VwGH 98/21/0438

VwGH98/21/043830.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des A, geboren am 10. Februar 1956, vertreten durch Dr. Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 9. September 1998, Zl. Frb-4250a-104/98, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §36;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. Jänner 1997 verhängte die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1992 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Diesem lag im Wesentlichen zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. Mai 1992 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz in Verbindung mit § 12 dritter Fall StGB, des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z. 2 Waffengesetz und des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 Finanzstrafgesetz in Verbindung mit § 11 dritter Fall Finanzstrafgesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und einer Geldstrafe von S 1,400.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Monate) verurteilt worden war. Der Beschwerdeführer, der selbst nicht süchtig sei, habe aus reiner Gewinnsucht gehandelt. Sein Handel mit Heroin lasse die rücksichtslose Bereitschaft erkennen, um seines eigenen Vorteils willen den Tod oder zumindest immense Gesundheitsschädigungen einer Vielzahl von anderen Menschen, insbesondere von Jugendlichen, in Kauf zu nehmen. Der 1973 nach Österreich gezogene Beschwerdeführer lebe hier mit seiner Ehefrau und drei Kindern.

Am 2. Februar 1998 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes mit der Begründung, dass er mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens in Österreich zugebracht habe und das Aufenthaltsverbot nach dem Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, unzulässig sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass auch nach dem FrG die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, weil insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität erfahrungsgemäß eine hohe Rückfallquote bestehe. Die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen seien nach wie vor gegeben und hätten sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Der Beschwerdeführer befinde sich derzeit in Haft. Auch an den privaten Interessen des Beschwerdeführers habe sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes nichts Maßgebliches geändert. Die Kinder seien bereits erwachsen und somit nicht mehr vom Vater abhängig.

§ 38 Abs. 1 Z. 4 FrG treffe auf den Beschwerdeführer nicht zu, weil dieser erst im Alter von 17 Jahren nach Österreich gekommen und somit nicht von klein auf im Inland aufgewachsen sei. Das Aufenthaltsverbot sei auch in Ansehung des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Für - auf das Fremdengesetz BGBl. Nr. 838/1992 gegründete - Aufenthaltsverbote, die vor dem Inkrafttreten des FrG mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, normiert § 114 Abs. 3 leg. cit. Folgendes:

"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."

Es kommt also darauf an, ob der zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG diese Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Verhängung gerechtfertigt hätte. Zweifellos liegt auch im Anwendungsbereich des Fremdengesetzes 1997 die Unterbindung schwerster Suchtgiftkriminalität im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und im Interesse der Gesundheit anderer (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. März 2001, Zl. 98/21/0294). Auch unter der - in der Beschwerde im Übrigen nicht relevierten - Annahme, dass der Beschwerdeführer über die im Assoziationsratsbeschluss (ARB) EWG-Türkei Nr. 1/80 eingeräumten Rechte verfüge, wäre das Aufenthaltsverbot nicht rechtswidrig. Gemäß Art. 14 Abs. 1 des genannten Assoziationsratsbeschlusses ist nämlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn dieses - was hier nicht zweifelhaft sein kann - aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Wenn auch gemäß dem zur Auslegung des ARB heranzuziehenden Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein darf und strafrechtliche Verurteilungen allein ohne weiteres diese Maßnahme nicht begründen können, begründete die belangte Behörde die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers allein, sondern mit dem dieser Verurteilung zugrundeliegenden, der schwersten Suchtgiftkriminalität zuzurechnenden Fehlverhalten. Die belangte Behörde folgte zutreffend nicht nur generalpräventiven Erwägungen, sondern auch solchen der Spezialprävention, indem sie auf die hohe Rückfallquote im Bereich der Suchtgiftkriminalität verwies (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 98/21/0294).

Das Schwergewicht der Beschwerde liegt in der Behauptung, dass im Fall des Beschwerdeführers der Tatbestand der Aufenthaltsverfestigung nach § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG erfüllt sei. Dieser Bestimmung zufolge darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. Ein Fremder ist jedenfalls dann langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn er die Hälfte seines Lebens im Bundesgebiet verbracht hat und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 2000/21/0230) kommt dieser Tatbestand bei einer Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich einreist, nicht zum Tragen. Da der Beschwerdeführer erst im Alter von 17 Jahren nach Österreich gekommen ist, würde § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstehen.

Das Aufenthaltsverbot erweist sich somit entgegen der Beschwerdeansicht auch unter fiktiver Geltung des FrG als zulässig.

Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zulässig ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 98/21/0294). Im Hinblick darauf, dass seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein Zeitraum von lediglich ca. eineinhalb Jahren verstrichen ist, kann nicht erkannt werden, inwieweit es zu einer Änderung der für die Prognose ausschlaggebenden Umstände gekommen ist. Dass sich die privaten und familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes entscheidend verstärkt hätten, wird in keiner Weise behauptet. Schon deswegen geht die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe ihre Interessenabwägung nicht ausreichend begründet, ins Leere.

Soweit die Beschwerde auf die vom Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 8. Juli 1998 ausgesprochene bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Fremdenbehörde nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/18/0253) ein Aufenthaltsverbot unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichts ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hat. Zur diesbezüglichen Verfahrensrüge ist anzumerken, dass die Beschwerde nicht darlegt, welche konkreten Feststellungen die belangte Behörde aus dem Straf- und Strafvollzugsakt hätte gewinnen können, die zu einem für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätten führen können.

Aus diesen Erwägungen kann die Ansicht der belangten Behörde, die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und im Hinblick auf das das gegenläufige persönliche Interesse des Beschwerdeführers überwiegende öffentliche Interesse an der Verhinderung schwerster Suchtgiftkriminalität zulässig, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Mai 2001

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