bescheide) in Kraft tritt, ins Leere.

Wenn aber in der Beschwerde geltend gemacht wird, das EnWG bilde keine taugliche Grundlage dafür, Leitungsdienstbarkeiten für "Lichtwellenleiter" einzuräumen, so ist dem zu entgegnen, dass nach den angefochtenen Bescheiden sich die Zulässigkeitsfeststellung auf die Erdgashochdruckleitung bezieht und nicht auf Datenleitungen mittels "Lichtwellenleiter", die nicht Bestandteile der Erdgashochdruckleitung sind.

Soweit die Beschwerdeführer als Verfahrensrüge vorbringen, die Einwendungen im § 4 EnWG - Verfahren hätten auch "volkswirtschaftliche Kriterien" erfasst, so wird verkannt, dass sich die Beschwerdeführer damit gegen den rechtskräftigen Bescheid vom 22. Dezember 1998 wenden. Das Gleiche hat für die Verfahrensrüge zu gelten, es hätte ein Gutachten aus dem Bereich der Volkswirtschaft eingeholt werden müssen, ob das Projekt zur Sicherung der Erdgasversorgung am Endpunkt der Leitung notwendig sei, ob sich das Projekt wirtschaftlich rechne, ob Möglichkeiten einer Trassenkoordinierung mit bestehenden Erdgasdruckleitungen bestünden und welcher Trasse bei Bejahung dieser Frage aus ökonomischer und ökologischer Sicht der Vorzug zu geben sei (vgl. auch das Erkenntnis vom 31. 3. 1992,Zl. 92/04/0021).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen der gestellten Begehren auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. Mai 2003

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