VwGH 99/20/0099

VwGH99/20/009925.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, 1.) über den Antrag des am 27. Februar 1980 geborenen TJ in Graz, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Oktober 1998, Zl. 200.344/0-V/14/98, betreffend Asylgewährung, sowie 2.) in der eben genannten Beschwerdesache, den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1002;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1002;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1.) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben.

2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers und dem Inhalt des angefochtenen Bescheides beantragte der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein Staatsangehöriger von Liberia, am 20. Mai 1997 die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Juli 1997 abgewiesen; der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Oktober 1998 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem (damaligen) gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers, dem Magistrat der Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie, am 29. Oktober 1998 zugestellt.

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist vor dem Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer vor, der Magistrat der Stadt Graz habe den Bescheid an die Caritas, Zentrale Graz, weitergeleitet, damit von dieser nach Erhalt dieses Bescheides ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (für den Beschwerdeführer) beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werde. Am 17. Februar 1999 habe der nunmehrige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit dem Magistrat der Stadt Graz fernmündlich Kontakt aufgenommen und es sei ihm gegenüber bestätigt worden, dass der entsprechende Bescheid an die Caritas, Zentrale Graz, mit dem Auftrag weitergeleitet worden sei, einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen. Am 18. Februar 1999 habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit der Caritas fernmündlich Kontakt aufgenommen und es sei ihm mitgeteilt worden, dass ein entsprechender Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe von Seiten der Caritas nicht eingebracht worden sei. Der Beschwerdeführer habe sohin erst anlässlich der in der Kanzlei seines Rechtsvertreters am 18. Februar 1999 abgehaltenen Besprechung in Erfahrung bringen können, dass das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei. Der Beschwerdeführer, der zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom 22. Oktober 1998 noch minderjährig gewesen sei, habe darauf vertraut, dass der gesetzliche Vertreter oder die Caritas einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einbringen lasse. Er sei seit 6. Juli 1998 ordnungsgemäß in Graz gemeldet, sodass ihn die Caritas auch hätte erreichen können. Er sei somit durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden darin gehindert, nach Zustellung des angefochtenen Bescheides binnen offener Frist eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einzubringen und er habe dadurch einen Rechtsnachteil erlitten. Er sei sohin ohne sein Verschulden an der Versäumung (gemeint wohl: der Einhaltung) der Frist gehindert gewesen. Unter einem führte der Beschwerdeführer die Bescheidbeschwerde gegen den angefochtenen Bescheid aus.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Beschwerdeführer, der am 27. Februar 1980 geboren ist und gemäß § 27 Abs.1 AsylG im Asylverfahren (erst) am 27. Februar 1999 mit Vollendung des 19. Lebensjahres handlungsfähig wurde, war gemäß § 27 Abs. 2 leg.cit. während dieses Verfahrens vom Jugendwohlfahrtsträger (hier: dem Magistrat der Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie) vertreten. Dementsprechend wurde der angefochtene Bescheid dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 29. Oktober 1998 mit der Rechtswirkung zugestellt, dass er dem Beschwerdeführer gegenüber als erlassen anzusehen war.

Nach dem Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung hat der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers in weiterer Folge den Bescheid an die Caritas "weitergeleitet, damit gewährleistet werde, dass auf Grund des Erhaltes dieses Bescheides ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beim Hohen Verwaltungsgerichtshof eingebracht wird" bzw. "mit dem Auftrag weitergeleitet, einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen." Diesem Vorbringen ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass zwischen dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers und der Caritas ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB dergestalt zu Stande gekommen ist, dass sich letztere zur Vornahme einer Rechtshandlung (Verfassung und Einbringung des Verfahrenshilfeantrages im Namen des Beschwerdeführers) verpflichtete.

Läge dem wiedergegebenen Sachverhaltsvorbringen aber eine derartige Behauptung zu Grunde, so wäre die Caritas als Bevollmächtigte des gesetzlichen Vertreters des Beschwerdeführers anzusehen, was zur Folge hätte, dass dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers (und damit diesem selbst) in einem solchen Fall das Verschulden seines Machthabers (der Caritas) jedenfalls zuzurechnen wäre (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zlen. 95/19/0520 bis 0522). Gemäß § 46 VwGG schließt aber ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Machthabers eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Beschwerdeerhebung aus. Die Untätigkeit eines Vertreters bildet im Allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Machthaber wäre durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten und es träfe ihn kein Verschulden oder es läge nur ein minderer Grad des Versehens vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 95/19/1792).

Diesbezüglich trifft aber den Wiedereinsetzungswerber trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1993, Zl. 93/01/0942, 1065, u.a.). Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist.

Der Wiedereinsetzungswerber unterlässt es aber im vorliegenden Fall darzulegen, aus welchen Gründen die Machthaberin des (gesetzlichen Vertreters des) Beschwerdeführers, die Caritas, an der Einbringung eines rechtzeitigen Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe gehindert war und warum sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens traf. Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthält keine Behauptung von Tatsachen, aus denen sich in rechtlicher Hinsicht ableiten ließe, die zur Fristversäumung führende Untätigkeit der Caritas hätte bloß auf einem minderen Grad des Versehens beruht. Ausgehend vom Vorliegen eines Bevollmächtigungsvertrages zwischen der Caritas und dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, einen Sachverhalt glaubhaft zu machen, der die Voraussetzungen des § 46 VwGG erfüllen könnte.

Sollte aber ein derartiger Bevollmächtigungsvertrag mit der Caritas nicht zu Stande gekommen sein, so fehlen Behauptungen dazu, dass der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers oder nach Erlangung der Volljährigkeit dieser selbst einen Verfahrenshilfeantrag verfasst und der Caritas als Botin zur bloßen Weiterleitung übergeben hätte. Aber selbst in einem solchen Fall, in dem sich der Beschwerdeführer bzw. sein gesetzlicher Vertreter der Caritas nur als Übermittlerin eines Schriftsatzes bedienen wollte, hätte der Beschwerdeführer entsprechende Maßnahmen zu Kontrolle dieser Übermittlungstätigkeit zu setzen gehabt; auch hiezu fehlt jegliches Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag.

Dem Beschwerdeführer ist es daher nicht gelungen, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund geltend zu machen.

Aus diesem Grund war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG nicht stattzugeben. Demgemäß war auch die Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Damit erübrigt sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

So weit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes

nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 25. März 1999

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