VwGH 97/18/0610

VwGH97/18/061012.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des AG, (geboren am 24. Jänner 1965), in Casablanca, vertreten durch Mag. Irene Haase, Rechtsanwalt in 1230 Wien, An der Au 9/1a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Oktober 1997, Zl. SD 724/97, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §26;
SGG §12 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §26;
SGG §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Oktober 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines marokkanischen Staatsangehörigen, vom 11. Februar 1997 auf Aufhebung des von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 28. Juli 1995 gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Grundlage für das auf § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 FrG gestützte Aufenthaltsverbot sei die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Suchtgifthandels und Suchtgiftbesitzes nach § 12 Abs. 1 SGG, §§ 12, 15 StGB und § 16 Abs. 1 SGG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten durch das Landesgericht für Strafsachen Wien (Urteil vom 20. April 1995) gewesen. Diese Verurteilung habe ihn jedoch nicht davon abgehalten, erneut straffällig zu werden. Er sei am 31. Juli 1995 bei einem Suchtgifthandel auf frischer Tat betreten und festgenommen worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. September 1995 sei er erneut wegen Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 12 Abs. 1 SGG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden.

Den Antrag auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes habe der Beschwerdeführer im wesentlichen damit begründet, daß er seit 6. Jänner 1995 seine Ehe nicht mehr vollzöge, sondern mit Frau Natalie Fakir eine Lebensgemeinschaft, der ein gemeinsames Kind erwachsen wäre, begründet hätte. Seine Verurteilungen wären auf seine krankhafte Drogensucht zurückzuführen, wobei er in der Zwischenzeit behandelt worden wäre und nun als geheilt gälte.

Nach Wiedergabe des und unter Bezugnahme auf § 26 FrG und die Auslegung dieser Bestimmung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß die Behörde erster Instanz bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ohnehin von familiären Bindungen des Beschwerdeführers ausgegangen sei. Die Tatsache, daß er an seiner Ehe nicht mehr interessiert zu sein scheine (laut seinen Angaben werde diese seit 6. Jänner 1995 nicht mehr vollzogen) und für wenige Monate (er sei fast ununterbrochen in Haft gewesen) eine Lebensgemeinschaft vermutlich, neben der aufrechten Ehe, eingegangen sei, sei jedenfalls nicht geeignet, eine Verstärkung seiner familiären Bindungen herbeizuführen. Abgesehen davon, daß er es bislang - trotz Aufforderung - verabsäumt habe, eine Geburtsurkunde seines Kindes vorzulegen, sei in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig sei. Hinzu komme, daß der Beschwerdeführer nicht nur insgesamt fünf rechtskräftige Verurteilungen aufweise, von denen vier einschlägig seien, sondern daß er auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch sein Verhalten sehr augenfällig dokumentiert habe, daß er nach wie vor nicht in der Lage sei, die Rechtsvorschriften seines Gastlandes zu beachten. Er sei am 21. September 1995 neuerlich wegen eines Suchtgiftdeliktes (Suchtgifthandel) rechtskräftig verurteilt worden. Dieses Fehlverhalten verstärke die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen. Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, sich nunmehr (aufgrund einer Therapie) von der Suchtgiftabhängigkeit befreit zu haben, sei nicht geeignet, die von ihm ausgehende Gefahr für diese öffentlichen Interessen auszuschließen oder als nur gering einzuschätzen.

Mangels Änderung des Sachverhaltes zugunsten des Beschwerdeführers bedürfe es daher keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme weiterhin gerechtfertigt und die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes gemäß den §§ 19 und 20 FrG zulässig sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 95/18/0985, mwN).

2. Auszugehen ist davon, daß die seinerzeit der Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zugrunde gelegte rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung vom 20. April 1995 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach wie vor die Verhängung einer solchen Maßnahme rechtfertigen würde, zumal er, wie unbestritten festgestellt wurde, am 31. Juli 1995 neuerlich bei einem Suchtgifthandel betreten und deswegen mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. September 1995 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt wurde. Überdies ist der seit dem besagten Fehlverhalten des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von rund 2 1/4 Jahren bzw. der seit seiner (laut Beschwerde mit August 1997 erfolgten) Haftentlassung verstrichene Zeitraum keineswegs so lang, um eine zuverlässige Prognose über ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers stellen zu können. Wenn die Beschwerde dagegen ins Treffen führt, daß der Beschwerdeführer im Zuge seiner Haft von seiner Drogenabhängigkeit, auf die seine strafgerichtliche Verurteilung zurückzuführen sei, geheilt worden und die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Wiederholungsgefahr weggefallen sei, so ist dieses Vorbringen nicht geeignet, die von ihm ausgehende Gefahr für das besagte öffentliche Interesse auszuschließen oder als nur gering einzuschätzen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0927, und vom 26. Juni 1997, Zlen. 97/18/0182, 0308 bis 0310). Auch erscheint selbst bei einer allfälligen Suchtentwöhnung des Beschwerdeführers allein deshalb keineswegs die Gewähr gegeben, daß er nicht neuerlich rückfällig werden könnte, zumal die Suchtgiftabhängigkeit des Täters keine notwendige Voraussetzung für eine Tatbegehung nach § 12 Abs. 1 SGG ist.

Im Hinblick darauf bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, die vom Beschwerdeführer als Beweis angebotenen Drogentests beizuschaffen oder ein Gutachten zur Frage seiner Drogenabhängigkeit einzuholen, sodaß die diesbezügliche Verfahrensrüge ins Leere geht.

3.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde weiters vor, sie habe die familiären Interessen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt. Im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei die erste Ehe des Beschwerdeführers bereits geschieden gewesen. In der Folge sei er eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen, die er am 12. November 1997 geheiratet habe. Gegenüber seiner in Österreich lebenden Ehegattin und deren minderjährigen Tochter bestünden Unterhaltspflichten. Demzufolge hätten seine privaten und familiären Bindungen seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine wesentliche Intensivierung erfahren.

3.2. Auch diese Argumentation ist nicht geeignet, die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Wenn der Beschwerdeführer nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine neue Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen ist, die er dann geheiratet hat, und für diese sowie deren Tochter zu sorgen hat, so ist dieser Umstand - abgesehen davon, daß es sich beim Vorbringen hinsichtlich der Eheschließung nach Erlassung des angefochtenen Bescheides um das Geltendmachen einer Tatsache handelt, die von der belangten Behörde aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte - in seinem Gewicht dadurch gemindert, daß der Beschwerdeführer bei Begründung der neuen Lebensgemeinschaft angesichts des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen durfte (vgl. etwa das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 95/18/0985). Überdies kann er eine allfällige Unterhaltspflicht auch vom Ausland her wahrnehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 95/18/0951).

Insgesamt ergibt sich daher, daß das (schon genannte) maßgebliche öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch das besagte, der gerichtlichen Verurteilung vom 21. September 1995 zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine erhebliche Stärkung erfahren und sich somit die im Zeitpunkt der vorliegend angefochtenen Entscheidung zu beurteilende Interessenslage (weiter) maßgeblich zu seinen Ungunsten verschoben hat.

4. Nach dem Gesagten ist auch der weiteren Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte bei Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens und Vornahme der diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen erkennen können, daß sich die familiären und persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers an Österreich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich verstärkt hätten, der Boden entzogen.

5. Da somit der angefochtene Bescheid frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. November 1998

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