VwGH 2001/21/0062

VwGH2001/21/006222.6.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des M in Graz, geboren am 1. September 1973, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 5. März 2001, Zl. Fr 87/2001, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung gemäß § 75 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §8;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
AsylG 1997 §8;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, ist am 14. Februar 2000 von der Slowakei kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt und stellte am 18. Februar 2000 einen Asylantrag. Zur Begründung brachte er im wesentlichen vor, er sei am 25. März 1997 von den "Taliban Milizen" verhaftet worden und am 10. September 1999 aus dem Gefängnis geflüchtet. Im Hinblick auf seine Ausbildung zum Krankenpfleger in Russland (Ukraine) sei er für einen Kommunisten gehalten worden. Er sei bis 1987 bei einer Jugendorganisation gewesen, die gegen die Mujaheddin und die Taliban gekämpft habe. Im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan würde er hingerichtet werden.

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. März 2000 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen und gemäß § 8 AsylG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wurde rechtskräftig abgewiesen. Das Verfahren in Ansehung einer diesbezüglich erhobenen Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 2001/20/0082 anhängig.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2000 stellte der Beschwerdeführer an die Bundespolizeidirektion Graz den Antrag, "die Fremdenpolizei möge gem. § 75 (1) FrG feststellen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der BW in seinem Heimatland Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu sein bzw. dass dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre". Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer auf einen ihm nunmehr "seit kurzem" vorliegenden Artikel einer afghanischen Zeitung, aus dem sich die Richtigkeit des Vorbringens im Asylverfahren ergäbe und dass sein Leben bei einer "Rückschiebung" in sein Heimatland bedroht wäre. Die Voraussetzungen nach § 75 FrG seien gegeben, weil das entsprechende Beweismittel im Asylverfahren "keine Rücksicht gefunden" habe und somit der Antrag auf neue erhebliche Umstände gestützt werde.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 2. Jänner 2001 wurde dieser Antrag gemäß § 75 Abs. 1 zweiter Satz Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, als unzulässig zurückgewiesen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung bestehe dann keine "Feststellungsverpflichtung" der Fremdenpolizeibehörden, wenn - wie hier - über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliege.

In der dagegen erhobenen Berufung rügt der Beschwerdeführer, die Behörde erster Instanz habe außer Acht gelassen, dass er seinen Antrag auf einen neuen Sachverhalt und auf ein neues Beweismittel gestützt habe, welche nicht Gegenstand der Entscheidung nach § 8 AsylG gewesen seien. Die Behörde hätte daher "nicht formell, sondern materiell rechtlich" entscheiden müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung verwies auch die Berufungsbehörde auf § 75 Abs. 1 zweiter Satz FrG. Danach "gilt nicht", dass die (Fremdenpolizei)Behörde auf Antrag eines Fremden festzustellen habe, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass der Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung die Entscheidung einer Asylbehörde vorliege. Werde - wie hier - trotz Vorliegens einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesasylamtes ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat bei der Fremdenpolizeibehörde eingebracht, so sei dieser Antrag (wegen entschiedener Sache) als unzulässig zurückzuweisen. Daran ändere auch nichts der behauptete Umstand, dass der Antrag auf einen neuen Sachverhalt und auf ein neues Beweismittel gestützt werde. Diesbezüglich verwies die belangte Behörde auf § 75 Abs. 5 FrG, wonach bei einer wesentlichen Änderung des der Entscheidung nach § 75 Abs. 1 FrG zugrunde liegenden maßgebenden Sachverhaltes diese Entscheidung auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern sei. Sie führte dazu weiter aus, daraus könne jedoch eine Zuständigkeit der Fremdenbehörde zur Abänderung einer vom Bundesasylamt gemäß § 8 AsylG rechtskräftig getroffenen Feststellung nicht abgeleitet werden. Zudem bestünde bei Hervorkommen neuer Sachverhalte und neuer Beweismittel zusätzlich die - vom Beschwerdeführer ohnehin auch in Anspruch genommene - Möglichkeit der Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme des (Asyl)Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die für die Entscheidung im vorliegenden Fall maßgebenden Gesetzesbestimmungen lauten:

§ 57 Abs. 1 und 2 FrG:

Verbot der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung

"§ 57. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

§ 8 AsylG:

Non-Refoulement-Prüfung

§ 8. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zur verbinden.

§ 75 Abs. 1 und 2 FrG:

Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen

bestimmten Staat

§ 75. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht.

(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

(5) Der Bescheid, mit dem über einen Antrag gemäß Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, ist auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich dieses Landes anders zu lauten hat. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen von dem Fremden eingebrachten Antrag darf dieser in den betroffenen Staat nur abgeschoben werden, wenn der Antrag offensichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist.

Zu Abs. 1 des § 75 FrG wird in den Gesetzesmaterialien (RV zum FrG, 685 BlgNR. 20. GP, 82), die bereits die belangte Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, Folgendes ausgeführt:

"Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und Verfahrenskonzentration wurde in jenen Fällen, in denen ein Asylantrag abzuweisen ist, das Bundesasylamt gemäß § 8 des Asylgesetzes 1997 damit betraut, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Demgemäß war es erforderlich, für jene Fälle, in denen das Bundesasylamt bereits entschieden hat, die negative Prozessvoraussetzung der entschiedenen Sache gesondert einzubringen. Wird trotz Vorliegens einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesasylamts ein Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat bei der Fremdenpolizeibehörde eingebracht, so ist dieser Antrag als unzulässig zurückzuweisen."

Nach der dargestellten Rechtslage ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass ein bei der Fremdenpolizeibehörde eingebrachter Antrag auf Feststellung nach § 75 Abs. 1 FrG wegen entschiedener Sache (als unzulässig) zurückzuweisen ist, wenn insoweit bereits eine Entscheidung der Asylbehörden nach § 8 AsylG vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/01/0428). Das ist hier unbestritten der Fall. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird auch in der Beschwerde zugestanden.

Die Beschwerde führt aber (neuerlich) ins Treffen, seit der Entscheidung der Asylbehörde habe sich der maßgebende Sachverhalt geändert und es liege dem Beschwerdeführer nunmehr ein zur Stützung seiner Behauptungen geeignetes Beweismittel vor. Daraus folgert der Beschwerdeführer, die Entscheidung der Asylbehörde nach § 8 AsylG stehe einer neuen Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde nach § 75 FrG nicht entgegen. Dem liegt offenbar die Auffassung zu Grunde, die sich aus der Rechtskraft ergebenden Wirkungen eines Bescheides gemäß § 8 AsylG seien nur soweit gegeben, als sich die für die Erlassung eines solchen Bescheides maßgebliche Sach- oder Rechtslage nicht geändert hat (vgl. das hg Erkenntnis vom 18. Mai 1999, Zl. 99/21/0027, mit weiteren Nachweisen). Selbst wenn man aber der Auffasung des Beschwerdeführers beitritt, im Hinblick auf den nach der Bescheiderlassung des Bundesasylamtes erschienenen Artikel einer afghanischen Zeitung (nach der im Asylverfahren vom Beschwerdeführer vorgelegten Übersetzung werde "von allen Mitarbeitern der Islamischen Emiraten von Afghanistan erhofft, dass dieser Mann (der Beschwerdeführer) wieder festgenommen und an die Islamische Regierung übergeben wird, damit er nach den Islamischen Gesetzen bestraft werden kann) habe sich (auch) der maßgebende Sachverhalt geändert, ist daraus für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Vorweg ist klarzustellen, dass kein Fall des § 75 Abs. 5 FrG vorliegt, weil von der Fremdenpolizeibehörde (noch) keine Entscheidung nach § 75 Abs. 1 FrG getroffen wurde, die abgeändert werden könnte. Nach § 75 Abs. 2 FrG kommt eine - vom Beschwerdeführer angestrebte meritorische - Entscheidung nach § 75 Abs. 1 FrG aber nur dann in Betracht, wenn der Antrag während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht wurde. Die vom Beschwerdeführer vorliegend beantragte Non-Refoulement-Prüfung durch die Fremdenpolizeibehörden käme demnach nur dann in Betracht, wenn eine aufenthaltsbeendende Maßnahme konkret droht. Das ist aber hier nach der Aktenlage nicht der Fall, weil gegen den Beschwerdeführer weder ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung noch eines Aufenthaltsverbotes eingeleitet wurde. Vielmehr ergibt sich aus dem Verwaltungsakt (Auszug aus der Fremdeninformationsdatei des Bundesministeriums für Inneres vom 16. März 2001), dass dem Beschwerdeführer seit 18. September 2000 eine (zuletzt bis 14. Juni 2001 befristete) vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG zuerkannt wurde.

Der vorliegende Antrag wurde daher von der belangten Behörde jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen, sodass eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht gegeben ist. Der Beschwerde musste somit ein Erfolg versagt bleiben. Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nach § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG entbehrlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994

Wien, am 22. Juni 2001

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