VwGH 2001/21/0091

VwGH2001/21/009124.1.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des M, geboren am 2. Jänner 1959, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. April 2001, Zl. Fr 6055/00, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs2;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs2;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Aufhebung des mit Bescheid vom 27. November 1996 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Das gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz 1992 erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot sei im Wesentlichen auf die rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers gegründet worden. Dieser sei am 4. Oktober 1984 nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen, am 30. Oktober 1984 nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen, am 25. März 1985 nach den "§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 und 107 Abs. 1 StGB" zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten, am 8. September 1992 nach § 125 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen und am 25. November 1992 nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB zu einer Zusatzstrafe von vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Weiters sei er legal (gemeint: illegal) ohne Personaldokument nach Österreich eingereist und habe sich hier nicht rechtmäßig aufgehalten. Am 8. September 2000 habe er durch seine Ehefrau einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes mit der Begründung gestellt, dass die Verurteilungen nunmehr schon acht Jahre zurücklägen und er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr straffällig geworden sei. Außerdem sei er nun gemäß § 49 FrG begünstigter Drittstaatsangehöriger, weil seine Ehefrau und seine Tochter österreichische Staatsangehörige seien. Für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes habe der Antragsteller Umstände vorzubringen, die nach rechtskräftiger Erlassung des Aufenthaltsverbotes eingetreten seien, und darauf hinzuweisen, dass sich die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, drastisch geändert hätten oder gar weggefallen seien. Diese Umstände könnten sich insbesondere auf die familiären Komponenten nach § 37 FrG beziehen, aber auch auf die Tilgung einer Verurteilung. Im Übrigen stünde aber eine inzwischen eingetretene Tilgung einer Berücksichtigung der den Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten im Rahmen der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens nicht entgegen. Sämtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers schienen nach wie vor im Strafregister auf. Daher sei jedenfalls auch weiter von einer Gefährdungsprognose auszugehen. Auch könne es nicht als zweckmäßig erscheinen, wenn im November 1996 gegen ihn auf Grund der Verurteilungen ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei und dieses somit nach einer Dauer von nicht einmal fünf Jahren wieder aufgehoben würde, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlägen. In diesem Sinn könne der lange Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes, aber auch seine Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen sowie die Existenz eines gemeinsamen 1991 geborenen Kindes nicht zu seinen Gunsten ausschlagen, weil diese Sachverhalte bereits vor Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes vorgelegen seien und somit keine Änderung in seinem Privat- und Familienleben darzustellen vermögen. Da auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet werde, sei das Aufenthaltsverbot auch nach § 48 Abs. 1 FrG zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Behörde nach dieser Bestimmung mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 98/21/0438).

Da der Ehefrau des Beschwerdeführers nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, ist der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger nach § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG, weshalb die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nach § 48 Abs. 1 FrG zu prüfen ist. Ergänzend sind die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann. Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221/EWG - dessen Umsetzung § 48 Abs. 1 FrG dient - darf bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Person ausschlaggebend sein. Nur bei Vorliegen einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ist ein Aufenthaltsverbot nach § 48 Abs. 1 FrG zulässig. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 99/21/0339.)

Der Beschwerdeführer wurde - wie dargestellt - in den Jahren 1984, 1985 und 1992 zu Geldstrafen von 40, 60 und 240 Tagessätzen und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten sowie einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten (als Zusatzstrafe) verurteilt. Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie das den genannten Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht festgestellt hat. Aus diesem Grund ist dem Verwaltungsgerichtshof eine Prüfung des angefochtenen Bescheides dahin, ob eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers zu bejahen ist, nicht möglich. Bei dieser Beurteilung wird der Umstand einzubeziehen sein, wie lang das letzte Fehlverhalten des Beschwerdeführers bereits zurückliegt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Jänner 2002

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