Normen
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Antragsteller begründen ihren Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen damit, der Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 30. Oktober 2000, Zl. Gew-1135/12/99, sei ihren ausgewiesenen Vertretern nachweislich am 10. November 2000 zugestellt worden. Die Kanzleileiterin ihres Vertreters habe im Fristenbuch den Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist mit 22. Dezember 2000 eingetragen. Am 15. November 2000 habe ihr Vertreter nochmalig, offenbar über die Bezirkshauptmannschaft Villach, den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 30. Oktober 2000 erhalten. Die Kanzleileiterin habe ebenfalls den Ablauf der sechswöchigen Frist ins Fristenbuch mit 27. Dezember 2000 eingetragen. Aus unerfindlichen Gründen sei von der Kanzleileiterin daraufhin die Frist für den 22. Dezember 2000 aus dem Fristenbuch gestrichen worden, sodass lediglich der Ablauf der Frist mit 27. Dezember 2000 im Fristenbuch eingetragen gewesen sei. Am 26. Dezember 2000 habe der Vertreter die Beschwerde ausgearbeitet und dabei feststellen müssen, dass richtiger Weise die erste Zustellung des Bescheides, welche am 10. November 2000 erfolgt sei, die sechswöchige Frist auslöse und somit der 22. Dezember 2000 der letzte Tag für die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gewesen sei. Somit hätten die Vertreter erst am 26. Dezember 2000 davon Kenntnis erlangt, dass die Frist für die Erhebung der Beschwerde bereits am 22. Dezember 2000 abgelaufen sei. Die Vertreter seien auch ihrer Überwachungspflicht im entsprechenden Ausmaß nachgekommen. Es werde wöchentlich stichprobenartig die Eintragung in das Fristenbuch überprüft. Bis dato sei es noch zu keiner einzigen falschen Fristeneintragung gekommen. Die Mitarbeiterin der Vertreter sei schon mehr als sechs Jahre in der Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt. Seit 1997 sei sie Kanzleileiterin und obliege es ausschließlich ihr die Fristen einzutragen und zu überwachen. Bis zum heutigen Tage sei es noch zu keiner einzigen Fristversäumnis oder Fehler der Kanzleileiterin hinsichtlich einer Fristeintragung gekommen. Ein Versehen eines Angestellten sei für einen Parteienvertreter und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, wenn dem Parteienvertreter selbst ein leichtes Verschulden unterlaufen sei. Dies sei dann gegeben, wenn der Rechtsanwalt seiner gebotenen Überwachungspflicht im zumutbaren Ausmaß gegenüber den Angestellten nachgekommen sei. Eine solche Überwachungspflicht dürfe jedoch nicht überspannt werden, sodass es zu einer "Überwachung auf Schritt und Tritt" komme. Der Rechtsanwalt sei seiner Überwachungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen, zumal von ihm die Fristeintragungen auf deren Richtigkeit überprüft würden. Auch gelte die Kanzleileiterin als äußerst zuverlässig und sei eine falsche Fristeintragung bis dato nicht vorgekommen.
Zugleich mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wurde die versäumte Handlung nachgeholt und Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten erhoben.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber den Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Insbesondere muss der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Wiedereinsetzung schadet ein solches Versagen dann nicht, wenn dem Rechtsanwalt nur ein minderer Grad des Versehens vorgeworfen werden kann. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürfen also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten sind diesen zuzurechnen und ermöglichen jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflicht des Anwaltes bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisherigen objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen sind (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. Juli 1995, Zl. 95/20/0242).
Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgesprochen hat, ist in einer Rechtsanwaltskanzlei für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht etwa jener Kanzleiangestellte allein verantwortlich, der den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun kann, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruht und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliegt, so trifft ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirkt (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom 26. Juli 1995).
Damit ergibt sich eindeutig, dass die Frage der Fristsetzung und Fristvormerkung keine Angelegenheit ist, die einer Kanzleiangestellten in alleiniger Verantwortlichkeit übergeben werden kann. Wird eine solche Fristsetzung und Vormerkung - aus welchen Gründen auch immer - von der Kanzleiangestellten vorgenommen, so obliegt dem Anwalt die Beaufsichtigungs- und Kontrollpflicht. Im vorliegenden Fall wurde nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag die Frage des Zeitpunktes der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Kärnten ausschließlich von der Kanzleiangestellten des Rechtsvertreters beurteilt und auf Grund dieser Beurteilung die Frist ins Fristenbuch eingetragen. Ihr Rechtsvertreter habe wöchentlich stichprobenartig die von der Kanzleiangestellten vorgenommenen Eintragungen im Fristenbuch überprüft. Dass den Rechtsvertretern der Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Überwachungspflicht nicht auffiel, dass die Kanzleiangestellte im Fristenbuch eigenmächtig die zuerst eingetragene Beschwerdefrist gestrichen und durch eine andere ersetzt hat, kann nicht mehr als bloß minderer Grad des Versehens angesehen werden. Insbesondere wird auch nicht vorgebracht, die Kanzleiangestellte hätte entgegen ausdrücklichen Weisungen der Beschwerdeführervertreter diesen die vermerkte - sowie die sodann von ihr eigenmächtig geänderte - Frist nicht zur Kontrolle vorgelegt.
Es ist den Antragstellern zuzugestehen, dass eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Rechtsanwalt nicht zuzumuten ist, will man nicht seine Sorgfaltspflichten überspannen. Bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist handelt es sich jedoch nicht um einen solchen rein manipulativen Vorgang. Wenn der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist daher nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmte, sondern diese Bestimmung seiner Kanzleileiterin überließ, so wäre es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls oblegen, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren (vgl. den hg. Beschluss vom 30. März 2000, Zl. 2000/16/0057).
Ausgehend vom Vorbringen im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführervertreter wirksame Maßnahmen zur Kontrolle der richtigen Bestimmung und Eintragung von Fristen getroffen hätten. Dass die Kanzleiangestellte nicht angewiesen wurde, wenigstens strittige Fälle oder Fälle, in denen eine Änderung der eingetragenen Fristsetzung erfolgt, dem Beschwerdeführervertreter vorzulegen, vermag eine wirksame Überwachung der Eintragungen in das Fristenbuch nicht darzutun.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist war daher nicht stattzugeben.
Da sich somit die am 5. Jänner 2001 zur Post gegebene Beschwerde gegen den genannten Bescheid der belangten Behörde als verspätet erweist, war diese gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 28. März 2001
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)