VwGH 2000/01/0320

VwGH2000/01/032021.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des SB in W, geboren am 21. November 1976, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. Mai 2000, Zl. 200.526/42-IV/10/00, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §6;
AVG §66 Abs4;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §6;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "BR Jugoslawien", der am 29. September 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Er wurde am 6. Oktober 1997 niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens.

Sein Vorbringen lässt sich kurz dahingehend zusammenfassen, dass er Angst vor Verfolgung durch die (jugoslawische) Polizei habe. Mit dem Bescheid vom 29. April 1998 wies die Behörde erster Instanz das Asylansuchen gemäß § 6 Z. 4 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 - AsylG, als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die "Bundesrepublik Jugoslawien" gemäß § 8 AsylG zulässig sei.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren samt Abhaltung öffentlichmündlicher Verhandlungen durch, in dem sie ua. dem Beschwerdeführer die grundsätzliche Änderung der Situation im Kosovo nach Juni 1999 vorhielt. Sodann erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 6 AsylG" abwies und feststellte, dass gemäß § 8 AsylG iVm § 57 des Fremdengesetzes, BGBl. I Nr. 75/1997 - FrG, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die BR Jugoslawien - Provinz Kosovo - zulässig" sei. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass im konkreten Fall auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens "mehrere selbständige Gründe (und zwar je für sich allein ausreichende) ... hervorgekommen" seien, "die alle zum gleichen Ergebnis" (im Sinne des Spruchs) führten. Unter anderem begründete die belangte Behörde im Hinblick auf die durch zahlreiche Beweismittel untermauerte Feststellung über die derzeitige geänderte Situation im Kosovo ihre Entscheidung folgendermaßen:

"In den Feststellungen und der Würdigung dieser derzeitigen allgemeinen Situation im Heimatland ist begründet, auf das persönliche (unglaubwürdige) Vorbringen des AW nicht mehr weiter einzugehen, steht doch eindeutig fest, dass auch im Falle einer Feststellung seines Vorbringens als wahr, durch die nunmehrige Gesamteinschätzung der Verhältnisse seiner Heimat die Offensichtlichkeit des Nichtbestehens einer Verfolgungssituation für ethnische Albaner im derzeitigen Zeitpunkt gegeben ist.

Das ausführliche Ermittlungsverfahren nach Maßgabe der w.o. getroffenen Feststellungen lässt sohin völlig unzweifelhaft den Schluss zu, dass die Behauptung des Antragstellers, im Kosovo im Entscheidungszeitpunkt als ethnischer Albaner durch die serbische Polizei Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehrt.

Hieraus erhellt, dass der Asylantrag im Sinne des § 6 Abs. 3" (gemeint wohl: § 6 Z. 3) "AsylG offensichtlich unbegründet ist, da eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden konnte."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass der Spruch unklar lasse, auf welchen Tatbestand des § 6 AsylG der angefochtene Bescheid gestützt werde. Der Beschwerdeführer zitiert hiezu selbst aus der hg. Rechtsprechung, dass im Falle, dass aus dem Spruch die Anwendung der in Frage kommenden Gesetzesstelle nicht zu erkennen ist, nur dann eine Rechtswidrigkeit vorliege, wenn auch die Begründung des Bescheides den Zweifel über die angewendete Gesetzesbestimmung nicht beseitigt.

Im konkreten Fall hat die belangte Behörde mehrere, ihrer Ansicht nach selbständig zum Tragen kommende Begründungen für die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrages ausgeführt. Aus dem oben wiedergegebenen Ausschnitt ist eindeutig ersichtlich, dass sich die belangte Behörde im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides vorliegende Situation im Kosovo auf die Bestimmung des § 6 Z. 3 AsylG bezieht. Es kann für diesen selbständigen Teil sohin nicht zweifelhaft sein, welche Gesetzesbestimmung die belangte Behörde angewendet hat, denn die Verwechslung von "Abs. 3" mit (richtigerweise) Z. 3 ist ein unmittelbar einsehbares Schreibversehen, zumal - wie auch der Beschwerdeführer richtig ausführt - § 6 AsylG nicht in Absätze unterteilt ist und die belangte Behörde den Gesetzestext im angefochtenen Bescheid (siehe Seite 30) wiedergegeben hat.

Bei Berufungsentscheidungen nach § 6 AsylG bildet nur die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrages den Gegenstand der Überprüfung. Bei einer Berufungsentscheidung nach § 6 AsylG sind auch die in der Berufung vorgebrachten Neuerungen im Berufungsverfahren nur darauf hin zu prüfen, ob der Asylantrag mit Rücksicht auf sie noch eindeutig jeder Grundlage entbehrt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, und vom 23. Juli 1999, Zl. 98/20/0464 uva). Damit hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass die Berufungsbehörde nicht an die von der Erstbehörde herangezogene Ziffer des § 6 AsylG gebunden ist, sowie dass sie den Berufungsbescheid auf Grundlage jener Sachlage zu fällen hat, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides feststeht. Daraus folgt aber weiters, dass nicht nur Neuerungen seitens des Berufungswerbers im Berufungsverfahren zu berücksichtigen sind, sondern auch die Ergebnisse von Ermittlungen, welche die Berufungsbehörde aus eigenem oder auf Anregung oder Antrag einer anderen Verfahrenspartei angestellt hat.

Der angefochtene Bescheid stammt vom 24. Mai 2000 und wurde dem Beschwerdeführer am 28. Mai 2000 zugestellt. Im Hinblick auf die hg. Erkenntnisse vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0359, und vom 7. Juni 2000, Zl. 2000/01/0162, kann aber die Ansicht der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer Bedrohungssituation (Furcht vor Verfolgung durch die jugoslawische Polizei) entspreche nunmehr offensichtlich nicht (mehr) den Tatsachen, weil die jugoslawische Polizei zu einer asylrelevanten Verfolgung im Kosovo gar nicht mehr in der Lage ist (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse vom 3. Mai 2000 und vom 7. Juni 2000), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der Beschwerdeführer vertritt hingegen die Ansicht, dass im konkreten Fall lediglich § 6 Z. 5 AsylG zur Anwendung gelangen könnte. Dem ist zu entgegnen, dass Z. 5 nur dann zum Tragen kommen kann, wenn (in teilweiser Abstraktion vom Einzelfall - siehe "allgemein" und "in der Regel" -) eine Prüfung der Verhältnisse im Herkunftsstaat ergibt, dass in dem betreffenden Staat eine Verfolgung einzelner Personen nahezu ausgeschlossen ist. Eine solche Anschauung des Kosovo als "sicherer Herkunftsstaat" kann aber im Hinblick auf die einzelnen Angehörigen von (jetzt) dort in der Minderheit befindlichen Ethnien drohende Verfolgung nicht angenommen werden und wurde von der belangten Behörde auch nicht angenommen (vgl. hiezu Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Rz 304 f, mwN).

Des Weiteren rügt der Beschwerdeführer, dem angefochtenen Bescheid mangle "die ausdrückliche Feststellung ..., dass kein sonstiger Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat" des Beschwerdeführers vorliege. Damit verkennt der Beschwerdeführer jedoch den Bescheidinhalt. Denn eine solche Feststellung ist dem Satzteil, "da eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (eindeutig) ausgeschlossen werden konnte" innewohnend. Im Übrigen läge eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nur dann vor, wenn sich ein konkreter Hinweis auf eine asylrelevante Verfolgungsgefahr erkennen ließe. Solches zeigt der Beschwerdeführer jedoch nicht auf.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG schon aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen. Es erübrigt sich daher, auf die anderen Abweisungsgründe im angefochtenen Bescheid einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 2000

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