VwGH 97/10/0200

VwGH97/10/020024.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über den Antrag des Erich und der Herta S in St. Johann i.d. Haide, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in H, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 14. Juli 1997, Zl. IV-B-681/6-1997, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Gleichzeitig wird die gegen den genannten Bescheid erhobene Beschwerde zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 14. Juli 1997 wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf nachträgliche naturschutzbehördliche Bewilligung zur Errichtung einer näher beschriebenen Fischerhütte abgewiesen. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern - ihren Angaben zufolge - am 15. Juli 1997 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 24. September 1997 erhoben die Beschwerdeführer dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 7. Oktober 1997 beantragten sie, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung zu bewilligen und wiederholten die bereits erhobene Beschwerde.

Sie brachten im wesentlichen vor, sie hätten im Rahmen einer Vorsprache beim ausgewiesenen Vertreter am 20. August 1997 diesen mit der Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den genannten Bescheid beauftragt. Ihr Vertreter habe sich zunächst davon überzeugt, daß die Zustellung des Bescheides am 15. Juli 1997 erfolgt sei und er habe dann seiner namentlich genannten Kanzleileiterin die Weisung erteilt, ab dem 15. Juli 1997 die sechswöchige Frist im Kalender vorzumerken und den Akt sogleich wieder vorzulegen, um dann die Beschwerde termingerecht ausführen zu können. Nach dieser Anweisung habe der ausgewiesene Vertreter einen auswärtigen Besprechungstermin wahrzunehmen gehabt und habe sich auf seine Kanzleileiterin verlassen. Die schon viele Jahre bei ihm beschäftigte Kanzleileiterin, die bisher u.a. stets auch mit Fristvormerken befaßt gewesen sei und diese Tätigkeit - wie das auch stets durchgeführte stichprobenartige Kontrollen durch den ausgewiesenen Vertreter ergeben hätten - seit vielen Jahren äußerst gewissenhaft und ohne jede Klage bewerkstelligt habe, habe jedoch aufgrund einer nicht vorhersehbaren gesundheitlichen Unpäßlichkeit statt des 26. August 1997 den 26. September 1997 vorgemerkt, den Akt abgelegt und erst am 24. September 1997 zur Ausarbeitung der Beschwerde wieder vorgelegt. Bei Ausarbeitung der Beschwerde habe der ausgewiesene Vertreter aufgrund seines gedrängten Terminkalender übersehen, daß die Frist zur Einbringung der Beschwerde bereits abgelaufen sei. Dies sei ihm erst im Rahmen eines Telefonates am 7. Oktober 1997 signifikant ins Auge gesprungen; die Frist des § 46 VwGG sei gleichwohl gewahrt. Es müsse darauf hingewiesen werden, daß der Kanzleileiterin ein derartiges Versehen noch nicht unterlaufen sei; vielmehr handle es sich um ein einmaliges Ereignis in ihrer langjährigen Kanzleitätigkeit. Sie gelte insbesondere bei Fristvormerkungen als äußerst gewissenhaft und zuverlässig, wie dies auch stichprobenartige Kontrollen des ausgewiesenen Vertreters in den letzten Jahren ergeben hätten. Es sei daher nicht zuletzt aufgrund eines unvorhergesehenen Klientenbesuches am Tage der Vorsprache der Beschwerdeführer und der dadurch bedingten Abwesenheit des ausgewiesenen Vertreters vom Büro eine Kontrolle seiner getätigten Anweisung nach Rückkehr in die Kanzlei unterblieben und der Akt erst verspätet zur Ausführung der Beschwerde vorgelegt worden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden einer Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht diesem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.

In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, daß die Organisation des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwaltes so einzurichten ist, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird, wobei durch ein entsprechendes Kontrollsystem dafür vorzusorgen ist, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind.

Macht ein Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch darzulegen, daß es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegende Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden.

Nun ist eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Rechtsanwalt nicht zuzumuten, will man nicht seine Sorgfaltspflichten überspannen. Um einen solchen rein manipulativen Vorgang handelt es sich jedoch nicht bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/10/0195, und die hier zitierte hg. Vorjudikatur).

Wenn der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist daher nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmte, sondern diese Bestimmung - dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zufolge - seiner Kanzleileiterin überließ, so wäre es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls oblegen, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren. Daß der Rechtsvertreter dieser Pflicht nachgekommen wäre, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet, sondern vielmehr eingeräumt, daß eine Kontrolle der Anweisung, die sechswöchige Beschwerdefrist im Kalender vorzunehmen (auch nach Rückkehr des Rechtsvertreters von einem Klientenbesuch in die Kanzlei), unterblieben sei.

Soweit im Antrag auf stichprobenartige Kontrollen der Fristenvormerkungen hingewiesen wird, ist den Beschwerdeführern entgegenzuhalten, daß solche Kontrollen schon ihrem Wesen nach nicht geeignet sind, um Fehler bei der kalendermäßigen Bestimmung von Rechtsmittelfristen aller Voraussicht nach auszuschließen.

Umstände, denen zufolge das Unterbleiben der - im übrigen nicht näher konkretisierten - Kontrolle im vorliegenden Fall auf ein (geringfügiges) Versehen zurückzuführen wäre, werden im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan. Vielmehr unterblieb nach den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag diese Kontrolle letztlich, weil sich der Rechtsvertreter auf seine zuverlässige Kanleileiterin verließ.

Damit aber kann keine Rede davon sein, daß es sich bei dem, den Rechtsvertreter und damit die Beschwerdeführer an der Versäumung der Beschwerdefrist treffenden Verschulden um einen nur minderen Grad des Versehens handle.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

Damit war auch die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

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