Normen
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Z. 2, und den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:
Der Beschwerdeführer sei mit Strafverfügung vom 9. Mai 1995 wegen des Vergehens des Diebstahls und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG zu einer unbedingten Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Mit Urteil vom 6. September 1995 sei er wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 SGG, mit Urteil vom 20. März 1996 wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG, und mit Urteil vom 8. August 1996 ebenfalls wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG jeweils zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.
Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 21. Oktober 1997 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 SGG, des Vergehens nach § 14a SGG und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei am 7. April 2000 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren erfolgt, wobei über Berufung der Staatsanwaltschaft die Freiheitsstrafe auf drei Jahre erhöht worden sei. Weiters lägen gegen den Beschwerdeführer insgesamt 14 rechtskräftige Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen vor. Durch sein wiederholtes strafbares Verhalten habe der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Ausgehend von seinem bisherigen Verhalten müsse daher auch weiterhin mit derartigen Delikten gerechnet werden. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erfolge auch im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten, insbesondere die damit verbundene Beschaffungs- und Folgekriminalität, sowie im Hinblick auf die Weitergabe des Suchtgiftes an Minderjährige.
Der Beschwerdeführer sei in Österreich geboren worden, habe nur knapp zwei Monate im Bundesgebiet verbracht und sei dann erst im Alter von ca. vier Jahren und zehn Monaten wieder nach Österreich gekommen. Seither halte er sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Da der Beschwerdeführer somit nicht "von klein auf" in Österreich aufgewachsen sei, komme auf ihn die Aufenthaltsverfestigung des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht zur Anwendung. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine ersten beiden Lebensmonate in Österreich verbracht habe, habe auf seine Sozialisation keinen entscheidenden Einfluss. Der Schutz des § 35 Abs. 3 FrG komme ihm ebenfalls nicht zugute, weil er rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei.
Der Beschwerdeführer lebe seit ca. 19 Jahren in Österreich und sei Vater eines unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindes, weshalb mit dem Aufenthaltsverbot ein schwerer Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei. Dem letztgenannten Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer eine namentlich genannte Person mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt habe, indem er ihr Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzt und sie so gewürgt habe, dass sie kaum noch habe atmen können und Todesangst ausgestanden habe. In der Folge habe er sie neuerlich am Hals bis zur Benommenheit gewürgt. Die Freiheitsstrafe sei hinaufgesetzt worden, weil der Beschwerdeführer das Verbrechen rücksichtslos und mit auffallender Brutalität verübt habe. Der Beschwerdeführer habe permanent und schwer gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen und es lasse sich auf Grund des äußerst negativen Gesamtverhaltens keine positive Zukunftsprognose erstellen. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der Schutz der Gesundheit anderer und die Verhinderung der Begehung weiterer strafbarer Handlungen stellten überaus gewichtige öffentliche Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes dar. Insbesondere stellten Suchtgiftdelikte, wenn wie im gegenständlichen Fall Handel mit Minderjährigen betrieben werde, wegen ihrer hohen Sozialschädlichkeit äußerst gefährliche Delikte dar und es sei erfahrungsgemäß bei diesen Delikten auch von einer hohen Rückfallquote auszugehen bzw. sei der Beschwerdeführer zudem bereits einschlägig rückfällig geworden. Obwohl er nach seiner Behauptung erfolgreich eine Drogentherapie absolviert habe, könne auf Grund seines bisherigen Verhaltens ein neuerlicher Rückfall nicht ausgeschlossen werden. Selbst im Licht der vom Beschwerdeführer genannten europarechtlichen Bestimmung (Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG ) wäre die fremdenpolizeiliche Maßnahme zulässig, weil der Beschwerdeführer ein äußerst schweres Fehlverhalten an den Tag gelegt habe. Die integrationsbegründenden Umstände würden dadurch relativiert, dass die soziale Komponente seiner Integration durch sein vielfältiges Fehlverhalten gemindert werde. Unter Berücksichtigung aller Umstände dränge daher das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, sein privates Interesse in den Hintergrund.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht die Beschwerde, die den behördlichen Feststellungen nicht entgegentritt, in erster Linie darin, dass der Tatbestand der Aufenthaltsverfestigung nach § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG im Fall des Beschwerdeführers erfüllt sei. Dieser Bestimmung zufolge darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. Ein Fremder ist jedenfalls dann langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn er die Hälfte seines Lebens im Bundesgebiet verbracht hat und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa den Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) kommt dieser Tatbestand bei einer Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich einreist, nicht zum Tragen. Aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres nach Österreich einreiste, sich aber (kurz) danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht schon im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung - weil eine solche Person nicht in Österreich "aufgewachsen" ist - nicht als erfasst ansehen können. Nach den unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer in Österreich geboren, verbrachte hier seine ersten zwei Lebensmonate und kehrte in der Folge erst im Alter von ca. vier Jahren und zehn Monaten nach Österreich zurück. Diese Rückkehr erfolgte somit erst nach der von der dargelegten Rechtsprechung gezogenen Altersgrenze von vier Jahren. Die genannte Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG steht somit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Daran ändert die Geburt des Beschwerdeführers und der anschließende Aufenthalt in den ersten beiden Lebensmonaten im Inland nichts. Zum einen stellt nämlich das Gesetz in diesem Zusammenhang auf eine im Inland erfolgte Geburt eines Fremden nicht ab, zum anderen spielen - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - die ersten beiden Lebensmonate für eine Sozialisation in keiner Weise eine Rolle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2001, Zl. 2000/21/0180).
Steht somit § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, kann der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein. Es hat zwar die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, indem sie eine einmalige schwere Übertretung des FrG als ausreichend für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG gewertet hat. Angesichts des massiven strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers, das von Körperverletzungen über Suchtgiftdelikte bis zum Verbrechen der Vergewaltigung reicht und letztlich zu Freiheitsstrafen in der Dauer von zwei Jahren und drei Jahren geführt hat, unterliegt es aber keinem Zweifel, dass dadurch nicht nur der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG, sondern auch die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme verwirklicht wurde und das Aufenthaltsverbot zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zur Unterbindung der Suchtgiftkriminalität sowie zum Schutz der Gesundheit, der körperlichen und der sexuellen Integrität anderer dringend geboten und somit im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig ist. Unter Berücksichtigung des dargestellten massiven und wiederholten kriminellen Verhaltens des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1995 und der bekanntermaßen hohen Rückfallquote im Bereich der Suchtgiftkriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 2000/21/0034) - die sich vorliegend auch gezeigt hat -, überwiegt das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes das - wenn auch beträchtliche - gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers.
Dieser Beurteilung steht der Beschwerdehinweis auf den Assoziationsratsbeschluss (ARB) Nr. 1/80 und auf die Richtlinie 64/221/EWG nicht entgegen. Gemäß Art. 14 Abs. 1 des ARB Nr. 1/80 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch gegen aus dem ARB berechtigte türkische Staatsangehörige zulässig, wenn dieses - was hier nach dem Gesagten nicht zweifelhaft sein kann - aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Daran ändert die Einbeziehung des Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG zur Auslegung des ARB nichts, demzufolge bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein darf und strafrechtliche Verurteilungen allein ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen können. Vorliegend begründeten nämlich nicht die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers allein die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, sondern sein diesen Verurteilungen zu Grunde liegendes, der Schwerkriminalität zuzurechnendes Fehlverhalten. Dessen Unterbindung liegt gewichtig und unverzichtbar im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Die belangte Behörde folgte - wie sich aus der zitieren Bescheidbegründung ergibt - zutreffend nicht nur generalpräventiven Erwägungen, sondern auch solchen der Spezialprävention, indem sie ausgehend vom bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers mit weiteren derartigen Delikten rechnete. Es steht somit auch die - in der Beschwerde zitierte - auf dem Assoziationsratsbeschluss und der genannten Richtlinie beruhende Rechtsprechung des EuGH zum Erfordernis spezialpräventiver Gründe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht entgegen.
Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. April 2001
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