Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §70;
BauO Wr §73;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §16 Abs5;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §70;
BauO Wr §73;
ZustG §16 Abs2;
ZustG §16 Abs5;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 10. Juli 1998 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 70 und 73 Bauordnung für Wien die Baubewilligung erteilt, abweichend von dem mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25. Juli 1994 bewilligten Bauvorhaben Änderungen betreffend die Raumeinteilungen und Raumwidmungen sowie die Kanalführung und die Neigung der Garagenrampe vorzunehmen. Der erstinstanzliche Bescheid ist dem Beschwerdeführer nach dem im Akt befindlichen Zustellschein am 20. Juli 1998 im Wege der Ersatzzustellung an einen Mitbewohner der Abgabestelle in Wien XXIII, Elisenstraße 10, zugestellt worden.
Der Beschwerdeführer ist Grundmiteigentümer, er erhob mit Schreiben vom 28. Dezember 1998 (Postaufgabedatum gleichfalls 28. Dezember 1998) Berufung dagegen.
Die Berufungsbehörde befasste in der Folge den Beschwerdeführer mit dem Umstand der verspäteten Berufung. Der Beschwerdeführer nahm dazu in der Weise Stellung, es sei zwar richtig, dass die Bevollmächtigung seines Vertreters im Verfahren zur Zl. MA 37/23-Elisenstraße 14/4022/97 bekannt gegeben worden sei. Es handle sich dabei um ein Verfahren zur Bewilligung eines Planwechsels betreffend das gleiche Bauvorhaben wie das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende. Die gegenständlichen Plandokumente seien bis auf geringe Abweichungen ident mit jenen, die Grundlage des angefochtenen Bescheides seien. Diese Vollmacht habe sich daher auch auf das vorliegende Verfahren bezogen. Eine Zustellung an einen an einer Abgabestelle anwesenden Ersatzempfänger sei überdies nur zulässig, wenn an den Empfänger nicht zugestellt werden könne und der Zusteller Grund zur Annahme habe, dass sich der Empfänger regelmäßig an dieser Abgabestelle aufhalte. Der Ersatzempfänger habe gemäß § 16 Abs. 2 ZustellG eine erwachsene Person zu sein. Im vorliegenden Fall sei der bekämpfte Bescheid am 20. Juli 1998 von seiner Tochter übernommen worden. Im Zeitpunkt der Übernahme des zuzustellenden Schriftstückes sei seine Tochter erst 15 Jahre alt gewesen. Da sie weder über das besondere Verantwortungsgefühl einer erwachsenen Person verfüge, welches typisches Merkmal des Erwachsenseins sei, noch ein entsprechendes Alter aufweise, habe die Zustellung nicht wirksam erfolgen können. Die Zustellung sei daher auch aus diesem Grund nicht wirksam. Überdies habe sich der Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum für mehr als drei Tage durchgehend auf Reisen befunden und sei somit von der Abgabestelle abwesend gewesen, weshalb die Zustelladresse ihren Charakter als Abgabestelle mangels regelmäßigen Aufenthalt des Empfängers verloren habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen.
Die belangte Behörde hielt sein Vorbringen im Wesentlichen mit der Begründung für nicht berechtigt, dass dem vorliegenden Bauverfahren, das mit Antrag der Bauwerberin vom 25. März 1998 eingeleitet worden sei, nicht entnommen werden könne, dass ein Bevollmächtigter bestellt worden sei. Für die Baubehörde erster Instanz habe auch keinerlei Veranlassung bestanden, das Vorhandensein einer Bevollmächtigung zu vermuten, da die diesem Verfahren zu Grunde liegenden Pläne vom nunmehrigen Beschwerdeführer selbst und nicht von einem bevollmächtigten Vertreter unterfertigt worden seien. Das vom Beschwerdeführer zitierte Schreiben vom 11. Dezember 1997 habe ein anderes Bauverfahren betroffen, das mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 13. Jänner 1998 rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Es sei ein Ansuchen um Benützungs- und Planwechselbewilligung gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen worden, da unter anderem der Nachweis der Zustimmung des Beschwerdeführers als Grundmiteigentümer zu den beantragten Baumaßnahmen gefehlt habe. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers handle es sich jedenfalls um zwei getrennte Verfahren, da auch durch einen Bescheid gemäß § 13 Abs. 3 AVG ein Parteiantrag zur Gänze erledigt werde und die Behörde durch einen solchen Bescheid ihrer Entscheidungspflicht nachkomme. Die in dem anderen Bauverfahren abgegebene Bevollmächtigung sei daher im vorliegenden Bauverfahren nicht rechtswirksam gewesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich eine Bevollmächtigung nur auf das jeweilige Verfahren, in dem sich der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen habe, nicht jedoch auf andere bei der Behörde bereits anhängige oder anfallende Verfahren. Zur Wirksamkeit der Zustellung an die 15 1/2- jährige Tochter des Beschwerdeführers sei auszuführen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 16 Abs. 2 ZustellG Erwachsensein im Sinne dieser Norm nicht die Großjährigkeit, wohl aber die Mündigkeit voraussetze. Bei der Tochter des Beschwerdeführers habe es sich zum Zeitpunkt der Ersatzzustellung um eine Minderjährige gehandelt, die sich nach den Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches selbstständig durch Vertrag - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - zu Dienstleistungen verpflichten könnte. Nach Ansicht der Berufungsbehörde könne somit bei einer über 15-jährigen Person auch ein entsprechendes Verantwortungsbewusstsein vorausgesetzt werden, zumal ein nicht unerheblicher Prozentsatz dieser Altersgruppe auch bereits im Berufsleben stehe. Sechszehnjährige seien von der Judikatur bereits als erwachsen qualifiziert worden. Die geringe Körpergröße könne in diesem Zusammenhang für die Beurteilung der Erwachsenheit nicht von entscheidender Bedeutung sein. Wenn der Beschwerdeführer letztlich undifferenziert darauf verweist, er habe sich zum Zeitpunkt der Ersatzzustellung mehr als 3 Tage durchgehend auf Reisen befunden, sei festzustellen, dass mit der bloßen Behauptung einer Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung nicht dargetan werden könne. Weiters ergebe sich aus § 16 Abs. 5 ZustellG, dass die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam werde. Es bestehe jedenfalls nach der Aktenlage kein Hinweis darauf, dass der Charakter als Abgabestelle durch eine lang andauernde Abwesenheit des Beschwerdeführers verloren gegangen wäre. Dass der Zusteller Grund zur Annahme hätte haben müssen, dass sich der Beschwerdeführer nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte, habe der Beschwerdeführer jedenfalls nicht behauptet.
In der Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG i.d.F. vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet ein Rechtsanwalt oder Notar ein, so ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er mit Schreiben vom 11. Dezember 1997 in einem anderen Bauverfahren, das ein Ansuchen um Benützungs- und Planwechselbewilligung betreffend das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben betroffen hat, die Bevollmächtigung des nunmehrigen Beschwerdevertreters bekannt gegeben habe. Auch wenn die verfahrensgegenständliche Vollmacht zu dem in diesem Zeitpunkt anhängigen Bauverfahren zum Akt genommen worden sei, hätte die Behörde davon ausgehen müssen, dass die Bevollmächtigung auch im unmittelbar anschließenden, die gleiche Angelegenheit betreffenden Verwaltungsverfahren aufrecht sei. Bei dem anschließenden Verfahren, in dem der erstinstanzliche Bescheid ergangen sei, könne keinesfalls von einem völlig unterschiedlichen Verfahren gesprochen werden, es sei auch keine Generalvollmacht vorgelegen. Es handle sich um einen neuerlich beantragten Planwechsel der Baubewilligung. Es hätte eine Nachforschungspflicht der Behörde bestanden, ob die Bevollmächtigung auch für das vorliegende Bauverfahren gelte. Eine Bevollmächtigung für mehrere Verfahren sei, wenn ein innerer Verfahrenszusammenhang bestehe, nicht ausgeschlossen (es wird auf das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 90/10/0035, verwiesen).
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Vollmacht auch für andere Verfahren über bereits schwebende oder erst später anhängig werdende Rechtsangelegenheiten als erteilt anzusehen ist, ist gemäß der hg. Judikatur (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Juni 1990, Zl. 90/10/0035, und vom 19. Jänner 1995, Zl. 93/09/0410) entscheidend, ob ein so enger Verfahrenszusammenhang besteht, dass von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden kann. Ist dies nicht der Fall, dann kommt es darauf an, ob eine Parteienerklärung vorliegt, die so gedeutet werden kann, dass auch das jeweilige weitere oder andere Verfahren von der Vertretungsbefugnis des für das Erstverfahren Bevollmächtigten erfasst sein soll. Bei der Zustellung von verwaltungsbehördlichen Erledigungen ist nach der hg. Judikatur (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 90/10/0035) von einem engen Begriff der "selben Angelegenheit" auszugehen. Nur in besonderen Verfahrenskonstellationen wird im gegebenen Zusammenhang auch ein Verfahren als von der Zustellungsvollmacht miterfasst angesehen, das unter dem Gesichtspunkt des § 66 Abs. 4 und des § 68 Abs. 1 AVG nicht als dieselbe Sache bezeichnet werden könnte. Die belangte Behörde hat sich, ausgehend von der nicht zutreffenden Auffassung, dass sich eine (auch die Zustellung von Schriftstücken umfassende) Bevollmächtigung immer nur auf das jeweilige Verwaltungsverfahren bezieht, mit der Frage des Vorliegens eines derartig engen Verfahrenszusammenhanges im Sinne der dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht auseinander gesetzt. Bei dem früheren Verfahren hat es sich - wie dies dem vorliegenden Akt entnommen werden kann - um ein Ansuchen um Benützungs- und Planwechselbewilligung betreffend das mit Bescheid vom 25. Juli 1994 bewilligte Bauvorhaben gehandelt. Das Bauansuchen des verfahrensgegenständlichen Bauverfahrens betraf gleichfalls ein Ansuchen um Benützungs- und Planwechselbewilligung bezüglich desselben bewilligten Bauvorhabens, das die Änderung von Raumeinteilungen und Raumwidmungen durch das Versetzen von Scheidewänden sowie die Änderung der Kanalführung und der Neigung der Garagenrampe zum Gegenstand hatte. Aus diesen aus den vorgelegten Akten ersichtlichen Daten ergibt sich nicht, dass ein solcher enger Verfahrenszusammenhang offensichtlich zu verneinen wäre. Es kann weiters auch auf den Wortlaut der erteilten Bevollmächtigung ankommen. Auch diesbezüglich hat die belangte Behörde jegliche Auseinandersetzung unterlassen. Die Baubehörde hat die in Frage stehende Bevollmächtigung nicht als Beweismittel beigeschafft, sie findet sich daher auch nicht in dem vorgelegten Verwaltungsakt.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Dem sonstigen Vorbringen des Beschwerdeführers zu der Frage der verspäteten Berufung käme im Übrigen keine Berechtigung zu.
So macht der Beschwerdeführer weiters geltend, dass die an seine 15-jährige Tochter erfolgte Ersatzzustellung gemäß § 16 Abs. 2 ZustellG nicht wirksam gewesen sei, weil es sich dabei nicht um eine "erwachsene" Person im Sinne dieser Bestimmung handle. Seine Tochter verfüge nicht über das besondere Verantwortungsgefühl einer erwachsenen Person. Seine Tochter sei ein kleines Mädchen, das besonders jung und zierlich aussehe, sodass auch von daher nicht auf ihre Erwachsenheit geschlossen werden könne.
Gemäß § 16 Abs. 1 ZustellG darf, wenn die Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, von diesem zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Ersatzempfänger kann gemäß § 16 Abs. 2 ZustellG jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.
Gemäß der hg. Judikatur (siehe das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1988, Zl. 88/17/0232, und vom 19. Juni 1990, Zl. 89/04/0276) setzt "Erwachsenheit" (früher im Sinne des § 23 Abs. 2 AVG, nunmehr im § 16 Abs. 2 ZustellG) zwar Mündigkeit, nicht aber Großjährigkeit voraus. Mündigkeit ist gemäß § 21 Abs. 2 ABGB mit 14 Jahren gegeben. Diese Voraussetzung hätte die Tochter des Beschwerdeführers erfüllt.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass die Ersatzzustellung deshalb nicht habe wirksam sein können, weil er sich im Zeitpunkt der Zustellung mehr als 3 Tage durchgehend auf Reisen befunden habe. Die Zustelladresse hätte somit mangels regelmäßigen Aufenthaltes des Empfängers ihren Charakter als Abgabestelle verloren.
Diesem Vorbringen hat die belangte Behörde zutreffend entgegengehalten, dass die bloße Behauptung der Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel das Vorliegen einer unwirksamen Ersatzzustellung nicht begründen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 1990, Zl. 89/02/0201, und vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/03/0170).
Da der angefochtene Bescheid allein die Frage aufwirft, ob die vorgenommene Zurückweisung der Berufung rechtmäßig ist, war auf das weitere inhaltliche Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Bauverfahren nicht einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war aus dem aufgezeigten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. Jänner 2001
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