Normen
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
ASVG §11 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
ASVG §11 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 6. April 1994 Arbeitslosengeld und legte in weiterer Folge eine mit 5. Mai 1994 datierte Arbeitsbescheinigung der K. und P. GmbH vor, wonach er bei dieser Gesellschaft vom 3. Mai 1993 bis zum 8. April 1994 als Isolierer beschäftigt gewesen und vom Dienstgeber gekündigt worden war. In Punkt 5 der Arbeitsbescheinigung war angegeben, die Bezüge seien "bis 94/04/30" ausbezahlt worden. Punkt 6 ("Kündigungsentschädigung") wies keine Eintragungen auf. Als Entgelt für den Abrechnungszeitraum "vom 1/04/94 bis 8/04/94" war ein etwa den Entgelten in den Abrechnungszeiträumen der (vollen) Monate Jänner und Februar 1994 entsprechender und das Entgelt für März 1994 (in diesem Monat hatte der Beschwerdeführer zum Teil Krankengeld bezogen) übersteigender Betrag angegeben.
Der Beschwerdeführer erhielt Arbeitslosengeld vom 6. April 1994 bis zum 29. Mai 1994 und trat am 1. Juni 1994 ein Beschäftigungsverhältnis bei einem neuen Dienstgeber an.
Am 4. August 1995 wurde ein Ausdruck "Daten der Versicherungsdatei" erstellt, wonach der Beschwerdeführer (u.a.) 1994 bis zum 30. April als Arbeiter nach dem ASVG pflichtversichert, zugleich aber schon ab dem 6. April als arbeitssuchend gemeldet gewesen und im Bezug des Arbeitslosengeldes gestanden sei.
Mit Bescheid vom 6. September 1995 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien aus, für den Zeitraum vom 6. April 1994 bis zum 30. April 1994 werde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) des dem Beschwerdeführer gewährten Arbeitslosengeldes "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 8.547,-- verpflichtet.
In der Begründung dieser Entscheidung wurde der Inhalt der §§ 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 erster Satz AlVG wiedergegeben und ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe Folgendes ergeben:
"Sie standen bis 940430 in einem Dienstverhältnis, bezogen jedoch das Arbeitslosengeld v 940406 - 940430."
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung führte der Beschwerdeführer aus, er sei arbeitslos gewesen. Die Firma habe ihn "per 08.04.94 gekündigt".
Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde erhoben, dass der Beschwerdeführer vom Dienstgeber bei der Wiener Gebietskrankenkasse zwar zunächst unter Angabe des 8. April 1994 sowohl als "Ende des Beschäftigungsverhältnisses" als auch als "Ende des Entgeltanspruches" abgemeldet worden war (die Kopie dieser Abmeldung ist aktenkundig), dies - zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt - von der "Fa. selbst" aber dahingehend berichtigt worden sei, dass zwar das Beschäftigungsverhältnis zum 8. April 1994, der Entgeltsanspruch aber erst am 30. April 1994 geendet habe (Aktenvermerk vom 17. November 1995 über ein Telefonat mit der Wiener Gebietskrankenkasse). Dieses Ermittlungsergebnis wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. November 1995 vorgehalten, wobei die Berichtigung der Abmeldung mit den Worten "neuerliche Anmeldung ... mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 8. April 1994 und Ende des Entgeltanspruches am 30. April 1994" umschrieben wurde. Der Sachverhalt, auf den sich die Rückforderung gründe, wurde dem Beschwerdeführer wie folgt dargestellt:
"Da Sie somit laut ihrer ehemaligen Firma Ihr Entgelt bis 30. April 1994 erhalten haben, wäre das bezogene Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 6. April bis 30. April 1994 zurückzufordern."
In seinem Antwortschreiben vom 10. Dezember 1995 verwies der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, dass bei der Bauarbeiterurlaubskasse für den April 1994 "nur eine Woche eingezahlt" worden sei, worüber er eine Bestätigung vorlegte.
Schließlich enthält der Akt noch einen undatierten und nicht unterschriebenen Aktenvermerk über ein Telefonat mit "Fa. P., Hr. P.", wonach "der letzte Lohn im April 94 ausbezahlt" worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Nach einer Darstellung von Gesetzestexten (wobei § 25 Abs. 1 AlVG zur Gänze wiedergegeben und der zweite Satz unterstrichen war) und des Verfahrensganges (wobei behauptet wurde, laut Auskunft der Firma P. habe der Beschwerdeführer das Entgelt "für den gesamten April 95" (gemeint: 1994) erhalten und die Zahlung sei in diesem Monat erfolgt) begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung wie folgt:
"Da nunmehr feststeht, dass Sie bis 30.4.95 in einem Beschäftigungsverhältnis zur Fa. P. gestanden sind, und es nicht relevant ist, ob Sie bis zum Schluss eine Arbeitsleistung erbracht haben, sondern wie lange Sie seitens der Firma Zahlungen erhalten haben, musste Ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 6.4.95 bis 30.4.95 widerrufen und in Höhe von S 8.547,-- zurückgefordert werden."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Weder im angefochtenen Bescheid noch in der Beschwerde wird darauf Bezug genommen, dass schon die im Zusammenhang mit der Antragstellung vom 6. April 1994 vorgelegte Arbeitsbescheinigung vom 5. Mai 1994 darüber Auskunft gab, dass dem Beschwerdeführer - bei Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 8. April 1994 - die Bezüge bis zum 30. April 1994 in einer aus dieser Bescheinigung auch genau hervorgehenden Höhe ausbezahlt worden seien ("wurden ausbezahlt bis: 94/04/30"). Das im Zusammenhang mit dem Widerruf und der Rückforderung der Leistung durchgeführte Ermittlungsverfahren ergab nichts anderes (vgl. insbesondere den Aktenvermerk vom 17. November 1995 und den darauf gestützten Vorhalt der belangten Behörde).
Im angefochtenen Bescheid wird die somit von Anfang an aktenkundige Auszahlung der Bezüge bis zum 30. April 1994 mit dem Weiterbestand des anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt gleichgesetzt. Dem ist § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG entgegen zu halten, wonach die Pflichtversicherung erst mit dem Ende des Entgeltanspruches endet, wenn der "Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses" zusammenfällt. Der Schluss von einer auf die Auszahlung der Bezüge über das gemeldete Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus gegründeten Pflichtversicherung nach dem ASVG auf den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses, auf den sich im vorliegenden Fall
- im Wege der Annahme, der Beschwerdeführer sei deshalb noch nicht arbeitslos gewesen - sowohl der Widerruf der Leistung als auch deren Rückforderung gründet, beruht daher auf einem Rechtsirrtum.
Die belangte Behörde hat auf Grund ihrer - in der Gegenschrift wiederholten - falschen Rechtsansicht nicht geprüft, ob für den strittigen Zeitraum aus anderen Gründen als deshalb, weil der Beschwerdeführer schon auf Grund der Weiterbezahlung seiner Bezüge noch beschäftigt gewesen sein müsse, ein Widerruf und allenfalls eine Rückforderung der Leistung auszusprechen sei. Der angefochtene Bescheid enthält zunächst schon keine Ausführungen darüber, warum der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld für den 6., 7. und 8. April 1994 erhielt, obwohl er stets angegeben hatte, bis 8. April 1994 beschäftigt gewesen zu sein. Mit den Ermittlungsergebnissen, auf die sich die belangte Behörde stützt, steht diese Divergenz nicht im Zusammenhang. Hinsichtlich des Zeitraumes vom 9. April 1994 bis zum 30. April 1994 ist ungeklärt, ob es sich bei der Weiterzahlung der Bezüge für diesen Zeitraum
- trotz der Vermeidung einer derartigen Zuordnung in der Arbeitsbescheinigung vom 5. Mai 1994 - um eine Kündigungsentschädigung (vgl. zu diesem Begriff im hier maßgeblichen Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 91/08/0112, Slg. Nr. 13.510/A) handelte. Traf dies zu, so ruhte der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld gemäß § 16 Abs. 1 lit. k AlVG, wobei der Beschwerdeführer in diesem Fall gemäß § 1 Abs. 6 AlVG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 trotz der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auch weiterhin der Arbeitslosenversicherungspflicht (und nicht nur der nach dem ASVG) unterlag.
Die Rückforderung des vom Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde unberechtigt empfangenen Betrages ist im angefochtenen Bescheid - sieht man von der Unterstreichung des zweiten Satzes des § 25 Abs. 1 AlVG in dessen Wiedergabe durch die belangte Behörde ab - nicht begründet. In der Gegenschrift wird dazu ausgeführt, nach Ansicht der belangten Behörde sei "der Tatbestand des § 12 Abs. 8 AlVG erfüllt".
Nach § 12 Abs. 8 AlVG gilt als arbeitslos, wer auf Grund eines allenfalls auch ungerechtfertigten Ausspruches über die Lösung einen Kündigungs- oder Entlassungsschutz genießenden Dienstverhältnisses nicht beschäftigt wird, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in dem durch die zuständige Behörde das allfällige Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses rechtskräftig entschieden oder vor der zuständigen Behörde ein Vergleich geschlossen wurde. Mit dieser Vorschrift steht der vorliegende Fall in keinem Zusammenhang. Was die belangte Behörde meinen dürfte, ist die mit der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 erfolgte Ausdehnung des Rückforderungstatbestandes des § 25 Abs. 1 zweiter Satz AlVG - über die Fälle des § 12 Abs. 8 AlVG hinaus - auf alle "Fälle, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird". Diese Bestimmung kann nicht herangezogen werden, wenn im Nachhinein nur die Vollversicherungspflicht des in seinem Bestand schon vorher unstrittigen Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wird (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 5. September 1995, Zl. 95/08/0106, vom 23. April 1996, Zl. 95/08/0127, und vom 16. Februar 1999, Zl. 97/08/0618). Beim nachträglichen Hervorkommen eines bloßen Ruhensgrundes statt eines Beschäftigungsverhältnisses kommt ihre Anwendung noch weniger in Betracht.
In der Gegenschrift wird in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, "allein die Tatsache, dass das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses rechtskräftig entschieden" worden sei, erfülle "den Rückforderungstatbestand". Damit scheint die belangte Behörde nicht ihre eigene Entscheidung über den Widerruf der Leistung wegen des angenommenen Beschäftigungsverhältnisses, sondern die im Aktenvermerk vom 17. November 1995 festgehaltene Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse zu meinen, wobei in der Gegenschrift auch noch davon die Rede ist, dass der Beschwerdeführer "auf Grund der Entscheidung und Feststellung der Gebietskrankenkasse ein durchsetzbares Recht auf Entgeltzahlung gegenüber seinem ehemaligen Dienstgeber" gehabt habe, weshalb "eine eingehende Prüfung dieses Sachverhaltes seitens der belangten Behörde" nicht nötig gewesen sei. Diese arbeitsrechtlich nicht nachvollziehbaren Ausführungen scheinen schon insofern, als in ihnen von einem rechtskräftigen Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse über die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen wird, nicht auf einer realen Grundlage zu beruhen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz im beantragten Ausmaß gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2000
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)