VfGH B1138/98

VfGHB1138/987.10.1998

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Abtretungsantrags

Normen

VfGG §33
VfGG §87 Abs3
VfGG §33
VfGG §87 Abs3

 

Spruch:

1. Dem Wiedereinsetzungsantrag wird stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Februar 1998 B1510/97-6 wurde die Behandlung der von der nunmehrigen Antragstellerin eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 6. Mai 1997, Zl. 242.199/1-VI/4/97, abgelehnt. Der Beschluß wurde am 11. Mai 1998 dem Rechtsvertreter der Antragstellerin zugestellt.

Die zweiwöchige Frist auf nachträgliche Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (siehe §87 Abs3 VerfGG) war somit am 25. Mai 1998 abgelaufen.

2. Die Antragstellerin begehrt nunmehr mit einem am 23. Juni 1998 zur Post gegebenen, beim Verfassungsgerichtshof zu B1138/98 protokollierten Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der genannten Frist.

Unter einem wird der Antrag auf Abtretung der Beschwerde (B1510/97) an den Verwaltungsgerichtshof gestellt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird im wesentlichen ausgeführt, daß die erfahrene und bis dahin verläßliche Kanzleileiterin des Rechtsvertreters die Frist für die Einbringung des Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht mit zwei Wochen, sondern mit sechs Wochen - als ob es sich hiebei um die Frist für die Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof handeln würde - im Fristenbuch vorgemerkt hätte. In der Kanzlei des Rechtsvertreters werde von diesem der Fristenvormerk stichprobenartig kontrolliert. Die Kanzleileiterin habe den Fristenvormerk und die Fristenwahrung bisher zur vollsten Zufriedenheit und fehlerlos durchgeführt.

Erklärbar sei der unterlaufene Fehler nur in Anbetracht der Tatsache, daß am 11. Mai 1998 einerseits die beiden anderen Mitarbeiterinnen der Kanzleileiterin überraschend erkrankt gewesen seien und andererseits starker Parteienverkehr geherrscht habe, insbesondere sehr viele Telefonate angefallen seien.

Die Kanzleileiterin habe Weisung, bei Gerichts- oder Behördenerledigungen die Mandanten selbständig zu einer Besprechung des Rechtsmittels und der weiteren Vorgehensweise einzuladen. In der vorliegenden Sache sei der Geschäftsführer der Antragstellerin (es handelt sich bei dieser um eine GmbH) von der Kanzleileiterin für 9. Juni 1998 zu einer Besprechung geladen worden. Anläßlich dieser Unterredung habe der Rechtsvertreter festgestellt, daß die Frist zur Einbringung des Abtretungsantrages an den Verwaltungsgerichtshof in Folge des oben beschriebenen Versehens versäumt worden sei.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in Rede stehenden Frist ist berechtigt.

1. a. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. z.B. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988, 14157/1995).

b. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gem. §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Offenbar verspätet eingebrachte Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (§148 Abs3 ZPO).

Die Frist - sie begann am 9. Juni 1998 zu laufen - wurde im gegenständlichen Fall gewahrt (Postaufgabe des Wiedereinsetzungsantrages war am 23. Juni 1998).

c. Es kam nicht hervor, daß in der vorliegenden Sache Bevollmächtigte der Antragstellerin - für welche die Verschuldensregel des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO) - ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft. Der Verfassungsgerichtshof sieht nach Lage des Falles keinen Grund, das - durch zwei Erklärungen an Eides Statt bescheinigte - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß es zu einem Irrtum beim Vormerken der Frist durch die Kanzleileiterin des Rechtsvertreters kam, die dieser als stets verläßlich kannte, und die er auch entsprechend stichprobenartig kontrolliert hatte (vgl. VfSlg. 11537/1987).

Eine solcherart unrichtige Vormerkung des Termins für den Ablauf einer Frist wurde nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wiederholt als Nachlässigkeit qualifiziert, die gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht und die damit auf einem - die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindernden - minderen Grad des Versehens iSd §146 Abs1 ZPO beruht (siehe VfSlg. 10771/1986, 11427/1987, 11537/1987).

2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gem. §33 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

3. Die zu B1510/97 protokollierte Beschwerde war gem. Art144 Abs3 B-VG iVm §87 Abs3 VerfGG an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

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