VwGH 2001/05/0909

VwGH2001/05/090927.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Dr. Paul Meng in Wien, vertreten durch Boller Langhammer Schubert, Rechtsanwälte OEG in Wien I, Kärntner Straße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Juli 2001, Zl. RU1-V-01006/03, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. die Weidlingerstraße 21, Liegenschaftsverwertung Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 17/16, 2. Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §70 Abs2;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §39 Abs3;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §70 Abs2;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §39 Abs3;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,09 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 4. Dezember 2000 hat die mitbeteiligte Bauwerberin ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 14 Wohnungen, einem Geschäftslokal mit ca. 130 m2 und einer Tiefgarage mit 17 Stellplätzen auf dem Grundstück Nr. 2495/3, EZ 1784, KG Klosterneuburg, eingebracht. Das Grundstück des Beschwerdeführers grenzt unmittelbar an das zu bebauende Grundstück an und liegt südlich von diesem.

Mit Bescheid vom 31. Jänner 2001 wurde das Bauvorhaben bewilligt und gleichzeitig ausgesprochen, dass gemäß § 22 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 die Bauverhandlung entfallen könne, da eine Vorprüfung gemäß § 20 leg. cit. ergeben habe, dass das geplante Projekt keinerlei Nachbarrechte nach § 6 Abs. 2 und 3 leg. cit. berühre. Von der Erteilung der Baubewilligung und Unterlassung der Durchführung einer Bauverhandlung wurde der Beschwerdeführer mit Mitteilung des Stadtamtes vom 4. Jänner 2001 informiert; auf Grund eines "Einspruches" gegen die Mitteilung und des Antrages des Beschwerdeführers auf Zuerkennung seiner Parteistellung wurde schließlich mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. April 2001 ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer Parteistellung im genannten Baubewilligungsverfahren zukomme. Am 20. April 2001 wurde dem Beschwerdeführer der Baubewilligungsbescheid zugestellt, der gegen diesen Bescheid Berufung erhob und im Wesentlichen ausführte, es bestehe eine Brandgefährdung, die Gebäudehöhe sowie die Bebauungsdichte seien nicht eingehalten, die Trockenheit und Standsicherheit des Gebäudes des Beschwerdeführers sei infolge eindringender Niederschläge und der Grundwasserveränderung durch das Bauvorhaben nicht gewährleistet, durch das Bauvorhaben würden unzulässige Immissionen herbeigeführt.

Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers hat der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde ein Gutachten des Stadtamtes GA IV/8-Bau- und Feuerpolizei vom 18. Mai 2001 eingeholt. Das Gutachten setzt sich mit den vom Beschwerdeführer gerügten Höhenkoten, der Gebäudehöhe, dem Brandschutz, Immissionen der Tiefgarage und der Standsicherheit auseinander. Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer während des Verfahrens auf Gemeindeebene nicht zur Kenntnis gebracht. Mit Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 30. Mai 2001 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Im Berufungsbescheid ist das Gutachten vom 18. Mai 2001 wörtlich wiedergegeben. Demnach liege eine Verletzung subjektivöffentlicher Rechte des Beschwerdeführers nicht vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hat der Beschwerdeführer die Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit des Gutachtens gerügt. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Juli 2001 hat die belangte Behörde diese Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde teilte die Ansicht des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde, wonach der Beschwerdeführer durch die Bauführung in keinen subjektivöffentlichen Rechten verletzt werde; im Wesentlichen hat sie auf die Begründung des Berufungsbescheides verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist § 6 der NÖ Bauordnung 1996 in der Fassung LGBl. 8200-6 anzuwenden. In Abs. 2 dieser Bestimmung werden die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte taxativ aufgezählt.

Grundsätzlich ist Folgendes festzustellen:

Dem Beschwerdeführer wurden die im Berufungsverfahren auf Gemeindeebene eingeholten Ermittlungsergebnisse entgegen der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG während des Verfahrens nicht zur Kenntnis gebracht, was einen Verfahrensmangel darstellt (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 336 unter E 65 und 66 zitierte hg. Judikatur), durch die erst mit dem Berufungsbescheid erfolgte Mitteilung des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens durch Übernahme des diesbezüglichen Gutachtens in den Bescheid wurde die Verletzung des Parteiengehörs nicht saniert, weil mit der Erlassung des Berufungsbescheides der innergemeindliche Instanzenzug erschöpft war. Bei dieser Sachlage wäre die Aufsichtsbehörde berechtigt und verpflichtet gewesen, entweder selbst den maßgebenden Sachverhalt zu klären oder den Bescheid des Stadtrates zu beheben. Der Verfahrensmangel ist auch insofern wesentlich, als z.B. im Hinblick auf die Ermittlung der Gebäudehöhe unter Berücksichtigung der Ausgangshöhenkoten und der ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9 NÖ BO 1996) der zulässigen bestehenden bewilligten und zukünftig bewilligungsfähigen Gebäude des Beschwerdeführers dieser gehindert war, etwa darzulegen, dass auf seinem Grundstück Gegebenheiten vorherrschen, die der Amtssachverständige anlässlich der Erstellung seines Gutachtens vom 18. Mai 2001 unberücksichtigt gelassen hat, und bei deren Berücksichtigung er allenfalls zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (u.a. andere Höhenkoten auf dem Grundstück des Beschwerdeführers, als im Gutachten angenommen).

Zur Klarstellung sei aber darauf hingewiesen, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers § 49 Abs. 2 NÖ BO für die Ermittlung des ausreichenden Lichteinfalles auf seinem Grundstück nicht herangezogen werden kann, weil diese Bestimmung nur den erforderlichen Abstand zwischen zwei Gebäuden regelt, die auf einem Grundstück errichtet werden und damit die Sphäre des Nachbarn nicht berührt. Die Grundlage für die Berechnung des freien Lichteinfalles zulässiger Gebäude auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers bildet vielmehr § 39 Abs. 3 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung (NÖ BTV 1997), LGBl. 8200/7-0. Diese Bestimmung normiert, dass ein freier Lichteinfall unter 45 Grad gesichert sein muss, dies bei einer seitlichen Abweichung des Lichteinfalles von höchstens 30 Grad . Die im Gutachten vom 18. Mai 2001 bei der Berechnung der zulässigen Gebäudehöhe vorgenommene Verschwenkung des Lichteinfalles von 30 Grad ist daher grundsätzlich zulässig, wobei entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers der Sonnenstand bei der Berechnung des Lichteinfalles nicht zu berücksichtigen ist, weil § 6 Abs. 2 Z. 3 NÖ BO nur auf die ausreichende Belichtung der Hauptfenster abstellt, nicht aber auf ihre Besonnung. Ein Anspruch auf ausreichende Belichtung besteht auch bei nordseitig gelegenen Hauptfenstern, die keiner Besonnung ausgesetzt sind.

Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Bebauungsdichte kommt im Beschwerdefall nicht in Betracht, weil im Bebauungsplan für das zu bebauende Grundstück die Bebauungshöhe (Bauklasse II) und die geschlossene Bebauungsweise ohne hintere Baufluchtlinien festgesetzt ist, weshalb die Frage, ob die Fläche des zu bebauenden Grundstückes mit 979 m2 oder mit 974 m2 anzunehmen ist, ebenso dahingestellt bleiben kann wie die Frage, ob Teile des Kellergeschosses und der Tiefgarage in die Berechnung der Bebauungsdichte hätten einbezogen werden müssen. Die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Bebauungsdichte zitierte hg. Judikatur bezieht sich nicht auf die im Beschwerdefall anzuwendende Rechtslage. Da dem Beschwerdeführer kein subjektivöffentliches Recht auf Einhaltung einer bestimmten Bebauungsdichte zukommt, hat er auch keinen Anspruch darauf, dass die Behörde ein Planungsermessen in einer bestimmten Richtung ausübt.

Hinsichtlich der Standsicherheit und Trockenheit seiner Bauwerke kommt dem Beschwerdeführer, wie er zutreffend ausführt, ein subjektiv-öffentliches Recht zu (§ 6 Abs. 2 Z. 1 NÖ BO 1996). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers räumt die NÖ BO 1996 dem Nachbarn im Baubewilligungsverfahren aber kein Recht dahingehend ein, dass durch die Bauführung keine Veränderung von "Grundwasserströmen" eintritt; in Fragen von Grundwasserveränderungen kommt der Baubehörde keine Zuständigkeit zu, derartige Fragen fallen in die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde. Wie dem dem Baubewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Plan und der Baubeschreibung zu entnehmen ist, werden die Niederschlagswässer in Dachrinnen gesammelt und sodann in den Kanal geleitet, wodurch sich insgesamt eine Verbesserung der durch Niederschläge bedingten Situation ergibt, weil alle Niederschläge, die nunmehr auf die Dachflächen fallen, in den Kanal abgeleitet werden.

Die Anzahl der Abstellanlagen entspricht dem gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (vgl. § 155 Abs. 1 NÖ BTV), die diesbezüglichen Immissionen sind daher vom Nachbarn hinzunehmen, ohne dass es dazu eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen bedarf (vgl. § 6 Abs. 2 Z. 2 NÖ BO 1996). Dasselbe gilt für den Lärm, der sich aus der Benützung des Gebäudes zu Wohnzwecken oder der Abstellanlagen ergibt.

Da das Verfahren auf Gemeindeebene wegen Verletzung des Parteiengehörs ergänzungsbedürftig geblieben ist, die belangte Behörde aber diese Ergänzungsbedürftigkeit nicht erkannt hat, belastete sie ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2002

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