Normen
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1996/201 impl;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1996/201 impl;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin obliegt seit 1987 einem Studium als ordentliche Hörerin an der Universität Graz. Ihrer Berufung gegen die Abweisung eines im Dezember 1994 von ihr gestellten Antrages auf Arbeitslosengeld wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Februar 1995 mit der Begründung stattgegeben, die Beschwerdeführerin sei vom 1. September 1993 bis zum 30. November 1994 praktisch ohne Unterbrechung in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden und erfüllt daher die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993).
Im Anschluß an den Bezug von Arbeitslosengeld vom 5. Dezember 1994 bis zum 23. April 1995 und von Notstandshilfe ab dem 24. April 1995 stand die Beschwerdeführerin vom 3. Juli bis zum 31. Dezember 1995 in einem Beschäftigungsverhältnis als Archäologin.
Am 29. Dezember 1995 beantragte sie (für die Zeit ab 1. Jänner 1996) die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Diesen Antrag wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Ausnahmegenehmigung" (gemeint: gemäß § 12 Abs. 4 AlVG) seien nicht erfüllt.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid machte die Beschwerdeführerin u.a. geltend, sie betreibe ihr Doktoratsstudium, das sie durch Arbeit finanziere, nebenbei, d.h. abends und an Wochenenden. Als Archäologin werde sie auch nur mit dem Doktorat eine ernste Chance auf eine längerfristige Arbeitsstellung haben.
Mit dem angefochtenen, der Beschwerdeführerin am 13. Februar 1996 zugestellten Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend wurde dazu unter Verweis auf Judikatur dargelegt, ein gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG Arbeitslosigkeit ausschließendes Studium liege solange vor, als keine Exmatrikulation vorliege, und sei daher auch während der Arbeit an einer Dissertation gegeben.
Die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG sah die belangte Behörde darin, daß die Beschwerdeführerin nicht, wie in der Bestimmung seit deren Änderung durch die Novelle BGBl. Nr. 817/1993 vorgesehen sei, vor Eintritt der Beschäftigungslosigkeit "längere Zeit hindurch" neben dem Studium beschäftigt gewesen sei. Als "längere Zeit" sei ein Jahr anzusehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Ansicht der belangten Behörde, das Doktoratsstudium der Beschwerdeführerin erfülle den Grundtatbestand des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG, tritt die Beschwerde - mit Recht - nicht entgegen (vgl. dazu zuletzt etwa das Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 98/08/0042).
Die Ausnahmevorschrift des § 12 Abs. 4 AlVG, gegen deren Nichtanwendung sich die Beschwerde richtet, ist im vorliegenden Fall in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 (und vor der neuerlichen Änderung durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201) anzuwenden. Zu dieser Fassung der Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof - wie die Beschwerdeführerin - die Auffassung vertreten, die Festlegung der Dauer der erforderlichen "Parallelität" zwischen Studium und Beschäftigung mit dem Ausdruck "längere Zeit" sei wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. In Auseinandersetzung mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1996, G 72/95 u. a., worin der Verfassungsgerichtshof den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht folgte, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, sodann näher dargelegt, daß und aus welchen Gründen er der Ansicht ist, die Bestimmung des Erfordernisses einer "längeren Zeit" mit "mehr als 18 Wochen" entspreche am ehesten den Vorstellungen des Verfassungsgerichtshofes von der nach dessen Ansicht möglichen verfassungskonformen Auslegung dieses Merkmals. Dabei wurde so vorgegangen, daß das Ausmaß des vom Verfassungsgerichtshof erwähnten Zeitraumes von "mehr als einem Semester" unter Ausklammerung der Hauptferien mit mehr als (nur) 18 Wochen bestimmt wurde. Konsequenterweise hat dies zur Folge, daß trotz des Umstandes, daß der Ausschluß der Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG auch während der Hauptferien in der Regel gegeben ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0140), eine zur Anwendung der Ausnahme des § 12 Abs. 4 AlVG führende "Parallelität" zwischen Universitätsstudium und Beschäftigung während dieser Zeit nicht begründet werden kann (vgl. in diesem Sinne - unter dem Gesichtspunkt der sich daraus andererseits ergebenden Unschädlichkeit einer Unterbrechung der Beschäftigung während dieses Zeitraumes - die Erkenntnisse vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0146 und Zl. 96/08/0150). Ob dieser Gesichtspunkt in bezug auf die am 1. Mai 1996 in Kraft getretene Neufassung des § 12 Abs. 4 AlVG durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, womit das erforderliche Ausmaß an "Parallelität" ohne Bezugnahme auf den Begriff des "Semesters" festgelegt wurde, noch zur Anwendung kommen kann, braucht aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht geprüft zu werden.
Der Standpunkt der belangten Behörde, unter "längerer Zeit" sei ein Jahr anzusehen, entspricht demnach - bei Zugrundelegung der an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes anschließenden Auslegung dieses Begriffes - nicht dem (nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes in diesem Punkt hinreichend bestimmten) Gesetz. Anderseits geht aus dem vorliegenden Sachverhalt aber auch hervor, daß die Parallelität von Studium und Beschäftigung, die der Arbeitslosigkeit der Beschwerdeführerin zuletzt "unmittelbar vorangegangen ist" (§ 12 Abs. 4 AlVG), die Dauer eines Semesters nicht überstieg, sondern - unter Bedachtnahme auf die erwähnte Ausklammerung der Hauptferien - unterschritt.
Auch das im Gesetz verankerte Erfordernis, die Vereinbarkeit von Studium und Beschäftigung müsse sich während des der Arbeitslosigkeit "unmittelbar vorangegangenen" Dienstverhältnisses erwiesen haben, hatte verfassungsrechtliche Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes hervorgerufen und den Verwaltungsgerichtshof - u.a. - zu dem Antrag veranlaßt, der Verfassungsgerichtshof möge bestimmte Teile der Regelung als verfassungswidrig aufheben. Im Anschluß an das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem dieser den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht folgte, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, ausgesprochen, die "Parallelität" müsse einerseits nur während einer im wesentlichen ununterbrochenen, wenn auch unter Umständen aus mehreren aufeinanderfolgenden Dienstverhältnissen bestehenden Beschäftigung bestanden haben (Punkt 4b des Erkenntnisses), und es genüge andererseits, wenn die geforderte Parallelität von mehr als 18 Wochen (grundsätzlich) in den letzten 52 Wochen vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit gegeben gewesen sei. Dabei wurde schon ausgeführt, daß in Einzelfällen auch eine Überschreitung dieses Zeitraumes in Betracht kommen könne (letzter Absatz in Punkt 4c des Erkenntnisses).
Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin nach dem Inhalt der vorgelegten Akten im Zeitraum vom 1. September 1993 bis zum 30. November 1994 eine die Dauer eines Jahres übersteigende Parallelität von Studium und Beschäftigung aufgewiesen, weshalb ihrer Berufung gegen die Abweisung ihres im Dezember 1994 gestellten Antrages auf Arbeitslosengeld auch Folge gegeben worden war. Im letzten Jahr vor ihrer neuerlichen Arbeitslosigkeit hatte sie demgegenüber nur eine Parallelität von weniger als einem Semester (18 Wochen außerhalb der Hauptferien) aufzuweisen, weil ihr Beschäftigungsverhältnis nicht länger gedauert hatte. Für den vorliegenden Fall ist daher entscheidend, ob unter derartigen Umständen für den nach § 12 Abs. 4 AlVG erforderlichen und durch die in der Vergangenheit liegende "Parallelität" von Studium und Beschäftigung zur erbringenden Nachweis eines "Werkstudiums" (vgl. zu diesem Zweck der Bestimmung des Ausschußbericht zu Novelle BGBl. Nr. 817/1993, 1332 Blg. Nr. 18. GP, Seite 1 f) auf Zeiten vor der - nicht nur geringfügigen - Unterbrechung der Beschäftigung durch die vorangegangene Arbeitslosigkeit zurückgegriffen werden kann.
Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß diese Frage - wenn dem Gesetz nicht ein unsachlicher Inhalt unterstellt werden soll - bejaht werden muß, wenn der Nachweis des "Werkstudiums" wie im vorliegenden Fall bereits vollständig erbracht war und dem Bezug zugrundelag, der durch ein (für den Nachweis seinerseits zu kurzes) Beschäftigungsverhältnis, während dessen Dauer die Parallelität neuerlich bestand, unterbrochen wurde. War das letzte Beschäftigungsverhältnis auch zu kurz, um anwartschaftsbegründend zu sein, so ergibt sich dies schon aus der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach unter dem Eintritt der Arbeitslosigkeit, dem die "Parallelität" von Studium und Beschäftigung "vorangegangen" sein muß, in der Regel der dem Tag der Beendigung des letzten anwartschaftsbegründenden Dienstverhältnisses nachfolgende Tag zu verstehen ist (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134, vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0034 und Zl. 96/08/0157, sowie vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0142, Zl. 96/08/0150 und Zl. 96/08/0152). Auf die "Parallelität" während späterer, kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse kommt es in diesen Fällen nicht an, weshalb sie auch für den Nachweis eines "Werkstudiums" nicht ergänzend (im Falle eines zuvor nicht ausreichenden Nachweises) herangezogen werden kann. Der schon vollständig erbrachte Nachweis eines "Werkstudiums" kann bei Anlegung eines sachlichen Beurteilungsmaßstabes aber nicht dadurch verloren gehen, daß - wie vorliegend - ein nachfolgendes, für die Wiederholung des Nachweises zu kurzes Beschäftigungsverhältnis lang genug ist, um eine neue Anwartschaft zu begründen (vgl. zu ähnlichen Überlegungen in einem anderem Zusammenhang schon das Erkenntnis vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0157). In einem solchen Fall ist vielmehr nur zu fordern, daß auch die Zeit dieses letzten Beschäftigungsverhältnisses keine ins Gewicht fallenden Unterbrechungen des Studiums aufweist. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so muß dies - wie im Falle der Beschwerdeführerin - bei Bedachtnahme auf den erklärten Regelungszweck des § 12 Abs. 4 AlVG zu dessen Anwendung führen. Daß auch in Fällen, in denen der Nachweis des Werkstudiums vor der ersten Arbeitslosigkeit noch nicht (und daher nie - für sich genommen - zur Gänze) erbracht wurde, Zeiten der "Parallelität" vor und nach einer solchen Arbeitslosigkeit zusammenzurechnen wären, folgt daraus nicht, worauf zur Vermeidung von Mißverständnissen hingewiesen sei.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen - im Ergebnis unabhängig davon, daß die belangte Behörde dem Begriff "längere Zeit" nicht die oben dargelegte Bedeutung eines (nur) 18 Wochen übersteigenden Zeitraumes beigemessen hat - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1998
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