Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2000:2000160057.X00
Spruch:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Begründung
In der am 2. Februar 2000 zur Post gegebenen Beschwerdeschrift behauptete die Beschwerdeführerin, dass der von ihr angefochtene Bescheid am 15. Dezember 1999 durch eigenhändige Zustellung zugestellt worden sei.
Mit Berichterverfügung vom 14. Februar 1992 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, die Beschwerde insofern zu verbessern, als der Tag, an dem der angefochtene Bescheid zugestellt wurde, präzise anzugeben wäre, zumal bei einer Zustellung am 15. Dezember 1999 die am 2. Februar 2000 eingebrachte Beschwerde verspätet wäre; dies wurde in Anwendung des § 62 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit §§ 37, 45 Abs. 3 AVG zur Äußerung vorgehalten (siehe in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 24. November 1998, Zl. 96/08/0406).
Diese Berichterverfügung wurde den Beschwerdeführervertretern am 1. März 2000 zugestellt; mit einem 13. März 2000 zur Post gegebenen Schriftsatz räumten sie ein, dass die am 2. Februar 2000 eingebrachte Beschwerde verspätet war, begehrten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und wiederholten dazu den Beschwerdetext.
Im Wiedereinsetzungsantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, in der Kanzlei ihres ausgewiesenen Rechtsvertreters sei für die Übernahme der Post Frau D.L. zuständig. Jedes zugestellte Schriftstück werde mit einem Datumsstempel versehen und, sofern Fristen einzutragen seien, von Frau D.L. im "großen" Fristvormerkkalender eingetragen. Dies sei auch bei dem am 15. Dezember 1999 zugestellten Bescheid geschehen, allerdings sei Frau L. ein Fehler dahingehend passiert, dass sie bei Berechnung der Sechswochenfrist einmal zu viel in dem großen Vormerkkalender blätterte und daher den 2. Februar 2000 als Fristende vormerkte. Durch den Jahreswechsel sei ein Verblättern naturgemäß leichter möglich gewesen. Grundsätzlich werde jeder Akt, bei dem eine Frist im Kalender vorgemerkt werde, einem der beiden Beschwerdevertreter zur Endkontrolle vorgelegt. Auf Grund diverser Telefongespräche sei Frau L. von der Vorlage dieses Aktes zunächst abgehalten worden und habe dies in weiterer Folge offensichtlich übersehen und den Akt direkt an den zuständigen Bearbeiter Mag. St. weiter geleitet, der davon ausgegangen sei, dass der auf dem Bescheid vermerkte Endtermin 2. Februar 2000 schon entsprechend kontrolliert worden sei. Frau L. sei seit 1991 in der Kanzlei als Schreibkraft tätig und erfülle ihre Aufgaben äußerst umsichtig und gewissenhaft. Auf Grund ihrer großen Erfahrung sei auch die Übernahme der Post und die damit verbundene Fristvormerkung in ihren Aufgabenbereich gefallen. Die Beschwerdeführervertreter hätten auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit darauf vertrauen können, dass Fristen ordnungsgemäß im Terminkalender eingetragen würden und der entsprechende Akt zur Endkontrolle vorgelegt würde. Auf Grund des geringfügigen Versehens von Frau L. sei die Frist um eine Woche zu spät eingetragen und sei aus dem gleichen Grund wegen Arbeitsüberlastung die Vorlage des Aktes unterblieben. Dadurch, dass der Akt ohne Vorlage an den zuständigen Bearbeiter weiter geleitet worden sei, der davon ausgegangen sei, dass die vorgemerkte Frist richtig sei, sei es dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, die Verfristung der Beschwerde festzustellen. Erst durch die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 2000 habe der Rechtsvertreter davon Kenntnis erlangt.
Vorgelegt wurde die eidesstattliche Erklärung der D.L. vom 13. März 2000, welche folgenden Inhalt hat:
"Ich, D. L., habe am 15.12.1999 den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg,... übernommen und sogleich dem diesbezüglichen Kanzleiakt eingelegt. Gleichzeitig habe ich unter Zuhilfenahme des Fristenvormerkkalenders 1999 und 2000 die sechswöchige Rechtsmittelfrist eingetragen, dabei allerdings offensichtlich eine Woche zu viel geblättert und daher als Endtermin den 2.2.2000 eingetragen. Dieses Datum habe ich auch auf den vorgenannten Bescheid vermerkt.
Wegen diverser Telefongespräche wurde ich dann vorerst davon abgehalten, den Akt zur Endkontrolle an Herrn oder Frau Dr. P. vorzulegen, habe dies in weiterer Folge übersehen und den Akt fälschlicherweise direkt an den zuständigen Bearbeiter mit dem Vermerk 2.2.2000 weitergeleitet.
Ich bin seit 18.11.1991 in der Kanzlei Dr. P. als Kanzleikraft tätig. Bislang ist mir ein diesbezügliches Versehen noch nie passiert."
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten verletzt hat. Der Wiedereinsetzungswerber hat im Antrag konkret darzutun, was er bzw. sein Rechtsanwalt in Erfüllung der Pflicht zur Überwachung der für ihn tätig gewordenen Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung von Fristen vorgekehrt hat. Zu den Aufgaben des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Wahrung einer Frist gehört es, die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten obliegenden Aufsichtspflicht zu überwachen. Der Rechtsanwalt muss zwar die mit der Führung des Kalenders betraute Angestellte nicht "auf Schritt und Tritt" überwachen, weshalb ihn nicht die Pflicht zur sofortigen persönlichen Kontrolle jeder Eintragung trifft, doch hat er Maßnahmen vorzukehren, die Fehleintragungen verhindern oder sie rechtzeitig als solche erkennen lassen, indem er z.B. eine andere geschulte und verlässliche Angestellte mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut oder selbst regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Überprüfungen durchführt (hg. Beschluss vom 24. November 1998, Zl. 98/14/0155 und 0174, m.w.N.).
Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, dass es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegende Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Wohl ist eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Rechtsanwalt nicht zuzumuten, will man nicht seine Sorgfaltspflichten überspannen. Um einen solchen rein manipulativen Vorgang handelt es sich jedoch nicht bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist. Wenn der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist daher nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmte, sondern diese Bestimmung - dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge - seiner Kanzleileiterin überließ, so wäre es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls oblegen, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren (vgl. hg. Beschluss vom 24. November 1997, Zlen. 97/10/0200 und 0188 m.w.N.).
Ausgehend vom hier vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag, dessen Sachbehauptungen durch die vorliegende eidesstattliche Erklärung bescheinigt wurden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführervertreter wirksame Maßnahmen zur Kontrolle der richtigen Bestimmung und Eintragung von Fristen getroffen hätten. Insbesondere fällt auf, dass sie es der zu kontrollierenden Kanzleikraft überlassen haben, ob diese die vermerkte Frist zur Kontrolle vorlegt; dass die Angestellte durch Arbeitsüberlastung bzw. umfangreiche Telefonate an der Vorlage gehindert gewesen wäre, entschuldigt in diesem Zusammenhang keinesfalls, weil mit derartigen Umständen stets gerechnet werden muss. Auffällig ist weiters, dass der juristische Sachbearbeiter in der Folge offenbar weder die Richtigkeit der Fristvormerkung selbst kontrolliert hat, noch im Stande war, zu erkennen, ob eine Kontrolle erfolgt wäre.
Wenn es einerseits der Kontrollierten anheim gestellt bleibt, die Fristvormerkung einer Kontrolle zu unterziehen, andererseits in keiner Weise ersichtlich gemacht wird, ob jemals eine Kontrolle erfolgte, kann von einer wirksamen Überwachung der richtigen Eintragung in den Kalender keine Rede sein.
Damit kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die auf fehlerhafte Fristeintragung zurückzuführende verspätete Einbringung der Beschwerde bloß auf einen minderen Grad des Versehens zurück zu führen ist. Bei diesem Ergebnis bedarf es auch keiner weiteren Untersuchung der Frage, ob der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt wurde, zumal auffällt, dass schon bei Verfassung der Beschwerdeschrift ("... am 15. Dezember 1999 durch eigenhändige Zustellung zugestellt. Innerhalb offener Frist erhebt nunmehr der Beschwerdeführer ...") die Fristversäumung offenkundig war.
Die sechswöchige Beschwerdefrist lief am 26. Jänner 2000 ab. Die am 2. Februar 2000 zur Post gegebene Beschwerde war daher in Anwendung des § 34 Abs. 1 VwGG wegen Verspätung zurückzuweisen.
Wien, am 30. März 2000
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)