VwGH 96/08/0153

VwGH96/08/015315.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien X, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des zuständigen Unterausschusses des Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 25. Juli 1994, Zl. IVb/7022/7100B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1994/314;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1994/314;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin - damals Studentin - beantragte am 13. Jänner 1994 Arbeitslosengeld. Sie gab an, zuletzt vom 18. Oktober 1993 bis zum 30. Dezember 1993 in Beschäftigung gestanden zu sein.

Mit Bescheid vom 9. Februar 1994 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien dem Antrag keine Folge. Diese Entscheidung gründete sich darauf, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG in der seit dem 1. Jänner 1994 geltenden Fassung nicht mehr erfülle und daher auf Grund ihres Studiums gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht als arbeitslos gelte.

In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung machte die Beschwerdeführerin u.a. geltend, sie sei neben ihrem Studium u.a. schon vom 28. September bis zum 25. Oktober 1992, vom 2. November 1992 bis zum 14. März 1993, vom 19. Juli bis zum 30. Juli 1993 und vom 10. September bis zum 30. Dezember 1993 in Beschäftigungsverhältnissen (jeweils zum selben Dienstgeber) gestanden. Vom 15. März bis zum 21. Mai 1993 habe sie Krankengeld bezogen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde gründete diese Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägung:

"Nach der ab 1.1.994 geltenden Rechtslage war zu prüfen, ob Sie im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit im Jänner 1994 mindestens ein halbes Jahr ein durchgehendes Dienstverhältnis parallel zu einem Studium nachweisen können und somit als Werkstudent gelten.

Da Sie keine durchlaufende versicherungspflichtige Beschäftigung von 182 Tagen nachweisen konnten, kann ab 13.1.1994 eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 nicht erteilt werden."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der geltend gemacht wird, die Beschwerdeführerin habe die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG erfüllt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat u.a. in diesem Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 25. April 1995, Zl. A 16/95, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, näher angeführte Satzteile der hier anzuwendenden Bestimmungen des § 12 Abs. 3 lit. f und Abs. 4 AlVG in jeweils näher bezeichneten Fassungen als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 7. März 1996, G 72/95 u.a., den verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht angeschlossen und demgemäß u.a. den gegenständlichen Antrag abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, hat sich der Verwaltungsgerichtshof - unter Einbeziehung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, auf Grund derer dieser die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt hat - ausführlich mit der Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung und des § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 (die der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 im maßgebenden Zusammenhang vollkommen gleicht) befasst und ist dabei - soweit es im Beschwerdefall von Bedeutung ist - zum Ergebnis gelangt, dass bezogen auf einen dem "Studium" im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG obliegenden Arbeitslosen für die Dauer seines Studiums die - nicht im Ermessen der Behörde stehende - Zulassung einer Ausnahme (von der im § 12 Abs. 3 lit. f AlVG vorgesehenen Verneinung der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit) gemäß § 12 Abs. 4 AlVG die Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in mehr als achtzehn Wochen grundsätzlich im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit voraussetzt. Nach diesem Erkenntnis, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, genügt unter dem hier maßgebenden Gesichtspunkt des in der Vergangenheit erbrachten Erweises einer objektiven Vereinbarkeit zwischen Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung auch ein Werkstudium während mehrerer, im Wesentlichen ununterbrochener arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, deren letztes grundsätzlich unmittelbar der Arbeitslosigkeit vorangegangen sein muss und vom Arbeitslosen nicht zwecks Fortsetzung des Studiums freiwillig gelöst worden sein darf.

Unter dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist nach dem Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134, im Regelfall der Tag zu verstehen, der dem Tag der Beendigung des letzten arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses folgt, das für die Erfüllung der Anwartschaft für die betroffenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung von Bedeutung ist.

Mit dieser Interpretation der hier anzuwenden Rechtslage nach der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 (sowie, für die letzten Tage vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides, der Novelle BGBl. Nr. 314/1994) steht die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG in den hier anzuwendenden Fassungen parallel zum Studium eine "durchlaufende versicherungspflichtige Beschäftigung von 182 Tagen" voraussetze und dabei - so ist der angefochtene Bescheid zu verstehen - stets auf das Jahr vor der Beantragung der strittigen Leistung abzustellen sei, nicht im Einklang. Die belangte Behörde hat sich auf Grund ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht nur mit dem letzten Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt und es unterlassen, die für die Entscheidung des Falles unter den zuvor dargestellten Gesichtspunkten erforderlichen Feststellungen über frühere Dienstverhältnisse der Beschwerdeführerin und den Erwerb ihrer Anwartschaft auf die strittige Leistung zu treffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Nach der Aktenlage scheint die Beschwerdeführerin am 13. Jänner 1994 einen Fortbezug von Arbeitslosengeld geltend gemacht zu haben, wobei sie innerhalb eines Jahres vor dem Ende des letzten anwartschaftsbegründenden Dienstverhältnisses - als welches das letzte Dienstverhältnis vor der Antragstellung nicht in Betracht kommt - außerhalb der Hauptferien im Sommer 1993 (vgl. zu den Hauptferien etwa das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 96/08/0217, mit weiteren Nachweisen) neben ihrem Studium in der Zeit vom 2. November 1992 bis zum 14. März 1993 in einem Beschäftigungsverhältnis stand, das allein schon die erforderliche Mindestdauer der Parallelität von 18 Wochen überstieg. Dass die Beschwerdeführerin danach - bis relativ kurz vor Ende des Sommersemesters 1993 - Krankengeld bezog, trägt zum Nachweis des Werkstudiums zwar nichts bei (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0139), ist unter dem hier sachlich maßgebenden Gesichtspunkt des Werkstudiums aber auch keine für dessen Nachweis schädliche Unterbrechung, weil während der Zeit des Bezuges von Krankengeld - bei der gebotenen abstrahierenden Betrachtung - nicht nur nicht gearbeitet, sondern auch nicht studiert werden kann. Ausgehend von diesem Sachverhalt wäre die erforderliche Parallelität von Beschäftigung und Studium für die - nicht im Ermessen der Behörde liegende - Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung daher vorgelegen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 2000

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