Normen
FrG 1993 §15 Abs1 Z1;
FrG 1993 §15 Abs3;
FrG 1993 §5;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
Sichtvermerkszwang Aufhebung Japan 1958 Z1;
FrG 1993 §15 Abs1 Z1;
FrG 1993 §15 Abs3;
FrG 1993 §5;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
Sichtvermerkszwang Aufhebung Japan 1958 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom 26. Juni 1997 wurde die Beschwerdeführerin, eine japanische Staatsbürgerin, wie folgt bestraft:
"Sie haben v. 30.9.95 - 3.6.1996 in Wien 10. sich als Fremder, ohne im Besitz eines Sichtvermerkes, einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz oder einer Bewilligung gem. § 1 des Aufenthaltsgesetzes zu sein, somit nicht rechtmäßig, im Bundesgebiet aufgehalten, obwohl sie eine Aufenthaltsbewilligung benötigt hätten.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
15/1 i.V.m. 82/1/4 FrG.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende
Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling 1.800,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, gemäß § 82/1 FrG."
Der Beschwerdeführerin wurden auch Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens von insgesamt S 540,-- auferlegt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde das wesentliche Vorbringen der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz wie folgt wieder:
"Ich bin japanische Staatsbürgerin und studiere in Wien Cello. Japanische Staatsbürger sind berechtigt, jeweils sechs Monate in Österreich zu leben, ohne eine Aufenthaltsbewilligung zu haben. Ich habe niemals länger als sechs Monate ununterbrochen in Österreich gelebt. Ich bin immer wieder ins Ausland gereist und dann neu nach Österreich eingereist.
Vom 26.1.1996 bis 10.2.1996 war ich in Tokio. Ich reiste daher am 10.2.1996 nach Österreich ein und war berechtigt, sechs Monate ohne Aufenthaltsbewilligung in Österreich zu sein. Ich war jedoch nicht sechs Monate in Österreich, ich reiste bereits am 15. März 1996 wieder nach München aus, wo ich einige Tage blieb. Am 26.3.1996 reiste ich ebenfalls für einige Tage nach München aus.
Vom 5. bis 7. April 1996 hielt ich mich in Prag auf. Von 11. bis 12. Mai 1996 hielt ich mich wieder in München auf. Vom 20. bis 27. Mai 1996 reiste ich nach Italien (Mailand, Florenz, Venedig) aus. In der Folge befand ich mich ab 7. Juli 1996 wieder einige Tage in München, von 7. bis 9. August 1996 war ich in Venedig, ab 10. Aug. 1996 verbrachte ich einige Tage in Slowenien.
Ich habe daher niemals gegen das Aufenthaltsgesetz verstoßen, da ich - wie oben angegeben - berechtigt bin, jeweils sechs Monate in Österreich zu leben, ohne eine Aufenthaltsbewilligung zu haben."
Die Beschwerdeführerin habe weiters vorgebracht, Anträge auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt zu haben. Der Sachverhalt werde als erwiesen angenommen, wie er von der Beschwerdeführerin vorgebracht worden sei. Ferner werde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am 29. März 1995 sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist sei, wo sie seit dem 5. Mai 1995 auch polizeilich gemeldet sei. Die Beschwerdeführerin habe in Wien einen Hauptwohnsitz begründet, da sie sich hier in der Absicht niedergelassen habe, den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen insofern zu begründen, als sie hier ihre Ausbildung absolviere. Sie benötige daher eine Bewilligung im Sinn des § 1 des Aufenthaltsgesetzes. Ihr Vorbringen, sie habe ihren Aufenthalt in Österreich jeweils vor Ablauf von sechs Monaten durch kurze Auslandsreisen unterbrochen, ändere nichts an der rechtlichen Beurteilung, dass sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weil sie eben eine solche Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz benötige. Kurzzeitige Ausreisen führten nicht zu einer Unterbrechung des zu den jeweiligen Ausreisezeitpunkten bereits unerlaubten Aufenthaltes, würde doch die gegenteilige Auffassung die Möglichkeit zu einer Umgehung der in den angeführten Vorschriften vorgesehenen zeitlichen Beschränkungen der Dauer eines sichtvermerksfreien Aufenthaltes eröffnen. Die Beschwerdeführerin habe sich sohin rechtswidrig verhalten. In Anbetracht des § 5 Abs. 1 VStG liege auch Verschulden vor; schließlich sei die Höhe der Strafe auch angemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- zu bestrafen, wer "sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15)".
§ 15 Abs. 1 und 3 FrG lauten:
"§ 15. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des
2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des
Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein
Sichtvermerk erteilt wurde oder
3. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem
Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.
...
(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im
Bundesgebiet richtet sich nach
1. der durch zwischenstaatliche Vereinbarung,
Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder
2. der Befristung der Bewilligung oder des
Sichtvermerkes."
§ 5 FrG lautet:
"§ 5. Passpflichtige Fremde brauchen für die Einreise und den Aufenthalt einen Sichtvermerk, soweit nicht anderes bundesgesetzlich oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird."
Die Punkte 1. und 4. des Notenwechsels zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Japanischen Regierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges zwischen Österreich und Japan, BGBl. Nr. 85/1958, lauten:
"1. Japanische Staatsangehörige und österreichische Staatsbürger, die im Besitz eines von der japanischen bzw. österreichischen zuständigen Behörde ausgestellten, gültigen Reisepasses sind, dürfen, gleichgültig von welchem Ort immer, nach Österreich bzw. nach Japan sichtvermerksfrei einreisen, es sei denn, dass sie beabsichtigen, sich dort ununterbrochen länger als 6 Monate aufzuhalten. Jedoch kann jede Regierung den auf Grund der Bestimmung der vorliegenden Vereinbarung bereits sichtvermerksfrei eingereisten Staatsangehörigen bzw. Staatsbürgern des anderen Staates einen Aufenthalt gewähren, der die bei der Einreise bewilligte Aufenthaltsdauer überschreitet, selbst wenn der ununterbrochene Aufenthalt mehr als 6 Monate beträgt.
...
4. Die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges durch die Bestimmungen der Punkte 1 und 2 dieser Vereinbarung befreit die japanischen Staatsangehörigen und die österreichischen Staatsbürger, die sich nach Österreich bzw. nach Japan begeben wollen, nicht von der Befolgung der österreichischen bzw. japanischen Vorschriften, betreffend die Ein- und Ausreise und den Aufenthalt. Die beiden Regierungen behalten sich das Recht vor, den Staatsangehörigen bzw. Staatsbürgern des anderen Staates, die als unerwünscht angesehen werden, die Einreise oder den Aufenthalt in ihrem Gebiet zu verweigern."
Die belangte Behörde hatte im vorliegenden Fall zu beurteilen, ob die Beschwerdeführerin im Zeitraum des ihr mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfenen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet als eine Fremde zu betrachten war, die gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 FrG "unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist" ist und ob gegebenenfalls die Dauer eines derart rechtmäßigen Aufenthaltes im Grunde des § 15 Abs. 3 FrG überschritten war. Hiebei war zu prüfen, ob die Einreise und der Aufenthalt der Beschwerdeführerin als japanische Staatsbürgerin im Grunde der Z. 1 des angeführten Notenwechsels i.V.m. § 5 FrG sichtvermerksfrei zulässig war, oder ob die Beschwerdeführerin von dieser Möglichkeit einer sichtvermerksfreien Einreise und eines sichtvermerksfreien Aufenthaltes im Hinblick auf eine Absicht, "sich dort ununterbrochen länger als sechs Monate aufzuhalten", ausgeschlossen war.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall unbestritten festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am 29. März 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und sich hier bis zum 25. Jänner 1996 ununterbrochen aufgehalten hat. Ausgehend davon, dass ein sechsmonatiger sichtvermerksfreier Aufenthalt bis zum 29. September 1995 auf den angeführten Notenwechsel gegründet werden konnte, ist es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde den Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 30. September 1995 bis zu ihrer Ausreise am 26. Jänner 1996 als unrechtmäßig beurteilte.
Selbst wenn man der belangten Behörde folgen wollte, dass auch im Anwendungsbereich des angeführten Notenwechsels mit Japan "kurzzeitige Ausreisen nicht zu einer Unterbrechung des zu den jeweiligen Ausreisezeitpunkten bereits unerlaubten Aufenthaltes führen ..., würde doch die gegenteilige Auffassung die Möglichkeit zu einer Umgehung der in der angeführten Vorschrift vorgesehenen zeitlichen Beschränkung der Dauer des sichtvermerksfreien Aufenthaltes eröffnen" (vgl. zur Problematik etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0626, und vom 11. Juli 1996, Zl. 95/18/0716), unterbricht der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Tokio vom 26. Jänner 1996 bis zum 10. Februar 1996 schon im Hinblick auf seine nicht mehr als bloß "kurzzeitig" anzusehende Dauer den unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich. Ob der an die Wiedereinreise anschließende Aufenthalt im Sinne des angeführten Notenwechsels unrechtmäßig war, hängt davon ab, ob die Beschwerdeführerin bei der Einreise beabsichtigte, sich in Österreich "ununterbrochen länger als 6 Monate" aufzuhalten.
Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde insofern, als sie bei der Tatumschreibung (§ 44a Z. 1 VStG) nicht zum Ausdruck brachte, dass sich die Beschwerdeführerin bis zum 26. Jänner 1996 über die im Notenwechsel erlaubte Dauer hinaus in Österreich aufgehalten hat, wodurch § 15 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 und § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG verletzt wurde (§ 44a Z. 2 VStG), ferner den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Tokio in den der Beschwerdeführerin angelasteten unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich einbezog und darüber hinaus keine Feststellungen über die von der Beschwerdeführerin bei der Einreise am 10. Februar 1996 beabsichtigte ununterbrochene Dauer des Aufenthaltes in Österreich traf.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, dass die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung genannten Pauschbeträgen bereits enthalten ist.
Wien, am 24. April 2001
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