Normen
AVG §8;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
GewO 1994 §359b Abs1 idF 2000/I/088;
GewO 1994 §359b Abs4 idF 2000/I/088;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §8;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
GewO 1994 §359b Abs1 idF 2000/I/088;
GewO 1994 §359b Abs4 idF 2000/I/088;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 15.000,--, zusammen somit S 30.000,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den angefochtenen Bescheiden hat der Landeshauptmann von Oberösterreich die Berufungen des Beschwerdeführers gegen die - von der Bezirkshauptmannschaft Perg jeweils unter Vorschreibung von Auflagen erfolgte - gewerbebehördliche Genehmigung gemäß § 77 GewO 1994 eines Textilmarktes (Bescheid vom 7. November 2000) und eines Frisörsalons (Bescheid vom 6. November 2000) abgewiesen und gemäß § 359b Abs. 1 und Abs. 4 GewO 1994 festgestellt, dass die jeweils verfahrensgegenständliche Betriebsanlage nicht dem Abschnitt 8a der GewO 1994 betreffend die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen unterliege und ihren Standort in einem Gebiet habe, das nach den für die Widmung der Liegenschaften maßgebenden Rechtsvorschriften überwiegend oder ausschließlich gewerblichen Tätigkeiten diene und in den nach diesen Vorschriften das Errichten und Betreiben bzw. Ändern der Anlage zulässig sei.
In den im Wesentlichen gleichlautenden Begründungen dieser Bescheide führte die belangte Behörde dazu jeweils aus, dass das Grundstück, auf dem die Betriebsanlage errichtet werden solle, nach dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Perg als "Gebiet für Geschäftsbauten mit gemischtem Warenangebot bis zu einer Gesamtverkaufsfläche von max. 6.000 m2" ausgewiesen sei. Bei der jeweiligen Betriebsanlage handle es sich nicht um eine Anlage, die dem Abschnitt 8a der GewO 1994 unterliege. Die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß § 359b Abs. 4 iVm Abs. 1 GewO 1994 seien somit gegeben. Der Beschwerdeführer sei zwar zur Erhebung der Berufung berechtigt, weil er jeweils im von der Behörde erster Instanz durchgeführten Verfahren gemäß § 356 GewO 1994 Parteistellung erlangt habe, im von der Berufungsbehörde durchgeführten vereinfachten Verfahren komme ihm jedoch gemäß § 359b Abs. 1 vorletzter Satz leg. cit. keine Parteistellung zu. Es sei ihm vielmehr lediglich ein Anhörungsrecht eingeräumt. Der Schutz der öffentlichen Interessen obliege der Behörde von Amts wegen. Aus dem der Behörde erster Instanz im jeweiligen Verfahren zur Verfügung gestandenen schalltechnischen Gutachten ergebe sich, dass von der jeweils gegenständlichen Anlage keine unzumutbare Lärmbelästigung von Nachbarn ausgehe.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit den Anträgen, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über diese beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden.
Mit dem in den vorliegenden Beschwerdesachen ergangenen hg. Beschluss vom 24. Jänner 2001, Zlen. A 2001/25, 2001/26, wurde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG der Antrag gestellt, den vorletzten Satz des Absatzes 1 ("Nachbarn (§ 75 Abs. 2) haben keine Parteistellung.") und den gesamten Absatz 4 des § 359b Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994, idF BGBl. I Nr. 88/2000, als verfassungswidrig aufzuheben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen.
Mit Erkenntnis vom 24. September 2001, G 98/01 u.a. Zlen., hat der Verfassungsgerichtshof § 359b Abs. 4 GewO 1994 in der genannten Fassung aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Juli 2002 in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten, den Antrag jedoch im übrigen (hinsichtlich des vorletzten Satzes des Absatzes 1 von § 359b GewO 1994) abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof führte - wie schon im Erkenntnis vom 3. März 2001, G 87/00, mit dem ausgesprochen worden war, dass § 359b Abs. 4 GewO idF BGBl. I Nr. 63/1997 verfassungswidrig gewesen sei - aus, er bezweifle nicht, dass nach dem Konzept des § 359b Abs. 1 GewO 1994 den Nachbarn bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein (verfassungsrechtlich zulässiges) vereinfachtes Betriebsanlagengenehmigungsverfahren keine Parteistellung, sondern prinzipiell nur ein Anhörungsrecht zukommen solle. Die Einfügung des Satzes "Nachbarn (§ 75 Abs. 2) haben keine Parteistellung." in diesen Absatz durch die Novelle BGBl. I Nr. 88/2000 stelle lediglich eine Klarstellung dieser Rechtslage dar. Hinsichtlich der davon zu unterscheidenden Frage, ob die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens überhaupt vorlägen, komme Nachbarn hingegen eine eingeschränkte Parteistellung zu. Dies ergebe sich aus der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 359b Abs. 1 GewO 1994 und werde durch die Einfügung des genannten Satzes nicht berührt, vor allem nicht ausgeschlossen (siehe des Näheren die beiden zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes).
Da der Beschwerdeführer als Nachbar somit in den Verfahren, die zur Erlassung des angefochtenen Bescheides geführt haben, (beschränkte) Parteistellung hatte, ist er zur Erhebung der vorliegenden Beschwerden legitimiert.
Den Beschwerden kommt auch Berechtigung zu:
Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist (für das Außerkrafttreten) gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Dies bedeutet für die vorliegenden Anlassfälle, dass die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 359b Abs. 4 GewO 1994 auf sie nicht anzuwenden ist. Die belangte Behörde hat ihre auf diese Bestimmung gestützten Bescheide daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. November 2001
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