Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng) stellte mit Bescheid vom 20. April 1993 die Ausgleichszulage der Beschwerdeführerin neu fest (ab 1. Oktober 1991 mit S 1.598,30, ab 1. Jänner 1992 mit S 1.885,50 und ab 1. Jänner 1993 mit S 2.067,00). In der Begründung wird lediglich darauf verwiesen, dass sich in den Zeiträumen, für die die Ausgleichszulage neu festgestellt werde, die für die Bemessung der Ausgleichszulage maßgebende Sachlage geändert habe. Einem der Beschwerdeführerin bei Bescheiderlassung nicht offen gelegten Aktenvermerk der PVAng vom 6. April 1993 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin am 18. September 1991 ihr (landwirtschaftlich genutztes) Grundstück EZ (...) (KG P, Grundstück Nr. (...), mit einer Fläche von
2.670 m2 und einem Einheitswert von S 4.000,--) verkauft habe. Bei der Anrechnung (eines Einkommens) gemäß § 292 Abs. 8 ASVG sei unverändert von einem (bisher anzurechnenden) Einheitswert von S 18.000,-- und zusätzlich von dem oben genannten Einheitswert von S 4.000,--, sohin von insgesamt S 22.000,-- auszugehen. Der Bescheid vom 20. April 1993 erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 1997 und vom 20. Jänner 1998 beantragte die Beschwerdeführerin, eine "korrekte Berechnung, auch für die Vergangenheit, vorzunehmen", weil die Kumulierung der Einheitswerte von S 18.000,-- und S 4.000,-- verfehlt sei. Der anrechenbare Einheitswert belaufe sich lediglich auf S 11.788,--.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf rückwirkende Richtigstellung der mit Bescheid vom 20. April 1993 zuerkannten Leistung (Ausgleichszulage) ab. Die Beschwerdeführerin habe ihr Grundstück Nr. (...), EZ (...), KG P, am 26. September 1991 an eine Siedlungsgenossenschaft verkauft. Anlässlich der Scheidung von ihrem Ehemann Josef B. habe die Beschwerdeführerin am 27. Dezember 1998 einen Vergleich geschlossen und ihre Anteile an den Liegenschaften EZ (...) und (...) der KG S ihrem Ehemann übergeben. Die PVAng habe unter Zugrundelegung der Einheitswertbescheide vom 1. Jänner 1998 für das Grundstück Nr. (...), EZ (...) der KG S und des Einheitswertbescheides vom 1. Jänner 1989 für das Grundstück Nr. (...), EZ (...) der KG P (für die Anrechnung eines Einkommens nach § 292 Abs. 8 ASVG) einen Einheitswert von S 4.000,-- bzw. S 18.000,-- angenommen. Ein wesentlicher Irrtum liege daher nicht vor. Es sei gesetzeskonform von den vorliegenden Einheitswertbeträgen ausgegangen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Ergibt sich im Sinne des § 101 ASVG nachträglich, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, so ist mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen. Die Entscheidung, dass gemäß § 101 ASVG der gesetzliche Zustand wegen eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens herzustellen ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Verwaltungssache, die Herstellung dieses Zustandes selbst hingegen eine Leistungssache (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/08/0270). Es ist Zweck des § 101 ASVG, dass mit Rücksicht auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der Versicherungsleistung der den wirklichen Verhältnissen entsprechende Zustand hergestellt werden soll. Damit wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die Herstellung des gesetzlichen Zustandes jederzeit - ungehemmt durch formelle Bedenken, daher auch ohne die strengen Voraussetzungen des Wiederaufnahmsverfahrens nach § 69 AVG - möglich sein soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, Zl. 95/08/0034). Der Umstand, dass der Anspruchsberechtige den Bescheid des Sozialversicherungsträgers unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ließ, steht einer rückwirkenden Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG nicht entgegen, stellt doch diese Bestimmung gerade eine Durchbrechung der Rechtskraft dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1999, Zl. 99/08/0110).
Ein Irrtum über den Sachverhalt liegt vor, wenn der Sozialversicherungsträger Sachverhaltselemente angenommen hat, die mit der Wirklichkeit im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht übereinstimmten. Der Irrtum ist dann als wesentlich im Sinne des § 101 ASVG anzusehen, wenn er für die rechtliche Beurteilung des den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens bildenden Leistungsanspruches Bedeutung erlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1999, Zl. 97/08/0588).
§ 292 Abs. 7 und 8 ASVG lauten in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung der 49. Novelle, BGBl. Nr. 294/1990:
"(7) Steht das Recht zur Bewirtschaftung des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr nicht einer einzigen Person zu, so gilt das gemäß Abs. 5 ermittelte Nettoeinkommen nur im Verhältnis der Anteile am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb als Nettoeinkommen.
(8) Wurde die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen, so ist bei Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (des Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen vom Einheitswert der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land(forst)wirtschaftlichen Flächen auszugehen, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als zehn Jahre, gerechnet vom Stichtag, zurückliegt. Bei einer Übergabe (Verpachtung, Überlassung) vor dem Stichtag ist vom durchschnittlichen Einheitswert (Abs. 10), in allen übrigen Fällen von dem auf die übergebenen Flächen entfallenden Einheitswert im Zeitpunkt der Übergabe (Verpachtung, Überlassung) auszugehen. Als monatliches Einkommen gilt für Personen, die mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt leben, bei einem Einheitswert von 77 000 S und darüber sowie bei alleinstehenden Personen bei einem Einheitswert von 54 000 S und darüber ein Betrag von 35 vH des Richtsatzes, und zwar
1. für alleinstehende Personen und für Pensionsberechtigte auf Witwen(Witwer)pension bzw. auf Waisenpension des Richtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a bb,
2. für alle übrigen Personen des Richtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a aa, gerundet auf volle Schilling. Diese Beträge vermindern sich für Einheitswerte unter 77 000 S und 54 000 S im Verhältnis des maßgeblichen Einheitswertes zu den genannten Einheitswerten, gerundet auf volle Schilling. Abs. 7 ist entsprechend anzuwenden."
Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe mit Vergleich vom 19. Dezember 1988 "ihre Anteile an den (landwirtschaftlich genutzten) Liegenschaften EZ (...) und EZ (...), je KG S, ihrem Exgatten Josef B." übergeben. Der Einheitswert für den auf die Beschwerdeführerin entfallenden Anteil an diesen Liegenschaften habe laut Einheitswertbescheid vom 28. Juni 1989 ab 1. Jänner 1989 S 15.787,-- betragen. In diesem Betrag sei jedoch auch der Einheitswert für ihr damaliges Alleineigentum an dem Grundstück Nr. (...), EZ (...), KG P, enthalten gewesen. Die Pensionsversicherungsanstalt habe der Einkommensanrechnung nicht nur den gesamten Einheitswert der Grundstücke EZ (...) und EZ (...) der KG S (sohin auch den auf Josef B. entfallenden Anteil an diesem Einheitswert) in Höhe von S 18.000,--, sondern zusätzlich auch den Einheitswert ihres Grundstücks Nr. (...), EZ (...), KG P, in Höhe von S 4.000,--, sohin insgesamt einen Einheitswert von S 22.000,-- zu Grunde gelegt. Weiters habe die PVAng die durchschnittlichen Einheitswerte für die zwischen Jänner 1980 und Dezember 1984 bzw. zwischen Jänner 1986 und dem Pensionsstichtag September 1987 verkauften Grundstücke mit S 3.000,-- angenommen. Dabei seien jedoch Zugänge an Grundstücken (in den gemeinsam mit ihrem Ehemann geführten landwirtschaftlichen Betrieb) unberücksichtigt gelassen worden. Richtigerweise hätte eine Differenzberechnung durchgeführt werden müssen. Die belangte Behörde habe lediglich den Sachverhalt auf Grund des Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt wiedergegeben und keine eigenen Feststellungen getroffen. Der Sachverhalt bedürfe einer Ergänzung, welche Einheitswerte sich auf Grund der vorliegenden Einheitswertbescheide hinsichtlich der Anteile der Beschwerdeführerin ergeben.
Die Verfahrensrüge ist begründet. Bereits im Verwaltungsverfahren hat die Beschwerdeführerin ausführlich dargelegt, warum die von der belangten Behörde vorgenommene Kumulierung der Einheitswerte von S 18.000,-- und S 4.000,-- verfehlt sei. Die PVAng hat zwar mit Schreiben vom 9. Jänner 1998 und 3. März 1998 (mit divergierenden Argumenten) die Ermittlung des zu Grunde gelegten Einheitswertes mit S 22.000,-- verteidigt. Weder im erstinstanzlichen Bescheid noch im angefochtenen Bescheid finden sich jedoch Feststellungen bzw. beweiswürdigende Überlegungen, die sich mit dem Argument der Beschwerdeführerin auseinander setzen, der im Einheitswertbescheid zum 1. Jänner 1988 ausgewiesene Einheitswert von S 18.000,-- enthalte bereits den Einheitswert des ebenfalls landwirtschaftlich genutzten Grundstückes der Beschwerdeführerin Nr. (...), EZ (...), KG P, und auf sie entfalle vom Einheitswert nur ein Anteil von S 15.787,--. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, die PVAng habe "unter Zugrundelegung der Einheitswertbescheide vom 1.1.1988 für das Grundstück Nr. (...), EZ. (...) der KG S und des Einheitswertbescheides vom 1.1.1989 für das Grundstück Nr. (...), EZ (...) der KG P i.I. einen Einheitswert von S 4.000,-- bzw. S 18.000,-- ermittelt" bieten keinen Aufschluss für die Beantwortung der von der Beschwerdeführerin zu Recht aufgeworfenen Fragen.
Den Verwaltungsakten lassen sich zu diesen Fragen deutliche Hinweise entnehmen. Der ursprüngliche Einheitswert für die von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann Josef B. im Rahmen ihres gemeinsam geführten landwirtschaftlichen Betriebes genutzten Liegenschaften betrug ab dem 1. Jänner 1972 bis zum 31. Dezember 1978 S 7.000,--, wobei auf die Beschwerdeführerin S 3.500,-- entfielen (OZ 155). Im Einheitswertbescheid vom 26. März 1980 für den Zeitraum ab dem 1. Jänner 1979 ergab sich keine Änderung. Die Größe des landwirtschaftlichen Betriebes wurde in diesem Bescheid mit 9.085 m2 angegeben (OZ 136). Nach Zukäufen, insbesondere von 3.352 m2 am 8. Mai 1979 (vgl. OZ 193a), wurde mit Einheitswertbescheid vom 12. August 1981 der Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes ab dem 1. Jänner 1980 mit S 11.000,-
- (davon entfielen S 7.793,-- auf die Beschwerdeführerin) festgesetzt. Die Gesamtgröße des landwirtschaftlichen Betriebes belief sich damals auf 12.437 m2. Gegenstand der Feststellung waren die "GRDST. NR. (...) UA.TW. U.A. EZ (...) UA.TW." sowie (handschriftlich hinzugefügt) "U. EZ (...) P" (OZ 152). Nach einer Verkleinerung des landwirtschaftlichen Betriebes durch eine Schenkung vom 26. März 1984 (OZ 182) wurde der Einheitswert ab 1. Jänner 1985 bezogen auf eine Gesamtfläche von 9.636 m2 mit S 9.000,-- (Anteil der Beschwerdeführerin: S 6.402,--) bemessen (OZ 150). Im Zuge eines Erbübereinkommens und einer Schenkung vom 25. September 1985 brachte die Beschwerdeführerin zusätzlich die Wiese KG S, EZ (...), Grundstück Nr. (...), mit 11.550 m2 in den gemeinsam geführten landwirtschaftlichen Betrieb ein. Daraufhin wurde der Einheitswert bei einer Gesamtgröße von nunmehr 21.186 m2 ab 1. Jänner 1986 mit S 19.000,-- (Anteil der Beschwerdeführerin: S 16.280,-- ) bemessen (OZ 148). Am 1. April 1987 schied nach einem Verkauf ein Grundstück im Ausmaß von 1.264 m2 aus dem landwirtschaftlichen Betrieb aus (vgl. OZ 181). Dementsprechend wurde der Einheitswert ab 1. Jänner 1988 bei einem Ausmaß von
19.922 m2 mit S 18.000,-- festgesetzt, wovon auf die Beschwerdeführerin S 15.787,-- entfielen (OZ 146).
Am 25. Juli 1988 verkaufte die Beschwerdeführerin die in ihrem Alleineigentum stehende Wiese KG S, EZ (...), Grundstück Nr. (...), die damit aus dem landwirtschaftlichen Betrieb ausschied. Im Zuge der Ehescheidung im gleichen Jahr wurde die gemeinschaftliche Führung des landwirtschaftlichen Betriebes aufgegeben. Das landwirtschaftlich genutzte Grundstück Nr. (...), EZ (...), KG P (ein Wiesenstreifen) schied aus dem landwirtschaftlichen Betrieb aus und wurde fortan der Beschwerdeführerin alleine zugerechnet. Zugleich übertrug die Beschwerdeführerin ihr im landwirtschaftlichen Betrieb ihres früheren Ehemannes verbleibendes Eigentum an Liegenschaftsanteilen im gerichtlichen Scheidungsvergleich vom 19. Dezember 1988 an diesen. Mit Einheitswertbescheid vom 13. September 1989 wurde demgemäß der dem Ehemann allein zuzurechnende Einheitswert ab dem 1. Jänner 1989 mit S 4.000,-- festgestellt. Die Gesamtgröße seines landwirtschaftlichen Betriebes betrug nur noch 5.702 m2 (OZ 137). Der Einheitswert der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft der Beschwerdeführerin EZ (...), KG P, wurde mit Einheitswertbescheid vom 13. September 1989 unter Zugrundelegung einer Gesamtfläche von
2.670 m2 mit S 4.000,-- festgestellt (OZ 139).
Die belangte Behörde wird sich im fortgesetzten Verfahren mit den im Verwaltungsakt erliegenden Ermittlungsergebnissen auseinander zu setzen und insbesondere darüber Feststellungen zu treffen haben, ob das Vorbringen der Beschwerdeführerin zutrifft, der Einheitswert ihrer Liegenschaft EZ (...), KG P, sei zu Unrecht doppelt berücksichtigt worden. Sollte dies der Fall sein, so läge im Sinne des § 101 ASVG ein wesentlicher Irrtum der PVAng über den Sachverhalt vor, der zu einer zu niedrigen Bemessung der Ausgleichszulage der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 20. April 1993 führte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2003
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