VwGH 2000/18/0124

VwGH2000/18/012413.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des ST in St. Johann i.T., geboren am 11. Dezember 1980, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 4. Mai 2000, Zl. III 4033-40/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
VwRallg;
FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 4. Mai 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei in Österreich geboren und habe sich bis zum zweiten oder dritten Lebensjahr in Österreich aufgehalten. Seit 1991 halte er sich wieder erlaubt im Bundesgebiet auf.

Er habe im Oktober 1997 zwei "Joints" sowie in der Zeit zwischen Herbst 1997 und Juli 1998 in fünf bis sechs Fällen eine unbekannte Anzahl von "Joints" konsumiert (§ 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG)). Die deshalb erstattete Anzeige sei am 8. Februar 1999 von der Staatsanwaltschaft Innsbruck gemäß § 35 Abs. 1 SMG für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgelegt worden.

Am 21. August 1998 habe er vor einer Diskothek mit F. gerauft und diesen durch Schläge ins Gesicht und - als dieser bereits am Boden gelegen sei - durch Fußtritte gegen den Körper vorsätzlich schwer am Körper verletzt (Nasenbeinbruch, Prellungen am Körper; §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB). Die wegen dieser Tat erstattete Anzeige sei von der Staatsanwaltschaft Innsbruck am 5. August 1999 nach außergerichtlichem Tatausgleich gemäß §§ 6 und 7 Jugendgerichtsgesetz (JGG) zurückgelegt worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. März 1999 sei er wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 2. Oktober 1998 den K. dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt habe, dass er ihn durch seine Angaben vor der Gendarmerie, in der Zeit von Herbst 1997 bis Frühjahr 1998 in zwei oder drei Fällen von ihm "Haschisch-Joints" erhalten zu haben, des von Amts wegen zu verfolgenden mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach § 27 Abs. 2 Z. 1 SMG falsch verdächtigt habe, wobei der Beschwerdeführer gewusst habe, dass diese Verdächtigung falsch sei. Gemäß § 13 JGG sei der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorbehalten worden. Gemäß § 22 Z. 2 JGG sei Bewährungshilfe angeordnet worden.

Mit Urteil vom 7. Oktober 1999 sei er vom Landesgericht Innsbruck wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und Z. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten und einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden, weil er mit zwei Mittätern am "24./25.4.1999" dem E. (Aral-Tankstelle) Bargeld, Zigaretten und Telefonwertkarten im Gesamtwert von S 34.200,-- durch Einbruch in ein Gebäude und an einem anderen Ort dem G. (Aral-Tankstelle) Bargeld in der Höhe von S 3.300,-- durch Einbruch in ein Gebäude und Aufbrechen von Behältnissen (Schubladen) gestohlen habe. Gemäß § 50 StGB sei neuerlich Bewährungshilfe angeordnet worden.

Das Gesamt-Fehlverhalten der Jahre 1997 bis 1999 zeige die negative Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung deutlich. Es entstehe der Eindruck, dass dieser nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG dar. Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei gegeben. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot aber nicht im Grund des § 37 Abs. 1 FrG unzulässig. Die sich im Gesamtfehlverhalten manifestierende Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen mache die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten.

Der Beschwerdeführer verfüge entsprechend der Dauer seines inländischen Aufenthaltes über eine gute Integration und intensive private Bindungen. Er habe ab 1991 im Bundesgebiet zunächst die Volksschule, dann die Hauptschule und dann den Polytechnischen Lehrgang besucht. Danach habe er eine Lehre als Kellner in einem namentlich genannten Hotel absolviert, wo er weiterhin als Kellner beschäftigt sei. Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers seien sehr gut. Eine intensive familiäre Bindung bestehe zu den im Bundesgebiet gut integrierten Eltern, in deren Haushalt der Beschwerdeführer lebe. Der Beschwerdeführer sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. Die privaten und familiären Interessen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen daher schwer, jedoch - im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu (schweren) Straftaten - höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß §§ 38 und 35 FrG komme beim Beschwerdeführer nicht zum Tragen, insbesondere stehe § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nichts entgegen, weil der Beschwerdeführer nicht von klein auf in Österreich aufgewachsen sei. Der Beschwerdeführer habe nach seiner Geburt nur bis zum zweiten oder dritten Lebensjahr bei seinen Eltern in Österreich gelebt. In der Folge sei er bei seinen Großeltern in Jugoslawien aufgewachsen. Er habe in den Sommerferien 1988, 1989 und 1990 zwar seine Eltern in Österreich besucht, sei jedoch erst wieder 1991 als fast Elfjähriger auf Dauer zu seinen Eltern zurückgekehrt und seither ununterbrochen hier niedergelassen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beginne die Einübung in die sozialen Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises, wie sie für den Schutzzweck des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG maßgeblich sei, erst etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres. Ein Fremder, der sich als Dreijähriger für längere Zeit ins Ausland begebe, sei daher nicht schon im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet die beiden rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen und die diesen zu Grunde liegenden Straftaten nicht. Die belangte Behörde hat darüber hinaus auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer Suchtgift konsumiert und eine schwere Körperverletzung begangen hat. Da die diesbezüglichen Anzeigen zurückgelegt worden sind, hat die belangte Behörde ein Fehlverhalten, für das der Beschwerdeführer nicht gerichtlich verurteilt worden ist, festgestellt (und in der Folge ihrer Beurteilung zugrunde gelegt). Da die Fremdenpolizeibehörde die Frage, ob gegen einen Fremden aufgrund seines Fehlverhaltens ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, eigenständig zu lösen hat, bestehen - entgegen der Beschwerdemeinung - keine Bedenken gegen eine derartige Vorgangsweise (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Feber 2001, Zl. 2000/18/0089).

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass wegen der genannten Straftaten Anzeigen erstattet worden sind, von denen eine am 8. Februar 1999 gemäß § 35 SMG und die andere nach außergerichtlichem Tatausgleich gemäß §§ 6 und 7 JGG zurückgelegt worden ist. Er bestreitet jedoch, die den Inhalt dieser Anzeigen bildenden Straftaten begangen zu haben.

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Vernehmung am 11. Mai 1999 im gegenständlichen Verfahren Folgendes zu Protokoll gegeben:

"Ich weiß, dass ich inzwischen dreimal straffällig wurde, wobei hinsichtlich des Suchtgiftvergehens und der Verleumdung jeweils von einer Strafe abgesehen worden und eine Probefrist von zwei Jahren festgelegt worden ist.

Die Körperverletzung wurde im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleiches geregelt und ich muss S 20.000,-- in monatlichen Raten zu S 2.000,-- Schadenersatzzahlungen bzw. Schmerzensgeld zahlen."

Damit hat er zugestanden, ein "Suchtgiftvergehen" und eine Körperverletzung begangen zu haben.

Die Erstbehörde hat u.a. den Inhalt der genannten Anzeigen und die Tatsache der Zurücklegung der Anzeigen als "fremdenpolizeilich relevante(n) Tatsachen und Vorkommnisse" festgestellt und gemeint:

"Der von Ihnen in fremdenpolizeilicher Hinsicht zu vertretende Sachverhalt, wie er vorstehend im Detail dargelegt wurde, erfüllt die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes."

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat sie die Ansicht vertreten, dass das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers und die "offenkundig sozialschädlichen Neigungen zur Negierung österreichischer Rechtsvorschriften, wie sie im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung beschrieben wurden, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten erscheinen lassen". Daraus ergibt sich deutlich, dass bereits die Erstbehörde das den Inhalt der genannten Anzeigen bildende Fehlverhalten ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat. In der Berufung hat der Beschwerdeführer die Begehung dieser Straftaten nicht bestritten. Er hat vielmehr ausgeführt, dass ihm die begangenen Straftaten Leid täten und er versuche, die Schäden wieder gut zu machen.

Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer habe die den Inhalt der zurückgelegten Anzeigen bildenden Straftaten nicht begangen, stellt daher eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Bei einem Fremden, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war (§ 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG), muss nach der hg. Judikatur die vom gerichtlich strafbaren Verhalten ausgehende Gefährdung allein geeignet sein, das Aufenthaltsverbot zu tragen (vgl. das in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0258). Diese Rechtsprechung macht es entgegen der Beschwerdemeinung vorliegend schon deshalb nicht unzulässig, das Fehlverhalten, für das der Beschwerdeführer nicht verurteilt wurde, zu berücksichtigen, weil dieser selbst nach dem Beschwerdevorbringen erst seit 2. Mai 1991 wieder ununterbrochen in Österreich aufhältig ist und somit auch im Zeitpunkt der Begehung der Verleumdung am 2. Oktober 1998, für die er rechtskräftig verurteilt worden ist, die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 FrG nicht erfüllte.

2.1. Nach dem bei den Verwaltungsakten erliegenden Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Oktober 1999 war für die diesem Urteil zugrunde liegenden Straftaten des Beschwerdeführers - unter gleichzeitigem nachträglichem Strafausspruch zum Urteil vom 24. März 1999 - eine Freiheitsstrafe in der Dauer von rund sieben Monaten schuld- und tatangemessen. Anstelle eines Teiles dieser Freiheitsstrafe wurde jedoch (gemäß § 43a Abs. 2 StGB) eine Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen verhängt und im Hinblick darauf der verbleibende Teil der Freiheitsstrafe von vier Monaten bedingt nachgesehen. Da somit tatsächlich keine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten (§ 36 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FrG) verhängt worden ist und auch kein anderer Fall des § 36 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. erfüllt ist, hat die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot zu Recht nicht auch auf die Verwirklichung des Tatbestandes gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gestützt.

2.2. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 99/18/0020, mwN) setzt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedoch nicht zwingend voraus, dass eine der in § 36 Abs. 2 FrG genannten Tatsachen gegeben ist; vielmehr kann ein Aufenthaltsverbot gemäß § 36 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe - ohne die Voraussetzungen der in § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufzuweisen - die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigen.

Vorliegend hat der Beschwerdeführer von Oktober 1997 bis Juli 1998 ein nach dem SMG strafbares Verhalten gesetzt. Kurz danach hat er am 21. August 1998 einen anderen durch Schläge in das Gesicht und Fußtritte gegen den Körper vorsätzlich schwer am Körper verletzt. Nach wiederum nur sehr kurzer Zeit ist er am 2. Oktober 1998 neuerlich straffällig geworden. Diesmal hat er einen anderen verleumdet und somit eine "strafbare Handlung gegen die Rechtspflege" begangen. Obwohl ihm durch die deswegen erfolgte Verurteilung am 24. März 1999 das Unrecht seines Verhaltens vor Augen geführt worden ist, hat er bereits am 24. bzw. 25. April 1999, also nur einen Monat danach, zwei Tankstelleneinbrüche begangen und dabei eine erhebliche Geldsumme erbeutet. Diese Aufeinanderfolge von mehreren Straftaten sowie der rasche Rückfall nach der ersten Verurteilung zeigen, dass vom Beschwerdeführer eine große Gefahr für die maßgeblichen öffentlichen Interessen ausgeht. Aufgrund der somit vorliegenden "triftigen Gründe" im Sinn der zitierten Judikatur kann die Ansicht der belangten Behörde, die in § 36 Abs. 1 Z. 1 umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers, seine im Inland abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung, seine Berufstätigkeit und seine guten Deutschkenntnisse berücksichtigt. Weiters hat sie ihm zugute gehalten, dass er mit seinen gut integrierten Eltern in Haushaltsgemeinschaft lebt. Der 19 1/2-jährige Beschwerdeführer hat nicht nur die gesamte Zeit seit 1991, sondern auch die ersten Lebensjahre sowie mehrmals die Ferienzeit (siehe dazu auch unten 4.), somit jedenfalls deutlich mehr als die Hälfte seines Lebens im Inland verbracht. Daraus resultieren, insbesondere aufgrund der Schul- und Berufsausbildung, der Berufsausübung (weiterhin beim früheren Lehrherrn) und der festgestellten familiären Bindungen, sehr große persönliche Interessen am Verbleib im Inland. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde haben diese persönlichen Interessen ein so großes Gewicht, dass sie die - wenn auch schwer wiegenden - dargestellten öffentlichen Interessen überwiegen. Von daher kann der Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht beigepflichtet werden.

4. Hinzugefügt sei, dass gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG, wonach ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden darf, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, stehe der Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, keine Bedenken bestehen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Frage, welches Lebensalter der Wendung "von klein auf" zu subsumieren ist, maßgeblich auf die Integration in das in Österreich gegebene soziale Gefüge sowie auf die Kenntnis der deutschen Sprache an. Die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises - wie sie für die vom Schutzzweck des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG geforderte Vertrautheit mit dem sozialen Gefüge maßgeblich ist - beginnt aber aus dem Blickwinkel der Sozialisation des Kindes etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres, wobei jedoch die Abgrenzung zum vorangehenden Lebensabschnitt fließend ist. Die genannte altersmäßige Abgrenzung ist auch aus entwicklungspsychologischer Sicht von Bedeutung, wird doch die "Phase der ersten Verselbständigung" - das ist das Stadium, in dem Kinder auch familienfremde Erzieher akzeptieren, mit anderen Kindern Freundschaften anbahnen, Spiele spielen, sich ins Gruppenleben integrieren und somit ihren Lebensbereich über ihre unmittelbare familiäre Sphäre hinaus ausdehnen können - mit etwa drei Jahren erreicht. Vor diesem Hintergrund ist die besagte Wendung so zu deuten, dass sie jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommen kann. Aber auch eine Person, die zwar vor Vollendung ihres vierten Lebensjahres nach Österreich einreiste, sich aber (kurz) danach wieder für längere Zeit ins Ausland begeben hat und somit nicht schon im Kleinkindalter sozial in Österreich integriert wurde, wird man von dieser Regelung - weil eine solche Person nicht in Österreich "aufgewachsen" ist - nicht als erfasst ansehen können. (Vgl. den hg. Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150, und das hg. Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244, mwN).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich geboren. Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat er im zweiten oder dritten Lebensjahr Österreich verlassen. Nach den Feststellungen der Behörde erster Instanz hat er die ersten zwei bis drei Lebensjahre in Österreich verbracht und ist "als Dreijähriger" wieder nach Jugoslawien gebracht worden. Auch nach dem Beschwerdevorbringen ist der Beschwerdeführer "als Dreijähriger" von Österreich nach Jugoslawien übersiedelt. Er hat somit Österreich jedenfalls vor Vollendung des vierten Lebensjahres verlassen, somit zu einem Zeitpunkt, in dem er - wenn überhaupt - erst ganz am Beginn der "Phase der ersten Verselbständigung" und der damit verbundenen Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises stand. Insofern unterscheidet sich sein Fall wesentlich von jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0136, zugrunde lag. Der Beschwerdeführer in dem genannten Verfahren wurde auch in Österreich geboren, ist jedoch erst im Alter von fünfdreiviertel Jahren, somit zu einem Zeitpunkt, in dem seine Sozialisation außerhalb des engen Familienkreises bereits wesentlich weiter fortgeschritten war, aus Österreich ausgereist.

Nach seiner Ausreise nach Jugoslawien hat der Beschwerdeführer zumindest etwa sieben Jahre - abgesehen von Ferienaufenthalten in Österreich - in seiner Heimat verbracht. Erst seit 2. Mai 1991 befindet er sich wieder in Österreich. Der in Juogslawien verbrachte Zeitraum umfasst die gesamte Kindergarten- und Volksschulzeit. Er fiel daher - ebenso wie ein etwa gleich langer Heimataufenthalt, der nahezu die gesamte Pflichtschulzeit umfasst (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0112) - in eine für das Vertrautwerden mit der Sprache, Kultur und den sonstigen Verhältnissen des Heimatlandes wichtige Lebensphase. Mangels anderer Anhaltspunkte ist beim Beschwerdeführer daher anzunehmen, dass er die Sprache seiner Heimat beherrscht und mit den Gegebenheiten dieses Landes gut vertraut ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer von klein auf in Österreich aufgewachsen ist.

5. Aufgrund der oben 3. aufgezeigten Verkennung der Rechtslage war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. März 2001

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