VwGH 95/18/0985

VwGH95/18/09856.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des B in H, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. März 1994, Zl. SD 201/94, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §20;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §67 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §67 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 14. März 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 10. September 1993 auf Aufhebung des von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 3. Jänner 1990 gegen den Beschwerdeführer erlassenen, bis zum 31. Jänner 2000 befristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 27. November 1989 wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, bedingt auf drei Jahre Probezeit, rechtskräftig verurteilt worden. Daraufhin habe die Erstbehörde mit Bescheid vom 3. Jänner 1990 ein Aufenthaltsverbot bis zum 31. Jänner 2000 gegen den Beschwerdeführer erlassen.

Seinen vorliegenden Antrag begründe der Beschwerdeführer damit, daß er sich seit dem Jahr 1968 (richtig: 1978) in Österreich aufhalten würde und hier mit seiner gesamten Familie leben würde. Dem sei aber entgegenzuhalten, daß die familiäre Situation des Beschwerdeführers bereits bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden und daß der Beschwerdeführer am 1. September 1992 neuerlich vom Landesgericht für Strafsachen Wien, diesmal wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie des Vergehens des Suchtgiftbesitzes, zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Dieses neuerliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers, welches nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes gesetzt worden sei, würde daher (wieder) den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllen. Das Gewicht der für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen habe sich demnach wesentlich erhöht, zumal die zuletzt vom Beschwerdeführer begangene Straftat im Hinblick auf die mit Suchtgiftdelikten verbundene eminente Wiederholungsgefahr eine positive Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer nicht zulasse.

Die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, wonach vorliegend die Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG zum Tragen käme, sei ebenfalls verfehlt, weil § 20 Abs. 2 leg. cit. derzeit auch der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes deshalb nicht entgegenstehe, weil dem Beschwerdeführer "vor Verwirklichung des dafür maßgeblichen Sachverhaltes", hier also vor der rechtskräftigen Verurteilung wegen Suchtgifthandels und Suchtgiftbesitzes am 1. September 1992, die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 nicht hätte verliehen werden können. Letzteres wäre im vorliegenden Fall aufgrund des § 18 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 nicht in Betracht gekommen, weil der Beschwerdeführer vor dem 1. September 1992 nach seinem Verhalten keinesfalls die Gewähr dafür geboten hätte, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt sei und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bilde. Die Erstbehörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß die nachteiligen Folgen einer Beseitigung des Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wögen als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

2. Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof hat mit Beschluß vom 27. Februar 1995, B 795/94, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0532).

2. Der von der belangten Behörde im Ergebnis vertretenen Auffassung, daß der Beschwerdeführer nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 1990 neuerlich ein Fehlverhalten gesetzt habe, welches gravierend gegen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannte öffentliche Interessen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von strafbaren Handlungen und Schutz der Gesundheit) verstoße, womit die zu Ungunsten des Beschwerdeführers wirkenden maßgeblichen öffentlichen Interessen an Gewicht beträchtlich zugenommen hätten, vermag die Beschwerde nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Die Beschwerdebehauptung, daß die Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes "niemals vorgelegen" wären, ist nicht zielführend, erfaßt doch § 26 FrG nicht die Frage, ob das Aufenthaltsverbot seinerzeit rechtmäßig erlassen worden war (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0780, mwH.). Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer hätte schon "vor einigen Jahren" um die österreichische Staatsbürgerschaft ansuchen können und die Voraussetzungen für die Verleihung wären damals vorgelegen, ist entgegenzuhalten, daß seit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes dieses einer Verleihung entgegensteht (§ 10 Abs. 1 Z. 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985).

Der Umstand, daß der Beschwerdeführer seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und mit seiner Ehefrau ein Kind hat, ist in seinem Gewicht dadurch gemindert, daß die Ehe nach dem Beschwerdevorbringen zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestanden hatte. Daß sich - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift hinweist - der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Eheschließung aufgrund eines Vollstreckungsaufschubes in Österreich aufhielt, bedeutet zwar, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt nicht unerlaubt war, der Beschwerdeführer aber damals angesichts des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes rechtens nicht mit einem längeren weiteren erlaubten Aufenthalt in Österreich rechnen durfte (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 95/18/0953). Insgesamt ergibt sich daher, daß das (schon genannte) maßgebliche öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch das besagte, seiner gerichtlichen Verurteilung im Jahr 1992 zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine erhebliche Stärkung erfahren und sich somit die im Zeitpunkt der vorliegend angefochtenen Entscheidung zu beurteilende Interessenlage im Lichte des § 20 FrG (weiter) maßgeblich zu seinen Ungunsten verschoben hat.

3. Schließlich ist - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - dem Beschwerdeeinwand, die Erstbehörde sei im Hinblick auf den Wohnsitz des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag nach § 26 FrG nicht zuständig gewesen, § 67 Abs. 3 FrG entgegenzuhalten, wonach die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes der Behörde obliegt, die das Aufenthaltsverbot in erster Instanz erlassen hat.

4. Da dem angefochtenen Bescheid daher die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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