Normen
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, vom 3. Oktober 1998 auf Aufhebung des von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 20. März 1995 gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes "gemäß § 114 Abs. 3 iVm § 35 Abs. 4 und § 38 Abs. 1 Z. 4" des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1979 im Alter von vier Jahren nach Österreich eingereist. (Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 30. Jänner 1980 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde.) Im Zeitraum vom 20. November 1990 bis 13. Juli 1994 sei der Beschwerdeführer wegen von ihm begangener Eigentumsdelikte fünfmal rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund dieser Verurteilungen sei gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. März 1995 rechtskräftig ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.
Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ausdrücklich auf § 114 Abs. 3 FrG gestützt und sich vor allem darauf berufen, dass die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegengestanden wäre. Dies sei jedoch entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht der Fall. Der Beschwerdeführer sei einerseits nicht bereits im Kleinkindalter (zweites bis drittes Lebensjahr oder früher) nach Österreich eingereist und habe sich andererseits aufgrund der rechtskräftigen Aberkennung seiner Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 10. Juni 1994 bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.
Hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG habe sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine Änderung der Rechtslage ergeben, weil diese Bestimmung inhaltlich den §§ 19 und 20 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, entspreche. Gleiches gelte im Übrigen auch für die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig sei, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Auch diese Bestimmung orientiere sich hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Zeitpunktes an § 20 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die hier maßgebliche Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 3
FrG hat folgenden Wortlaut:
"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."
Anders als § 44 FrG, nach welcher Bestimmung das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind, stellt diese Bestimmung nicht auf eine Änderung der maßgeblichen Umstände seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes ab, sondern - wie sich aus der Wortfolge "erlassen hätten werden können" ergibt - ausschließlich darauf, ob der von der Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt der Verhängung des Aufenthaltsverbotes diese Maßnahme gerechtfertigt hätte. Diese Übergangsbestimmung will somit sicher stellen, dass ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des FrG (1. Jänner 1998) Aufenthaltsverbote, die nicht auch auf Grundlage dieses Gesetzes hätten erlassen werden können, aufgehoben werden. Eine Ausnahme für Fälle, in denen der Fremde seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein Verhalten gesetzt hat, das die neuerliche Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt hätte, wie sie in der Übergangsbestimmung des § 88 Abs. 5 des Fremdengesetzes aus 1992 enthalten war, ist dabei nicht vorgesehen.
Bei der Beurteilung nach § 114 Abs. 3 FrG ist daher - anders als bei jener nach § 44 FrG (vgl. aus der ständigen Judikatur zur gleich lautenden Bestimmung des § 26 des Fremdengesetzes aus 1992 etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 97/18/0610) - nicht auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen, gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen. (Solche Umstände können aber - dies sei zur Vermeidung von Missverständnissen festgehalten - als Gründe für die neuerliche Erlassung eines Aufenthaltsverbotes herangezogen werden.)
Die belangte Behörde hat daher die (aktenkundigen) weiteren rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 21. September 1995 wegen Einbruchsdiebstahles und Suchtgifthandels zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe und vom 3. April 1997 wegen Suchtgiftbesitzes, Sachbeschädigung und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten in ihre Beurteilung zutreffend nicht mit einbezogen.
2. Nach § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. Anders als der Beschwerdeführer meint, erfüllt er die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle schon deshalb nicht, weil er unstrittig erst im Alter von vier Jahren nach Österreich kam und somit nicht "von klein auf" im Inland aufgewachsen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 96/18/0150, und das hg. Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 98/18/0244, auf welche Entscheidungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die von der zitierten Judikatur vertretene, an einer Durchschnittsbetrachtung orientierte Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "von klein auf" ist unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich.
3. Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden.
3.1. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Grund dieser Bestimmung ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 erfüllte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170, in dem auch auf die davon zum Teil abweichende Judikatur zu § 20 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 bezug genommen wird).
Für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF der Staatsbürgerschaftsgesetz- Novelle 1998, BGBl. I Nr. 124, ist erforderlich, dass der Fremde seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat (Z. 1) und keiner der in den Z. 2 bis 8 dieser Gesetzesstelle genannten Ausschlussgründe vorliegt.
3.2. Das gegenständliche Aufenthaltsverbot wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer, dem am 30. Jänner 1980 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, im Zeitraum vom 20. November 1990 bis 13. Juli 1994 insgesamt fünfmal rechtskräftig verurteilt worden sei. Feststellungen darüber, wann die diesen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten begangen wurden, finden sich weder im Aufenthaltsverbotsbescheid noch im angefochtenen Bescheid. Derartige Feststellungen wären aber nach den obigen Ausführungen erforderlich, um beurteilen zu können, ob der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes - das ist die Begehung der Straftaten - die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 erfüllte.
4. Aufgrund des aufgezeigten Verfahrensmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG Stempelgebühren nicht zu entrichten waren.
Wien, am 7. Juli 1999
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