VwGH 2001/20/0377

VwGH2001/20/037726.7.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, 1. über den Antrag des J in G, geboren am 24. Dezember 1982, vertreten durch Dr. Hans Lehofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Februar 2001, Zl. 220.935/0- V/13/01, betreffend § 6 Z 3 und § 8 AsylG und 2. in dieser Beschwerdesache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1002;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1002;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, nach seinen Behauptungen ein Staatsangehöriger Sierra Leones, gemäß § 6 Z 3 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei. Gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof richtet sich der am 13. Juni 2001 zur Post gegebene und zur hg. Zl. 2001/20/0377 protokollierte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, womit die gegen den erwähnten Bescheid der belangten Behörde gerichtete, zur hg. Zl. 2001/20/0378 protokollierte Beschwerde verbunden wurde.

Zu 1.

Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag wurde der angefochtene Bescheid der Vertreterin des gesetzlichen (§ 25 Abs. 2 AsylG) Vertreters des Beschwerdeführers, der vom Magistrat der Stadt Graz bevollmächtigten Mag. T., zugestellt. Die Vertreterin des Beschwerdeführers sei davon ausgegangen, dass dieser den Bescheid der belangten Behörde "akzeptieren" würde. Dem Beschwerdeführer sei der Bescheid erst nach Ablauf der Beschwerdefrist am 7. Juni 2001 (von Mag. T.) ausgehändigt worden. Der nicht rechtskundige Beschwerdeführer habe keine Veranlassung gesehen, vorher bei "seiner Vertretung", dem Magistrat der Stadt Graz, Nachforschungen anzustellen, weil er davon ausgegangen sei, dass sein Vertreter "sämtliche möglichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe" gegen den Bescheid der belangten Behörde ausschöpfen würde. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer dann aber feststellen müssen, dass dies nicht erfolgt und die Beschwerdefrist bereits abgelaufen sei. Insofern sei es zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Vertreterin zu einem Missverständnis gekommen, das für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes Ereignis darstelle. Ein derartiges Missverständnis könne "auch gelegentlich einem sorgfältigen Menschen passieren". Jedenfalls habe weder der Beschwerdeführer noch seine Vertreterin Mag. T. auffallend sorglos gehandelt.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 46 Abs. 1 VwGG darzutun:

Nach der zitierten Bestimmung ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Partei hat aber nicht nur eigenes Verschulden zu vertreten, sondern ihr ist auch das Verhalten ihres Vertreters zuzurechnen (siehe etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 72 ff. zu § 71 AVG zitierte hg. Rechtsprechung, die auch auf die vergleichbare Bestimmung des § 46 VwGG angewendet wird; vgl. dazu unter vielen jüngst den hg. Beschluss vom 28. März 2001, Zl. 2001/04/0005). Demnach bildet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Untätigkeit eines Vertreters im Allgemeinen auch keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Machthaber wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, und es träfe ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 26. März 1996, Zl. 95/19/1792, vom 4. Dezember 1996, Zlen. 96/21/0914, 0915, vom 25. März 1999, Zl. 99/20/0099, und vom 3. Dezember 1999, Zl. 97/19/0182).

Diesbezüglich trifft aber den Wiedereinsetzungswerber trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist (vgl. zu § 46 VwGG etwa den bereits zitierten Beschluss vom 25. März 1999, Zl. 99/20/0099, u.v.a.).

Der Wiedereinsetzungswerber unterlässt es aber im vorliegenden Fall darzulegen, aus welchen Gründen die Machthaberin des (gesetzlichen Vertreters des) Beschwerdeführers, Mag. T., an der Einbringung einer rechtzeitigen Beschwerde gehindert gewesen ist, und warum sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthält keine Tatsachenbehauptungen, aus denen sich in rechtlicher Hinsicht ableiten ließe, die zur Fristversäumung führende Untätigkeit der Vertreterin hätte bloß auf einem minderen Grad des Versehens beruht. Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag beschränkt sich nämlich auf den Kenntnisstand und das Verhalten des Beschwerdeführers. Für ihn sei es unvorhergesehen gewesen, dass es der gesetzliche Vertreter (dessen Machthaberin) unterlasse, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid der belangten Behörde fristgerecht eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde zu erheben, und ihm sei insoweit, etwa wegen der Unterlassung rechtzeitiger "Nachforschungen" bei seinem Vertreter, jedenfalls kein grobes Verschulden vorzuwerfen. Dem Wiedereinsetzungsantrag sind aber keine Ausführungen darüber zu entnehmen, auf Grund welcher Umstände die Vertreterin des Beschwerdeführers annehmen durfte, er verzichte auf die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und werde den Bescheid der belangten Behörde "akzeptieren". Mangels jedweden Tatsachenvorbringens zu dieser Frage, kann nicht erkannt werden, weshalb die Vertreterin des Beschwerdeführers bei der bewussten Unterlassung einer Beschwerdeerhebung nur leicht fahrlässig gehandelt haben soll bzw. wenn dies doch der Fall gewesen sein sollte, ob das damit im Zusammenhang stehende Verhalten des Beschwerdeführers dann nicht als grob schuldhaft zu qualifizieren wäre. Ausgehend von dem im Wiedereinsetzungsantrag behaupteten Vorliegen eines Bevollmächtigungsverhältnisses zwischen Mag. T. und dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, einen Sachverhalt vorzutragen, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG erfüllen könnte (vgl. neuerlich den bereits zitierten Beschluss Zl. 99/20/0099, dem ein ähnlich gelagerter Fall zu Grunde lag). Dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte daher nicht stattgegeben werden.

Zu 2.

Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat zur Folge, dass die (unstrittig) verspätet erhobene Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Im Hinblick darauf erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 26. Juli 2001

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