Normen
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Schriftsatz vom 8. Jänner 1998 hat der Beschwerdeführer die Aufhebung des gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes vom 3. Februar 1992 gemäß § 114 Abs. 3 iVm § 38 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, beantragt. Die Bundespolizeidirektion Innsbruck hat mit Bescheid vom 20. Februar 1998 diesen Antrag gemäß § 114 Abs. 3 iVm § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung des Beschwerdeführers hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (die belangte Behörde) mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. März 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 3. Februar 1992 von der Bundespolizeidirektion Innsbruck mit einem unbefristeten Aufenthaltsverbot belegt worden. Der Beschwerdeführer sei insofern im Recht, als auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei. Er erfülle jedoch die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht, weil er nicht im Sinn des Gesetzes von klein auf in Österreich aufgewachsen sei. Von klein auf im Sinn des Gesetzes im Inland aufgewachsen seien nach der Regierungsvorlage zu § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG Fremde, deren Aufenthaltsrecht noch im Kleinkindalter "(2. bis 3. Lebensjahr oder früher)" begründet worden sei. Dies treffe auf den Beschwerdeführer nicht zu, weil er - wie er selbst vorbringe - Ende 1969, polizeilich angemeldet im Jahr 1970, als Fünfjähriger nach Österreich gekommen sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer führt gegen den angefochtenen Bescheid lediglich ins Treffen, dass die belangte Behörde den § 38 Abs. 1 Z. 4 iVm § 114 Abs. 3 FrG unrichtig interpretiert habe. Der Gesetzgeber habe im § 38 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. offenbar keine konkrete Altersgrenze vorgesehen. Die Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung sei so zu verstehen, dass Kinder bis zum dritten Lebensjahr jedenfalls in den Genuss dieser Privilegierung kommen müssten, damit sei aber nicht gemeint, dass andere, nur wenig ältere Kinder, von dieser Bestimmung ausgenommen seien. Vielmehr sei die gesetzliche Wendung "von klein auf" offenbar absichtlich so gewählt, um keine feste Grenze einzuziehen, sodass ein gewisser Ermessensspielraum bleibe. "Von klein auf" sei also so zu verstehen, dass "ein Fremder sowohl an Lebensjahren als auch an Körpergröße, als auch im Entwicklungsstand" als "klein" anzusehen sei. Der Grund für § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG sei in Art. 8 EMRK und in den Entscheidungen des EGMR zu finden. In den bekannten Fällen Moustaquim und Beldjoudi habe es sich jeweils um Jugendliche gehandelt, die schwerste Straftaten wie Raub u.ä. begangen hätten. Beiden Fällen sei gemeinsam, dass die beiden Genannten in den jeweiligen Wohnsitzstaaten bereits bestens integriert gewesen seien, weil sie bereits "als 2- bzw. 5jährige" dorthin gekommen und dort aufgewachsen seien, und dort zusammen mit der ganzen Familie gelebt hätten. Besonderes Gewicht habe der EGMR den Umständen beigemessen, dass beide die gesamte Schulbildung und damit die soziale Integration und Prägung sowie Erziehung im Wohnsitzstaat erfahren hätten, weshalb der Eingriff in das Familienleben trotz der schweren Straftaten unangebracht gewesen sei. Eben diese Grundsätze seien auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Der Beschwerdeführer habe zunächst den Kindergarten Mariahilf besucht, sodann die Volks- und die Hauptschule und habe sich dann ins Arbeitsleben integriert. Er sei also in Österreich geprägt und erzogen worden und "weder in seiner Sprache noch in seinem Auftreten" von einem Österreicher unterscheidbar. Auch lebe seine Familie - soweit vorhanden - in Österreich, dies schon seit 30 Jahren. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren bezüglich der Umstände, dass er als Fünfjähriger nach Österreich gekommen sei, mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht habe und die letzten drei Jahre vor Erlassung des Aufenthaltsverbots rechtmäßig in Österreich gewesen sei, ein Vorbringen erstattet und Beweismittel angeboten, die von der belangten Behörde unberücksichtigt gelassen worden seien.
2.1. Für auf das Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, gegründete Aufenthaltsverbote, die vor dem Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, normiert § 114 Abs. 3 dieses Gesetzes Folgendes:
"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."
Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, wobei Fremde gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen sind, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind.
2.2. Die Beschwerde übersieht, dass die im § 38 Abs. 1 Z. 4 im Zusammenhalt mit § 38 Abs. 2 FrG getroffene Regelung nach der ständigen hg. Rechtsprechung jedenfalls für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist ist, nicht zum Tragen kommt (vgl. den hg. Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150, sowie die hg. Erkenntnisse vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244, und vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0097). Da die Beschwerde einräumt, dass der Beschwerdeführer erst im Alter von fünf Jahren nach Österreich kam, ist die besagte Regelung auf ihn nicht anwendbar.
Auch mit seinem Hinweis auf die Entscheidungen des EGMR vom 18. Februar 1991, Nr. 31/1989/191/291, im Fall Moustaquim gegen Belgien (ÖJZ 1991, 452 ff) und vom 26. März 1992, Nr. 55/1990/246/317, im Fall Beldjoudi gegen Frankreich (ÖJZ 1992, 773 ff), ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Aus dem Fall Moustaquim lässt sich für die Auslegung der besagten Regelung schon deswegen nichts ableiten, weil Moustaquim bereits als Zweijähriger nach Belgien gekommen war. Der Fall Beldjoudi indes ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass der Fremde (im Jahr 1950) in Frankreich geboren wurde, bis 1963 (ebenso wie seine Eltern) die französische Staatsangehörigkeit hatte und seit über 20 Jahren mit einer französichen Staatsbürgerin verheiratet war, die Ehegattin des Fremden Mitbeschwerdeführerin war und der EGMR ganz wesentlich auf deren persönlichen Verhältnisse Bedacht nahm. (Vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 96/18/0100.)
2.3. Vor diesem Hintergrund ist auch die unter II.1. genannte Verfahrensrüge betreffend das Außerachtlassen des dort angesprochenen Vorbringens samt Beweismittelanbot nicht zielführend.
3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. August 2000
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