VwGH 98/03/0321

VwGH98/03/032114.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Stöberl, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der O GmbH in Bromberg, vertreten durch Dr. Helmut Steiner, Dr. Thomas Weber, Dr. Friedrich Bubla und Dr. Christian Falkner, Rechtsanwälte in Baden, Kaiser-Franz-Ring 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 6. Mai 1997, Zl. 242.199/1-VI/4/97, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erteilung der Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie (mitbeteiligte Parteien: 1. E Ges.m.b.H. in N, 2. Stadtwerke Wiener Neustadt in Wiener Neustadt, 3. M Ges.m.b.H. in K, 4. N Gesellschaft mbH in L, 5. B Gesellschaft mbH in W, 6. Ö Aktiengesellschaft in W, alle vertreten durch Schneider & Schneider Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stephansplatz 8a, und 7. N GesmbH in N), zu Recht erkannt:

Normen

KflG 1952 §4 Abs1 Z4 idF 1994/819;
KflG 1952 §4 Abs1 Z5 litb;
KflG 1952 §4 idF 1994/819;
KflG 1952 §4 Abs1 Z4 idF 1994/819;
KflG 1952 §4 Abs1 Z5 litb;
KflG 1952 §4 idF 1994/819;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 7. Mai 1994 beantragte die beschwerdeführende Partei die Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer Kraftfahrlinie auf einer näher beschriebenen Strecke.

Gegen diesen Antrag wurde von mehreren Verkehrsunternehmen im Wesentlichen gleich lautend "unter Hinweis auf § 4 Z. 5 lit. c KflG" Einspruch erhoben und ausgeführt, die - im Einzelnen genannten - Verbundunternehmen seien überein gekommen, einen adäquaten Verkehr im Rahmen des "NBV" zu errichten, zu erweitern und zu betreiben. In der Folge wurde ein Gemeinschaftsfahrplan vorgelegt und gemäß § 10 Abs. 3 KflG angezeigt, dass die Durchführung dieser Fahrten durch die N-Bus erfolgen werde.

Über behördliche Aufforderung, "eine Detaillierung und Spezifizierung der Angaben" zu § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG vorzunehmen, brachten die im Einzelnen genannten Verkehrsunternehmen vor, die von der beschwerdeführenden Partei beantragte Kraftfahrlinie sei in ihrem kompletten Verlauf streckengleich mit dem Gemeinschaftsverkehr, der gemeinsam von ihnen betrieben werde; über die erzielten Einnahmen und verursachten Aufwendungen sei ein Aufteilungsschlüssel festgelegt und gleichzeitig vereinbart worden, welches Unternehmen die einzelnen Kurse bediene. Der Kostendeckungsgrad des Gemeinschaftsverkehrs liege derzeit bei 119,77 %. Bei einer Konzessionserteilung an die beschwerdeführende Partei werde von den Verkehrsunternehmen eine Halbierung ihrer Einnahmen erwartet; der Kostendeckungsgrad werde dadurch auf 59,89 % sinken. Durch die Einrichtung des Gemeinschaftsverkehrs sei es den beteiligten Unternehmen gelungen, die vorhandenen Einsparungs- und Rationalisierungsmöglichkeiten zur Gänze zu nutzen. Eine weitere Erhöhung des Kostendeckungsgrades sei nicht möglich. Bei einer Konzessionserteilung an die beschwerdeführende Partei würde die Führung des Gemeinschaftsverkehrs unwirtschaftlich, die beteiligten Unternehmen wären gezwungen, den Betrieb mangels Wirtschaftlichkeit einzustellen.

In ihrer im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Stellungnahme hielt die beschwerdeführende Partei dagegen, die Bildung des Gemeinschaftsverkehrs durch die erwähnten Verkehrsunternehmen verstoße gegen Kartell- wie Gemeinschaftsrecht, § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG verstoße gegen Gemeinschaftsrecht.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. Oktober 1996 wurde der Konzessionsantrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 und Z. 5 lit. b KflG abgewiesen. Begründend wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen ausgeführt, die betroffenen Unternehmen hätten den Ausschließungsgrund gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG geltend gemacht und diesen ausführlich und durch Zahlen untermauert dargelegt. Abgesehen davon, dass die Strecken deckungsgleich seien, enthalte der Antrag der beschwerdeführenden Partei für die relevanten Kurse ein zeitlich ebenfalls praktisch deckungsgleiches Angebot. Es sei daher den Einwänden der betroffenen Verkehrsunternehmen zu folgen, wenn sie eine Halbierung ihres Fahrgastaufkommens und daher auch ihrer Einnahmen befürchteten. Der Kostendeckungsgrad würde sich tatsächlich nahezu halbieren und daher die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellen. Die einzig schützende Auflage, die vorgeschrieben werden könnte, wären Bedienungsverbote, die aber letztlich die gesamte Linie umfassen müssten, weil die beantragte Linie bereits zu 100 % abgedeckt werde; dadurch würde die Erteilung der beantragten Konzession jedoch ad absurdum geführt. Überdies hätte die beschwerdeführende Partei in gleicher Weise ebenfalls nur mit der Hälfte des vorhandenen Fahrgastaufkommens zu rechnen, sodass auch die Konzessionsvoraussetzung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 4 KflG nicht vorliege. Im Übrigen habe es die beschwerdeführende Partei unterlassen, zum Einwand einer ruinösen Konkurrenzierung Stellung zu nehmen.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung und brachte vor, § 4 Abs. 1 Z. 5 KflG sei aus näher dargelegten Gründen verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig, die Bildung des Gemeinschaftsverkehrs darüber hinaus ein Verstoß gegen das Kartellgesetz und gegen Gemeinschaftsrecht.

Mit Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 6. Mai 1997 wurde die Berufung abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten Rechtswidrigkeiten lägen aus näher dargestellten Gründen nicht vor. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit sei mit Gesetzesvorbehalt ausgestattet. Dies bedeute für einen Kraftfahrlinienunternehmer, dass er gegen ein konkurrierendes Ansuchen den Ausschließungsgrund gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG geltend machen könne, wenn er in der Führung seiner Linie einschneidend beeinträchtigt würde, im Allgemeinen also dann, wenn er einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleide. Dies sei bei einem Kostendeckungsgrad von nur ca. 60 % durchaus glaubhaft.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 1998, B 1510/97, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Oktober 1998, B 1138/98, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Kraftfahrliniengesetzes 1952, (KflG), BGBl. Nr. 84 i.d.F. BGBl. Nr. 819/1994, ist Kraftfahrlinienverkehr die regelmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen durch Personenkraftverkehrsunternehmer in einer bestimmten Verkehrsverbindung, wobei Fahrgäste an vorher festgesetzten Haltestellen aufgenommen oder abgesetzt werden können. Der Kraftfahrlinienverkehr ist ungeachtet einer etwaigen Verpflichtung zur Buchung für jedermann zugänglich.

Gemäß § 1 Abs. 3 KflG bedarf der Kraftfahrlinienverkehr nach Abs. 1 einer Konzession, der Kraftfahrlinienverkehr mit Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Abs. 1 bedarf einer dieser gleich zu haltenden Genehmigung.

Gemäß § 4 Abs. 1 KflG ist die Erteilung der Konzession (u.a.) davon abhängig, dass

Z. 4 die Art der Linienführung eine zweckmäßige und wirtschaftliche Befriedigung des in Betracht kommenden Verkehrsbedürfnisses gewährleistet und Z. 5 das Unternehmen auch sonst öffentlichen Interessen nicht zuwider läuft. Dieser Ausschließungsgrund liegt insbesondere dann vor, wenn

a) die neue Kraftfahrlinie auf Straßen durchgeführt werden soll, die sich aus Gründen der Verkehrssicherheit oder wegen ihres Bauzustandes für diesen Verkehr nicht eignen, oder

b) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich die neue Linie ganz oder teilweise fällt, zu gefährden geeignet ist, oder

c) der beantragte Kraftfahrlinienverkehr einer dem öffentlichen Bedürfnis mehr entsprechenden Ausgestaltung des Verkehrs durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich die neue Linie ganz oder teilweise fällt, vorgriffe und einer von diesen die notwendige Verbesserung der Verkehrsbedienung innerhalb einer von der Konzessionsbehörde festzusetzenden angemessenen Frist von höchstens sechs Monaten vornimmt.

Die beschwerdeführende Partei bestreitet die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Annahme der belangten Behörde, die Strecke der von ihr beantragten Kraftfahrlinie sei bereits durch bestehende Kraftfahrlinien von Verkehrsunternehmen abgedeckt, nicht. Sie bringt vielmehr vor, zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung habe diese Streckenführung der betroffenen Verkehrsunternehmen noch nicht bestanden, sie sei vielmehr erst als Reaktion auf den Konzessionsantrag der beschwerdeführenden Partei angeboten worden. Die belangte Behörde hätte daher nicht auf die wirtschaftliche Beeinträchtigung der betroffenen Verkehrsunternehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG abstellen dürfen. Statt zu prüfen, ob ein Ausschlussgrund im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG vorliege, hätte sie prüfen müssen, ob ein Ausschlussgrund im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. c KflG vorliege, was nicht der Fall sei.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen einer Konzessionserteilung im Sinne des § 4 KflG vorliegen, die Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich ist; auf die im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich gegebenen Verhältnisse kommt es - mangels einer dies anordnenden Rechtsvorschrift - jedoch nicht an.

Die Versagung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Konzession wäre daher nicht als rechtswidrig zu beanstanden, stünde auf Grund eines mängelfreien Verfahrens fest, dass der Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - in sachverhaltsmäßiger Hinsicht erfüllt ist; § 4 Abs. 1 Z. 4 KflG erlaubt keine isolierte Betrachtung des Verkehrsbedürfnisses, sondern lediglich dessen Mitberücksichtigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1995, Zl. 92/03/0134, und die dort zitierte Judikatur).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 95/03/0145, und die dort zitierte Vorjudikatur), liegt eine Gefährdung der Erfüllung von Verkehrsaufgaben im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b KflG nur dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmen in der Führung seiner Linie einschneidend beeinträchtigt wird, im Allgemeinen also dann, wenn es einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleidet. Anhaltspunkte für die Beurteilung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes im Sinne der genannten Bestimmung ergeben sich dabei aus Ermittlungen und Feststellungen über den Fahrgastausfall, der im Bereich einer konzessionierten Linie durch die Erteilung einer neuen Kraftfahrlinienkonzession zu erwarten ist.

In diesem Punkt hat sich die belangte Behörde allerdings - anders als in dem von den mitbeteiligten Parteien erwähnten und mit hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 89/03/0232, entschiedenen Fall - mit den nicht näher begründeten Angaben der betroffenen Verkehrsunternehmen, bei einer Konzessionserteilung an die beschwerdeführende Partei sei eine Halbierung der Einnahmen und eine Absenkung des Kostendeckungsgrades auf 59,89 % zu erwarten, begnügt. Konkrete Zahlen, wie viele Fahrgäste durch den Betrieb der beantragten Linie den betroffenen Verkehrsunternehmern jeweils verloren gingen (zum Begriff der Verkehrsunternehmer vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 26. Jänner 2000) und wie sich dies auf deren Einnahmen auswirken würde, wurden nicht erhoben.

Dem angefochtenen Bescheid mangelt solcher Art eine konkrete, nachvollziehbare Grundlage für die Auffassung, die beantragte Kraftfahrlinie sei sachverhaltsmäßig geeignet, die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmer, in deren Verkehrsbereich die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, zu gefährden.

Die Begründung des angefochtenen Bescheids ist demnach in relevantem Ausmaß mangelhaft und der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb der angefochtene Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. November 2001

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