VwGH 2002/01/0216

VwGH2002/01/02169.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, 1. über den Antrag des LN in M, geboren am 7. Februar 1964, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/14, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. April 2002, Zl. 227.339/0-IV/29/02, betreffend § 5 AsylG, und 2. in dieser Beschwerdesache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer, ein am 28. Oktober 2001 in das Bundesgebiet eingereister Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, stellte am 30. Oktober 2001 einen Asylantrag.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. April 2002 wies die belangte Behörde die gegen den den Asylantrag zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. März 2002 gerichtete Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab.

Der Beschwerdeführer beantragte mit seinem am 4. Juni 2002 zur Post gegebenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und holte gleichzeitig die Beschwerde gegen den Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 10. April 2002 nach. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führt er aus, er sei im Asylverfahren durch Dr. Günter K. vertreten worden. Der nunmehr angefochtene Berufungsbescheid sei dem Beschwerdeführer am 21. Mai 2002 von der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag ausgehändigt worden, er sei jedoch auf Grund des vom nunmehrigen Vertreter des Beschwerdeführers erhobenen Akteninhaltes bereits am 12. April 2002 dem früheren Vertreter Dr. K. zugestellt und von diesem übernommen worden. Da Dr. K. dem Vertreter des Beschwerdeführers in der Folge jedoch mitgeteilt habe, er habe diesen Bescheid nicht erhalten, müsse der Bescheid bei Dr. K. außer Evidenz geraten sein. Dr. K. habe im Rahmen verschiedener Organisationen, wie Flughafensozialdienst, GLB und nunmehr CFN im Laufe von mehr als zehn Jahren hunderte Klienten betreut. Der Verlust des gegenständlichen Bescheides sei daher ein einmaliges Ereignis "im Verhältnis zu einer ansonsten mustergültigen Wahrnehmung von Klienteninteressen. Ein Faktor, der beigetragen haben mag, dass dieses Missgeschick erfolgt ist, mag darin liegen, dass im relevanten Zeitraum die Übersiedlung des Klubs CFN von der Apostelgasse in die Dr. Bohr-Gasse 2-8/15/12, 1030 Wien, erfolgt" sei. Weiters führt der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag aus, dass "in Anbetracht der jahrzehntelangen, in einer Unzahl von Fällen bewiesenen, geradezu pedantischen Genauigkeit" des Dr. K. im Umgang mit Fristen und behördlichen Schriftstücken "das Übersehen dieses Bescheides (ebenso wie jenes der Gattin des Beschwerdeführers zur Zl. 227.340/0-IV/29/02) ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis" gewesen sei, "das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde rechtfertigen müsste". Zum Beweis für dieses Vorbringen beruft sich der Beschwerdeführer auf die Einvernahme des Dr. Günter K.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Partei hat aber nicht nur eigenes Verschulden zu vertreten, sondern ihr ist auch das Verhalten ihres Vertreters zuzurechnen. Demnach bildet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Untätigkeit eines Vertreters im Allgemeinen auch keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Vertreter wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten und es träfe ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens (vgl. den Beschluss vom 26. Juli 2001, Zl. 2001/20/0377, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Diesbezüglich trifft aber den Wiedereinsetzungswerber trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist (vgl. etwa den Beschluss vom 25. März 1999, Zl. 99/20/0099 u. v.a.).

Der Beschwerdeführer bringt in seinem gemäß § 46 Abs. 3 VwGG innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme von der fehlenden Weiterleitung des angefochtenen Bescheides durch seinen damaligen Vertreter, somit rechtzeitig, gestellten Wiedereinsetzungsantrag vor, dass der Bescheid bei seinem - sonst stets zuverlässigen - Vertreter außer Evidenz geraten sei, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass dieser zum Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides seine Büroräumlichkeiten übersiedelt habe.

Damit gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, im Hinblick auf das ihm zurechenbare Verhalten seines Vertreters einen Sachverhalt vorzubringen, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG erfüllen könnte. Die vom Beschwerdeführer geschilderte Übersiedlung der Büroräumlichkeiten zur Zeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides kann ohne Hinzutreten besonderer (im vorliegenden Fall nicht ersichtlicher) Umstände nicht als unvorhergesehenes Ereignis qualifiziert werden. Selbst eine hohe Arbeitsbelastung, wie sie etwa durch die Übersiedlung des Büros bedingt sein könnte, wäre für sich allein nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund herzustellen, weil es dem Vertreter des Beschwerdeführers im Hinblick auf die von ihm vorgenommene Betreuung und Vertretung von Asylwerbern in behördlichen Verfahren oblegen wäre, durch geeignete Maßnahmen die Weiterleitung von Schriftstücken und die erforderliche Einhaltung von Fristen trotz Übersiedlung sicherzustellen (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Jänner 2001, Zl. 2000/05/0289).

Der Wiedereinsetzungsantrag enthält auch kein konkretes Vorbringen, welches die Prüfung, ob für den behaupteten Verlust des angefochtenen Bescheids bei Dr. K. nur ein minderer Grad des Versehens ausschlaggebend gewesen wäre, ermöglichen würde. Infolge der Zurechnung eines Verschuldens seines Vertreters hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, in welcher Weise der Bürobetrieb seines Vertreters organisiert sei, sodass ein Inverstoßgeraten von Poststücken auszuschließen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 1997, Zl. 97/05/0066-0077, 0084-0090). Da im Wiedereinsetzungsantrag Ausführungen dazu fehlen, in welcher Form üblicherweise die Information der Vertretenen und die Evidenthaltung von Schriftstücken und Fristen erfolgte, und welche Vorkehrungen während der Übersiedlung getroffen wurden, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen darzutun, dass weder ihn noch seinen Vertreter an der Versäumung der Beschwerdefrist ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden träfe. Der frühere Vertreter des Beschwerdeführers wird im Antrag nur mit der Mitteilung zitiert, er habe "den bezeichneten Bescheid nicht erhalten", wovon der Beschwerdeführer selbst angesichts der Unterschrift auf dem Rückschein nicht ausgeht. Dem Wiedereinsetzungsantrag ist somit nicht zu entnehmen, dass der frühere Vertreter des Beschwerdeführers sich wenigstens im Nachhinein darum gekümmert hätte, welche Umstände zum Verlust der ihm zugestellten Bescheidausfertigung führten und welche von ihm getroffenen Vorkehrungen zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses dabei versagten. Die Spekulation des Beschwerdeführers, wonach die Übersiedlung zu dem Missgeschick "beigetragen haben mag", gleicht die daraus resultierende Lückenhaftigkeit der Antragsbegründung auch in Verbindung mit den Hinweisen auf eine langjährige verdienstvolle Tätigkeit des früheren Vertreters nicht aus.

Das Antragsvorbringen war daher nicht geeignet, dem Wiedereinsetzungsantrag zum Erfolg zu verhelfen, sodass diesem Antrag nicht stattzugeben war.

2. Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat zur Folge, dass die Beschwerde im Hinblick auf die eingangs wiedergegebenen Daten der Zustellung des angefochtenen Bescheides und ihrer Postaufgabe verspätet erhoben wurde (vgl. § 26 Abs. 1 VwGG). Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am 9. Juli 2002

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