VwGH 97/08/0112

VwGH97/08/01124.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. Irmgard Kramer, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Keplerstraße 68, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 25. Oktober 1996, Zl. LGS Sbg/4/1218/1996, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §38;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §38;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In seinem Antrag auf Notstandshilfe vom 4. Mai 1994 verneinte der Beschwerdeführer die formularmäßige Frage nach etwaigem Einkommen aus Vermietung und nahm in einer eidesstattlichen Erklärung vom gleichen Tag zur Kenntnis, dass er (im Hinblick auf eine angegebene selbständige Erwerbstätigkeit) gemäß § 12 Abs. 10 AlVG verpflichtet sei, den Umsatz- und Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 binnen zwei Wochen nach seiner Erlassung vorzulegen. Aus dem auf Grund eines Ersuchens der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg (AMS) vom 21. Februar 1996 vom Beschwerdeführer übermittelten Einkommenssteuerbescheid 1994 vom 22. Mai 1996 ergaben sich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von S 57.633,--. Darauf widerrief die regionale Geschäftsstelle des AMS mit Bescheid vom 16. September 1996 die dem Beschwerdeführer gewährte Notstandshilfe für einen "nachstehend angeführten Zeitraum" und verpflichtete den Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein verschwiegenes durchschnittliches Mieteinkommen im Jahre 1994 von monatlich S 4.803,-- zur Rückzahlung eines Überbezuges von S 27.790,--. Weder der Spruch noch die Begründung dieses Bescheides nennt den Zeitraum, auf den sich der Widerruf bezieht.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, von dem aus der Untervermietung erzielten Jahreserlös seien an "Fahrtkosten und Diäten" S 9.977,-- abzuziehen. Im Jahr 1993 sei für eine Heizungsinstallation der Wohnung ein Darlehen von S 45.000,-- aufgenommen worden, das er im Jahre 1994 in monatlichen Raten von S 3.750,-- aus den Mieteinnahmen der Wohnung habe zurückzahlen müssen. Die Mieteinnahmen seien daher für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung gestanden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung mit nachstehender Begründung keine Folge:

"Wie sich aus Ihrem nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 ergeben hat, haben Sie in diesem Jahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in der Höhe von S 57.633,-- erzielt und wurde die Einkommensteuer für dieses Jahr mit null festgesetzt. Weitere Einkünfte aus Gewerbebetrieb beliefen sich im Jahr 1994 auf S 11.108,--. Diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden jedoch deswegen nicht für eine Anrechnung herangezogen, weil Sie die mtl. Geringfügigkeitsgrenze von S 3.288,-- für das Jahr 1994 (11.108 : 12 = 925,70) nicht überschritten hat. Somit verblieb das aus Vermietung und Verpachtung entstandene Einkommen in der genannten Höhe.

Da das mtl. Einkommen nach der NH-VO heranzuziehen ist, musste der Jahresbetrag durch zwölf Monate geteilt werden. Es verbleibt somit ein anrechenbarer mtl. Betrag von S 4.802,75. Da Ihr mtl. Notstandshilfeanspruch im Jahr 1994 S 10.929,-- (bei 30 Tagen) betragen hat, musste Ihr aus obgenannten Einkünften erzieltes mtl. Einkommen vom errechneten Notstandshilfeanspruch abgezogen werden, da gem. § 36 Abs. 2 AlVG die Notstandshilfe unter Anrechnung des jeweiligen Einkommens auch mit einem Teilbetrag gewährt werden kann. Somit verblieb lediglich ein täglicher Anspruch von S 206,40. Daraus errechnet sich für 1994 im Zeitraum 1.1.1994 - 25.6.1994 ein Rückforderungsbetrag von S 27.790,--.

Ihre Auffassung, wonach Sie entgegen dem Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 22.5.1996 gar keine Einkünfte aus Ihren Mieteinnahmen gehabt haben, weil Sie für das Mietobjekt einen Aufwand hatten, den Sie mtl. zurückzahlen mussten, ist im Gesetz nicht begründet.

Gem. § 5 Abs. 5 der NH-VO in der obgenannten Fassung für das Jahr 1994 ist das Einkommen des Arbeitslosen auf Grund des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem Notstandshilfe bezogen wurde, festzustellen, wobei § 2 Abs. 2 Zi. 2, 3 und 5 - 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 anzuwenden sind. Vom Gesamtbetrag der Einkünfte ist die darauf entfallene Einkommensteuer abzuziehen. Diese wurde jedoch vom Finanzamt mit null festgesetzt. Der Gesamtbetrag Ihrer Einkünfte für das Jahr 1994 wurde vom Finanzamt sogar mit S 68.741,-- errechnet.

Die Landesgeschäftsstelle hat jedoch Ihre Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb deswegen nicht berücksichtigt, weil diese durch oben ersichtliche Berechnung Ihrer Einkünfte unter der mtl. Geringfügigkeitsgrenze von S 3.288,-- gelegen war. Die diesbezüglich unklare Rechtslage wurde ohnehin zu Ihren Gunsten angewendet. Wäre die regionale Geschäftsstelle nämlich vom Gesamtbetrag Ihrer Einkünfte für das Jahr 1994 ausgegangen, hätte sich eine noch höhere Anrechnung auf Ihren Notstandshilfeanspruch und somit eine höhere Rückforderung ergeben.

Gem. § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, ist der Gesamtbetrag der Einkünfte zuzüglich den Hinzurechnungen gem. Abs. 3 und der Pauschalierungsausgleich gem. Abs. 4 heranzuziehen. Nur Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 oder mit den Pauschsätzen des § 69 Abs. 1 ESTG 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Der von Ihnen geltend gemachte Verlustabzug bezüglich Ihrer Einkünfte aus der Vermietung Ihrer Wohnung stellt eine Sonderausgabe gem. § 18 Abs. 6 Einkommensteuergesetz dar, wurde von Ihnen jedoch in ihrer Steuererklärung offensichtlich nicht geltend gemacht.

Die Landesgeschäftsstelle Salzburg musste daher nur von dem inzwischen in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 22.5.1996 ausgehen, wonach Sie die dort genannten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt haben.

Somit war dieses Einkommen im obgenannten Ausmaß auf Ihre mtl. Notstandshilfe anzurechnen. Daraus ergibt sich, wie oben ersichtlich, ein wesentlich geringerer mtl. Notstandshilfesatz, als Ihnen auf Grund des von Ihnen nicht angegebenen Einkommens im beeinspruchten Zeitraum ausbezahlt worden ist."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte Auszüge des Verwaltungsaktes vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde beantragt die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung. Die Beschwerde ist aber rechtzeitig erhoben worden, weil der Beschwerdeführer zu dem ihm am 30. Oktober 1996 zugestellten Bescheid bereits am 10. Dezember 1996 - sohin innerhalb der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 VwGG - einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts gestellt und nach Bewilligung und Bestellung eines Verfahrenshelfers die Beschwerdefrist von Neuem zu laufen begonnen hat (Zustellung am 4. März 1997, Beschwerde eingelangt am 10. April 1997).

Nach der ständigen, auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A, gestützten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der geltend gemachte Anspruch auf Notstandshilfe zeitraumbezogen zu beurteilen. Daraus folgt, dass die in den jeweiligen Zeiträumen, für welche die Leistung widerrufen wurde, gegebene Sach- und Rechtslage maßgebend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, 97/08/0553).

An dem oben erwähnten Spruch des erstinstanzlichen Bescheides ist hervorzuheben, dass der "nachstehend angeführte Zeitraum" für den Widerruf fehlt. Ein Spruch, der für einen "nachstehend angeführten Zeitraum" Leistungen widerruft, aber keinen Zeitraum nennt, ist in Bezug auf diese Entscheidung nicht nur unpräzise, sondern ohne normativen Gehalt. War der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich des Widerrufs ohne normativen Gehalt, so war es der belangten Behörde als Berufungsbehörde infolge ihrer Beschränkung auf die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG verwehrt, ihre eigene Entscheidung an die Stelle des in erster Instanz unterbliebenen Ausspruches zu setzen (vgl. hiezu und zu den folgenden Ausführungen das Erkenntnis vom 24. Juni 1997, Zl. 96/08/0029).

Die im erstinstanzlichen Spruch vorgenommene Verweisung ("nachstehend") könnte zwar auch auf die Bescheidbegründung bezogen werden. Wäre der Zeitraum des Widerrufs dort genannt, so bestünde "kein Zweifel über den Inhalt des Spruches" (vgl. das Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 92/08/0087). Der erstinstanzliche Bescheid nannte aber auch in der Begründung keinen Zeitraum. Die Begründung erschöpfte sich vielmehr in der Wiedergabe von Rechtsvorschriften und dem zeitlich nicht näher zuordenbaren Hinweis auf ein durchschnittliches Mieteinkommen im Jahre 1994.

Die belangte Behörde hätte den erstinstanzlichen Bescheid, dessen normativer Gehalt sich in der Rückforderung erschöpfte, gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe aufzuheben gehabt, dass seine Rechtswidrigkeit auf dem Fehlen einer wirksamen Entscheidung über die Unrechtmäßigkeit des Empfanges der zurückgeforderten Leistungen beruhe. Diese Entscheidung selbst nachzuholen, war der belangten Behörde auf Grund ihrer Beschränkung auf die "Sache", über die die Behörde erster Instanz entschieden hatte, verwehrt. Die vorerst ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG - welche die belangte Behörde auf Grund dieses Erkenntnisses nachzuholen haben wird - aus dem dargestellten Grund wäre der neuerlichen Erlassung eines Rückforderungsbescheides in Verbindung mit einer Entscheidung über die Unrechtmäßigkeit der Leistung (oder nach einer solchen) durch die Behörde erster Instanz nicht entgegengestanden.

Statt wie beschrieben vorzugehen, hat die belangte Behörde im Spruch ihrer Entscheidung wie die Behörde erster Instanz entschieden. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat sie - anders als die Behörde erster Instanz - einen Rahmenzeitraum genannt (1. Jänner 1994 bis 25. Juni 1994). Indem die belangte Behörde aber einen hinsichtlich des Widerrufs eines normativen Gehaltes entbehrenden Spruch mittels diesbezüglicher, zur Auslegung des Spruches heranzuziehender Begründungselemente durch einen Ausspruch darüber ersetzte, überschritt sie die "Sache" des Berufungsverfahrens. Dieser Teil des Bescheides ist schon deshalb mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und daher aufzuheben. Demnach fehlt es aber auch an einer notwendigen Voraussetzung für die Rückforderung von Leistungen.

Schon aus diesen Gründen war - ohne auf die Frage der Anrechenbarkeit der Mieteinkünfte einzugehen - der gesamte Bescheid vom 25. Oktober 1996 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 4. Oktober 2001

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