VwGH 2000/20/0467

VwGH2000/20/046722.2.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerden des A in Wien, geboren am 18. März 1975, vertreten durch Dr. Christiane Bobek, Rechtsanwältin in 1150 Wien, Mariahilfer Straße 140/2/15, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10. August 2000, Zl. 213.115/15-VII/19/00, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 6 Z 3 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6 Z4;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6 Z4;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein aus Israel (dem Gaza Streifen) stammender Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe, betrat seinen Angaben vor dem Bundesasylamt Graz am 7. Juni 1999 zufolge am 14. Mai 1999 unter Umgehung der Grenzkontrolle das Bundesgebiet und stellte am 20. Mai 1999 einen Asylantrag.

Nach den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt Traiskirchen am 22. Juli 1999 habe er hingegen erst am 15. Juli 1999 das Bundesgebiet betreten und erst am 16. Juli 1999 einen Asylantrag gestellt.

Aus einem Aktenvermerk des Bundesasylamtes Traiskirchen vom 26. August 1999 über die Nichtdurchführung der Einvernahme des Beschwerdeführers an diesem Tag geht hervor, dass der Beschwerdeführer an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes trotz Aufforderung nicht mitgewirkt habe.

Das Bundesasylamt gelangte zur Überzeugung, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers offensichtlich unbegründet sei und wies diesen mit Bescheid vom 30. August 1999 gemäß § 6 Z 4 AsylG als offensichtlich unbegründet ab. Zugleich sprach es aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Israel gemäß § 8 AsylG zulässig sei.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der er vorbrachte, er habe der Ladung zur Einvernahme vor dem Bundesasylamt Folge geleistet, sei jedoch an diesem Tag übermüdet gewesen und habe sich krank gefühlt. Er habe um eine Verschiebung des Termins gebeten, um ein faires Verfahren zu erhalten. Sein Asylantrag sei daher nicht offensichtlich unbegründet.

Die belangte Behörde führte eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in der der Beschwerdeführer unter anderem über spezifische geographische und topographische Verhältnisse in dem von ihm angegebenen Herkunftsland befragt wurde. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

"VL: Aus welchem Grund hat der BW Israel bzw. den Gaza Streifen verlassen?

BW: Ich habe 4 Jahre lang in Israel in den zwei oben genannten Orten gearbeitet. Am 1.6.1999 bin ich zurück nach Khan Yunus und mein Vater hat seinen Grundbesitz an seine Söhne aufgeteilt. Am 15.6.1999 habe ich meinen Grundanteil an einen Palästinenser verkauft. Diese Person entpuppte sich als Spitzel der Israelis. Die Organisation Hamas hat mich, wegen des Verkaufs an diesen Spitzel, aufgesucht. Ich fand unter unserer Haustüre einen Brief, in welchem stand, dass ich aufgesucht werden und umgebracht werden soll.

Dieser israel. Spitzel (welcher auch ein Palästinenser ist) flüchtete nach Israel nachdem er meinen Grund gekauft hat. Da der Spitzel weg war, versuchte die Hamas nun auf mich zu greifen.

Ca. 5 oder 6 Tage nachdem ich den genannten Brief erhalten hatte, bin ich wie bereits geschildert aus dem Gaza Streifen geflüchtet.

VL: Aus welchem Grund soll die Hamas am BW persönlich irgendein Interesse gehabt haben - hat der BW selbst ja nur seinen Grundanteil verkauft?

BW: Der israel. Spitzel wird den Grundanteil weiter an einen Israeli verkaufen. In den Augen der Hamas ist der Verkauf von paläst. Boden an Israelis bereits ein 'Verrat'.

VL: Der BW hat seinen Grundanteil an einen Palästinenser (der sich dann als israel. Spitzel entpuppte), nicht aber an einen Israeli verkauft. Wenn die Hamas irgendetwas wegen des angeblichen 'Verrats' unternehmen wollten, so muss doch das Hauptinteresse der Hamas an diesem Palästinenser gelegen sein (und nicht beim BW).

BW: Unter vielen Palästinensern insbesondere der Hamas besteht die Auffassung, dass sich jeder Mann, der etwas verkaufen will, vorher erkundigen muss, dass es sich bei dem zukünftigen Käufer nicht um einen Israeli oder um einen israel. Spitzel handelt. Wer sich vor einem Verkauf nicht ausreichend darüber vergewissert, wird in den Augen der Hamas als Mittäter angesehen.

VL: War dies der einzige Grund des BW, den Gaza Streifen zu verlassen?

BW: Ja. Das war der einzige Grund.

VL: Hat er oder irgendein Familienmitglied jemals Probleme

mit den israel. Behörden gehabt bzw. war irgendjemand von seiner

Familie jemals in israel. Haft?

BW: Beide Fragen muss ich verneinen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 und Z 4 AsylG ab und sprach (neuerlich) aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Israel gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die belangte Behörde qualifizierte das Vorbringen des Beschwerdeführers, wegen eines Grundstücksverkaufs an einen "israelischen Spitzel" durch die Terrororganisation "Hamas" verfolgt zu werden, als gänzlich unglaubwürdig und verwies in der Beweiswürdigung auf zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben des Beschwerdeführers und seine Unkenntnis über die lokalen Verhältnisse seines angeblichen Heimatstaates.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers als offensichtlich unglaubwürdig zu werten gewesen sei, weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Z 3 AsylG erfüllt seien. Selbst wenn die Angaben des Beschwerdeführers jedoch zutreffen sollten, hätte sich der Beschwerdeführer unter den Schutz der palästinensischen Autonomiebehörden oder der israelischen Behörden stellen können.

Die Refoulement-Entscheidung begründete die belangte Behörde damit, dass der Beschwerdeführer keine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG habe glaubhaft machen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Die Beschwerde bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde und beanstandet, der Beschwerdeführer sei nur am Rande nach der konkreten Bedrohungssituation in Israel befragt worden. Er verfüge nur über eine rudimentäre Schulbildung. Er habe die an ihn in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Fragen falsch verstanden. Seine Antworten seien falsch interpretiert worden. Er habe sich in einem Zustand extremer psychischer Anspannung befunden.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer nicht angibt, wieso diese Umstände für den Ausgang des Verfahrens relevant wären, sind alle diese Argumente auch nicht geeignet, die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die nur einer eingeschränkten Überprüfbarkeit durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG wiedergegebene Rechtsprechung) zu erschüttern. Der angefochtene Bescheid zeigt die Schwachstellen und Widersprüche der Angaben des Beschwerdeführers im Einzelnen auf und zog daraus sowohl mit den Denkgesetzen als auch mit dem menschlichen Erfahrensgut in Einklang stehende Schlussfolgerungen. Es kann daher auch dahin gestellt bleiben, wie der Widerspruch aufzuklären wäre, dass der Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt, in dem er in Israel angeblich sein Grundstück an einen Palästinenser verkaufte (15. Juni 1999), nach den Angaben in seiner ersten Einvernahme bereits längst (nämlich seit dem 14. Mai 1999) in Österreich weilte. Im Einklang mit den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer auch selbst in der mündlichen Berufungsverhandlung auf die Frage, was er denn im Falle seiner Rückschiebung nach Israel konkret befürchte, zur Antwort gegeben:

"Ich habe nichts zu befürchten".

Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde geltend, dass die belangte Behörde gegen die amtswegigen Ermittlungspflichten gemäß § 28 AsylG verstoßen habe. Die Beschwerde unterlässt es jedoch, konkret anzuführen, welche zusätzlichen Ermittlungsschritte hätten unternommen werden müssen und auf welche Weise die belangte Behörde dadurch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Beschwerdeführer verabsäumte damit, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 616 f).

In der mündlichen Berufungsverhandlung verneinte der Beschwerdeführer die Frage, ob er oder irgendein Familienmitglied jemals Probleme mit den israelischen Behörden gehabt habe bzw. dass irgendjemand seiner Familie jemals in israelischer Haft gewesen sei. Das nunmehrige Vorbringen der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer seiner rechtsfreundlichen Vertreterin gegenüber "durchaus glaubhaft die Willkür sowie die Verfolgungs- und Bedrohungssituation geschildert" habe, der der Beschwerdeführer in Israel durch die israelischen Behörden ausgesetzt gewesen sei, wobei er insbesondere auf eine zwei Jahre andauernde Inhaftierung hingewiesen habe, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Die belangte Behörde ist im Sinne der Rechtsprechung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Z 3 AsylG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0446) ihrer Pflicht zu einer beweiswürdigenden Gesamtbetrachtung nachgekommen und ist unter Entwicklung eigener Überlegungen zur nachvollziehbaren Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Beschwerdeführers im Sinne des § 6 Z 3 AsylG offensichtlich den Tatsachen nicht entsprechen. Diese rechtliche Beurteilung ist in Anbetracht des vorliegenden Beweisverfahrens und der Beweisergebnisse zutreffend.

In Ermangelung des Nachweises einer dem Beschwerdeführer in Israel drohenden Gefahr kann der belangten Behörde auch in ihrer rechtlichen Schlussfolgerung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Israel im Sinne des § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 und 2 FrG nicht entgegengetreten werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 2001

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