Normen
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.500,--, insgesamt daher S 37.500,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer (die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sind Kinder des Erstbeschwerdeführers) gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet aus.
Diese Bescheide begründete sie annähernd gleichlautend wie folgt: Der Erstbeschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Ehefrau und der Zweitbeschwerdeführerin am 17. September 1991 "über die grüne Grenze" nach Österreich eingereist. Sein Asylantrag sei mit letztinstanzlichem Bescheid vom 22. August 1995 abgewiesen worden. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1997 sei seine Beschwerde gegen diesen Asylbescheid als unbegründet abgewiesen worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Erstbeschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung besessen; seit 14. Mai 1997 halte er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Auch der Asylantrag seiner Ehefrau sei gemeinsam mit den Anträgen der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin rechtskräftig abgewiesen worden. Diese hielten sich seit 10. November 1996, nach Ablauf ihrer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dieser unrechtmäßige Aufenthalt sei als derart schwerwiegend zu qualifizieren, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Form einer Ausweisung dringend erforderlich sei. Es widerspreche der Absicht des Fremdengesetzes, dass sich Fremde über Jahre hinweg unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten könnten und es somit zu einer groben Missachtung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen über einen längeren Zeitraum hinweg komme. Die Ausweisung stelle das einzige taugliche und adäquate Mittel zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes dar, insbesondere auch deshalb, weil die Beschwerdeführer keinerlei Anzeichen zeigten, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Die belangte Behörde sehe sich außer Stande, bei Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens von der Ausweisung abzusehen.
Auch die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und Mutter der Zweitbeschwerdeführerin und der (hier im Jahr 1992 geborenen) Drittbeschwerdeführerin halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dieser unrechtmäßige Aufenthalt von Familienangehörigen könne nicht nach § 37 Abs. 1 FrG geltend gemacht werden. Wäre dem nicht so, könnte jeder Fremde seine Familie illegal nach Österreich nachkommen lassen und sich dann auf einen längeren unrechtmäßigen Aufenthalt der Familie stützen. Vielmehr hätte die Familie der Beschwerdeführer nach Verlust der Aufenthaltsberechtigungen unverzüglich das Land verlassen müssen. Familiäre Beziehungen zu Personen, die nicht zum engsten Kreis der Verwandtschaft gehörten, seien nur im Fall eines Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt vom Schutzbereich des Familienlebens im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG umfasst. Die Beschwerdeführer hätten während des Asylverfahrens niemals ein auf Dauer gesichertes Aufenthaltsrecht gehabt, weshalb dieser Aufenthalt "nicht besonders günstig" gewertet werden könne. Auch bei Bejahung eines maßgeblichen Familien- und Privatlebens im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG wäre die Ausweisung, wenn der Fremde trotz eines negativen letztinstanzlichen Asylbescheides im Inland verbleibe, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die Beschwerdeführer hätten nicht mit einem ständigen Aufenthalt in Österreich rechnen dürfen. Aus negativ beschiedenen Asylanträgen könnten Fremde niemals Umstände ableiten, die nach § 37 Abs. 1 FrG zu berücksichtigen wären, weil sich diese ansonsten durch Stellung aussichtsloser Asylanträge den Aufenthalt verschaffen könnten. Eine Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG sei nicht vorzunehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde lässt die Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführer nach Abweisung ihrer Asylanträge unrechtmäßig in Österreich aufhielten, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen bestehen gegen die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 33 Abs. 1 zweiter Halbsatz FrG erfüllt sei, keine Bedenken.
Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Diesbezüglich verweist die Beschwerde auf den von der belangten Behörde berücksichtigten langjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich, auf die - aktenkundige - Tatsache, dass die Drittbeschwerdeführerin in Österreich geboren ist und auf die (ärztlichen) Ausbildungsvorhaben des Erstbeschwerdeführers und seiner Ehefrau in Österreich.
Zweifellos liegt auf Grund dieser Umstände ein mit der Ausweisung verbundener relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG vor, wie dies die belangte Behörde - wenn auch nur in eventu - angenommen hat.
Wenn auch grundsätzlich den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Einhaltung durch den Normadressaten ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 98/21/0498) und das Gewicht der aus dem langjährigen Aufenthalt der Beschwerdeführer in Österreich abzuleitenden Integration dadurch gemindert ist, dass dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1999, Zl. 98/18/0230), müssen vorliegend die für die Integration der Beschwerdeführer sprechenden Umstände gebührend berücksichtigt werden. So hält sich der Erstbeschwerdeführer - wie erwähnt - bereits lange Zeit in Österreich auf, die Zweitbeschwerdeführerin lebt offenkundig seit ihrem dritten Lebensjahr - somit schon in der Sozialisierungsphase eines Kleinkindes - in Österreich und ist hier schulisch integriert, die Drittbeschwerdeführerin ist in Österreich geboren.
Für die Beurteilung der Integration eines Fremden in Österreich kommt unter den hier gegebenen Umständen der Frage Bedeutung zu, auf welche Weise dieser seinen Lebensunterhalt bestreitet. Im Rahmen der Prüfung des Grades der Integration hätte die belangte Behörde dieser Frage nachgehen und diesbezügliche Feststellungen treffen müssen, zumal - wie dargelegt - starke Argumente für eine umfassende Integration der Beschwerdeführer sprechen.
Der aufgezeigte Verfahrensmangel ist relevant, weil unter Bedachtnahme auf die übrigen Umstände der Integration nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Anwendung des § 37 Abs. 1 FrG zu einem für die Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangen könnte.
Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b) VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. März 2001
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