Normen
FamLAG 1967 §6 Abs2 litd;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
FamLAG 1967 §6 Abs2 litd;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am 2. Jänner 1967 geborene Beschwerdeführerin beantragte am 11. August 1995 durch ihren Sachwalter die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe.
Mit Bescheid vom 14. September 1995 wies das Finanzamt den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Beschwerdeführerin infolge ihrer seit 1989 erzielten eigenen Einkünfte in der Lage sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Sachwalter aus, die Beschwerdeführerin sei tatsächlich nicht in der Lage, sich den Lebensunterhalt zu verschaffen. Dies ergebe sich daraus, dass ihr Pflegegeld zuerkannt worden sei und sie nunmehr im Wohnheim des Österreichischen Hilfswerks für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte (ÖHTB) in einer betreuten Wohngemeinschaft lebe und auf einem geschützten Arbeitsplatz beschäftigt sei. Eine allfällige Beschäftigung der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit habe auf einem Entgegenkommen der Arbeitgeber beruht.
Mit Schreiben vom 23. August 1996 teilte das Finanzamt dem Sachwalter mit, dass zur Berufungserledigung noch umfangreiche Erhebungen über die Höhe des von der Beschwerdeführerin erzielten Einkommens ab dem Jahre 1984 durchzuführen seien. Weiters werde die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin durch ein neues ärztliches Gutachten festgestellt werden. Die Erledigung der Berufung werde sich deshalb "noch etwas hinauszögern". Sobald alle Ergebnisse der Erhebungen vorliegen würden, werde der Sachwalter davon in Kenntnis gesetzt und die Berufung danach ohne weitere zeitliche Verzögerungen erledigt werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Von streitentscheidender Bedeutung sei im Beschwerdefall, ob die Beschwerdeführerin bereits vor der Vollendung ihres 21. Lebensjahres zufolge ihres Leidens dauernd außerstande gewesen sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Nach der vorgelegten amtsärztlichen Bestätigung vom 28. Juni 1995, in der ein Behinderungsgrad von 80 % festgestellt werde, liege bei der Beschwerdeführerin eine Geistesschwäche ab Geburt vor. In dem im Zuge des Berufungsverfahrens ergänzten amtsärztlichen Zeugnis werde zusätzlich bescheinigt, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die belangte Behörde habe zur Beantwortung der Frage, ob bzw. in welchen Zeiträumen die Beschwerdeführerin in der Lage war, sich ihren Unterhalt selbst zu verschaffen, Ermittlungen im Wege der Sozialversicherungsträger durchgeführt und hiebei festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab Juli 1984 mit kurzen Unterbrechungen auf Grund von Beschäftigungen Versicherungszeiten aufweise. Weiters habe die belangte Behörde rückwirkend ab 25. Mai 1989 die genauen Beitragsgrundlagen und die Arbeitslosenbezüge erheben können. Hiebei hätten sich folgende jährliche bzw. durch Teilung durchschnittliche monatliche Beträge nach Vollendung des 21. Lebensjahres ergeben:
1989: | S | 36.270,-- | = | S | 5.181,-- monatlich |
1990: | S | 183.323,-- | = | S | 15.267,-- monatlich |
1991: | S | 193.171,-- | = | S | 16.097,-- monatlich |
1992: | S | 202.795,-- | = | S | 16.899,-- monatlich |
1993: | S | 90.167,-- | = | S | 7.513,-- monatlich |
Aus den errechneten Monatsbeträgen müsse zweifelsfrei der Schluss gezogen werden, dass sich die Beschwerdeführerin in den angeführten Jahren und somit noch nach Vollendung ihres 21. Lebensjahres durch ihre Beschäftigungen den Unterhalt, wenn auch in den Jahren 1989 und 1993 nur im bescheidenen Rahmen, selbst verschaffen habe können und somit die für die Gewährung der Familienbeihilfe geforderten Anspruchsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG nicht gegeben seien. Unerheblich dabei sei, unter welchen Voraussetzungen eine Erwerbstätigkeit stattgefunden habe. Die belangte Behörde wies dazu auf die in den Jahren 1989 bis 1993 geltenden ASVG-Richtsätze für Ausgleichszulagenempfänger (S 5.134,-- bis S 7.000,--) hin. Die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, könne demnach nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sein.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht eine mehrjährige berufliche Tätigkeit der Annahme entgegen, das Kind sei infolge seiner Behinderung dauernd außerstande gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1997, 96/14/0088, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Bereits von der Abgabenbehörde erster Instanz wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, sie habe sich seit 1989, somit nach Vollendung des 21. Lebensjahres, durch eigene Einkünfte selbst den Lebensunterhalt verschafft. Die Beschwerdeführerin ist, vertreten durch ihren Sachwalter, dieser Feststellung lediglich mit dem allgemeinen Hinweis entgegengetreten, eine "allfällige Beschäftigung in der Vergangenheit" habe auf einem außerordentlichen Entgegenkommen der Arbeitgeber beruht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 21. November 1990, 90/13/0129, ausgeführt hat, steht ein "Entgegenkommen der Arbeitgeber" nicht der Annahme entgegen, eine Person sei auf Grund ihrer Arbeitsleistungen in der Lage, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dass die Beschwerdeführerin keine Arbeitsleistungen erbracht habe, sondern etwa aus caritativen Überlegungen oder zu therapeutischen Zwecken ohne Erwartung einer Gegenleistung wie eine Dienstnehmerin behandelt worden sei, behauptet selbst die Beschwerde nicht (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1997, 95/14/0125).
Die durch ihren Sachwalter vertretene Beschwerdeführerin rügt vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich, die belangte Behörde habe es - entgegen ihrer schriftlichen Ankündigung vom 23. August 1996 - unterlassen, ihr vor Ergehen des angefochtenen Bescheides Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen. Nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG führt ein der belangten Behörde unterlaufener Verfahrensmangel nur dann zur Bescheidaufhebung, wenn die Beschwerde die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels aufzuzeigen vermag (vgl. u.a. die ebenfalls in Angelegenheiten der erhöhten Familienbeihilfe ergangenen hg. Erkenntnisse vom 20. September 1995, 95/13/0134, und vom 31. März 1998, 96/13/0093).
Dass der bloße Hinweis auf ein "Entgegenkommen des Arbeitgebers" nicht geeignet ist, die Annahme zu widerlegen, eine Person sei imstande, sich durch ihre Arbeitsleistungen den Unterhalt selbst zu verschaffen, wurde bereits oben ausgeführt. Das weitere Vorbringen, im "Extremfall" könne auf Grund der Verletzung des Parteiengehörs sogar ein Irrtum in der Person, für die die Beschäftigungszeiten festgestellt worden seien, unentdeckt bleiben, bewegt sich auf rein hypothetischer Ebene und lässt in keiner Weise erkennen, dass im Beschwerdefall die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Beschäftigungsverhältnisse eine andere Person betroffen hätten.
Soweit die Beschwerde eine Auseinandersetzung mit dem vorgelegten amtsärztlichen Gutachten bzw. das Einholen eines weiteren Gutachtens vermisst, ist ihr entgegenzuhalten, dass bereits die von der belangten Behörde festgestellten Beschäftigungsverhältnisse der Beschwerdeführerin die für ihren Anspruch auf Familienbeihilfe notwendige Annahme widerlegen, sie wäre infolge ihrer Behinderung dauernd außerstande gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. nochmals das schon angeführte hg. Erkenntnis vom 21. November 1990). Es bedurfte im vorliegenden Fall daher keiner weiteren Auseinandersetzung mit ärztlichen Gutachten.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. Februar 2001
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