Normen
ABGB §1162;
AlVG 1977 §1 Abs6;
AlVG 1977 §15 Abs1 litc;
AlVG 1977 §16 Abs1 litk;
AlVG 1977 §16 Abs2;
VwRallg;
ABGB §1162;
AlVG 1977 §1 Abs6;
AlVG 1977 §15 Abs1 litc;
AlVG 1977 §16 Abs1 litk;
AlVG 1977 §16 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Inhalt der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides ist zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens folgender Sachverhalt unstrittig:
Die Beschwerdeführerin war ab 11. Juli 1988 als Lehrling beschäftigt. Am 24. Jänner 1991 wurde über das Vermögen ihres Dienstgebers (Lehrberechtigten) der Konkurs eröffnet, worauf sie am 31. Jänner 1991 gemäß § 25 KO ihren vorzeitigen Austritt aus dem Lehrverhältnis erklärte. Einem Antrag der Beschwerdeführerin entsprechend zahlte das Arbeitsamt nach dem IESG der Beschwerdeführerin den von ihr im Konkurs des Dienstgebers aus dem Titel des Schadenersatzes im Sinne des § 1162 b ABGB geltend gemachten, der Lehrlingsentschädigung für den Zeitraum vom 1. Februar bis 30. April 1991 entsprechenden Betrag von S 24.511,03 aus.
Mit Bescheid vom 28. Februar 1991 stellte das Arbeitsamt das Ruhen des Anspruches der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. Februar bis 30. April 1991 fest. Begründend vertrat es die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe im genannten Zeitraum Kündigungsentschädigung bezogen; ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe daher gemäß § 16 Abs. 1 lit. k AlVG.
Mit ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, sie habe keine Kündigungsentschädigung bezogen, sondern Schadenersatz gemäß § 1162 b ABGB. Nach dem Berufsausbildungsgesetz könne ein Lehrvertrag nicht gekündigt werden; bei dem ihr ausbezahlten Schadenersatzbetrag könne es sich daher schon begrifflich nicht um Kündigungsentschädigung handeln.
Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage sowie Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien und die Lehre vertrat sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides (zusammengefaßt) die Auffassung, auch der Schadenersatz nach § 1162 b ABGB sei unter den Begriff der Kündigungsentschädigung in § 16 Abs. 1 lit. k AlVG zu subsumieren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin vertritt im wesentlichen die Auffassung, bei Lehrlingen könne es schon aus begrifflichen Gründen keine Kündigungsentschädigung geben, da ein Lehrverhältnis nicht durch Kündigung beendet werden könne. Schadenersatz nach § 1162 b ABGB sei nicht unter den Begriff der Kündigungsentschädigung zu subsumieren; darunter sei vielmehr der in § 29 Angestelltengesetz normierte Anspruch zu verstehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der durch Art. I Z. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 29. November 1983, BGBl. 594/1983, eingeführten Vorschrift des § 16 Abs. 1 lit. k AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt.
Zur zitierten Vorschrift wird im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (84 Blg. NR. XVI. GP) folgendes ausgeführt:
"Da es in der Öffentlichkeit Anstoß erregt, wenn jemand für einen Zeitraum sowohl Kündigungsentschädigung als auch Arbeitslosengeld erhält, soll im Falle des Bezuges einer Kündigungsentschädigung der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen."
Der Begriff der "Kündigungsentschädigung" wird im AlVG zwar neben der bereits zitierten Vorschrift auch an anderen Stellen (vgl. § 1 Abs. 6, § 15 Abs. 1 lit. c, § 16 Abs. 2) verwendet; eine Legaldefinition dieses Begriffes findet sich jedoch weder im AlVG noch in anderen Gesetzen. Es handelt sich dabei aber um einen in Lehre und Rechtsprechung häufig verwendeten Begriff der Rechtssprache. Bei der Auslegung, die mit der Erforschung des Wortsinnes (nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw. dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers) zu beginnen hat, kann im vorliegenden Fall daher auf den von Lehre und Rechtsprechung umschriebenen Inhalt des Begriffes "Kündigungsentschädigung" zurückgegriffen werden. Davon ausgehend ist nicht zweifelhaft, daß mit dem "mißverständlichen" (vgl. Krejci in Rummel, ABGB, §§ 1162a, 1162b, Rz 12) Ausdruck "Kündigungsentschädigung" u.a. das dem vorzeitig begründet ausgetretenen Arbeitnehmer gebührende vertragsmäßige Entgelt für jenen Zeitraum bezeichnet wird, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen. Neben in anderen Vorschriften (vgl. § 29 Angestelltengesetz, § 29 Gutsangestelltengesetz, § 40 Abs. 2 Schauspielergesetz, § 84 Gewerbeordnung 1859, § 35 Landarbeitergesetz) normierten derartigen Ansprüchen zählt dazu auch der im vorliegenden Fall zu beurteilende Anspruch nach § 1162 b ABGB, der ebenfalls in Lehre und Rechtsprechung als "Kündigungsentschädigung" aufgefaßt wird (vgl. z.B. Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I3 308; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 493; Krejci in Rummel aaO; Pfeil, Arbeitslosengeld und Kündigungsentschädigung, DRdA 1988, 180; die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 1984, Slg. 11452/A, und vom 7. März 1989, Zl. 88/11/0115, sowie Arb 10.041, 10.468).
Daß für Lehrlinge ein besonderer Kündigungsschutz besteht, ist für die Auslegung des - insofern, als der so bezeichnete Anspruch zwar mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber mit einer Kündigung im technischen Sinn im Zusammenhang steht bzw. eine solche voraussetzt - tatsächlich mißverständlichen Begriffes "Kündigungsentschädigung" ohne Bedeutung. Auch der auf § 1162 b ABGB gestützte Anspruch des berechtigt ausgetretenen Lehrlings wird in der Judikatur als "Kündigungsentschädigung" bezeichnet (vgl. z.B. Arb 9.919, 10.056, 10.308). Nur beispielsweise sei darauf verwiesen, daß auch die Ansprüche anderer, einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz genießender Arbeitnehmer, die vorzeitig begründet ausgetreten sind oder nach unbegründeter Entlassung "Schadenersatz" gemäß § 1162 ABGB begehren (vgl. z.B. Arb 10.473, DRdA 1986, 145) als "Kündigungsentschädigung" bezeichnet werden.
Diese Auslegung wird auch dem erkennbaren Zweck der Vorschrift, dem Doppelbezug von Kündigungsentschädigung und Arbeitslosengeld vorzukehren, gerecht. Dabei ist nicht ersichtlich, daß es auf den Rechtsgrund des Anspruches auf "Kündigungsentschädigung" ankäme; es ist somit im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, ob die Kündigungsentschädigung auf Grund einer frist- oder terminwidrigen Kündigung, einer unberechtigten Entlassung oder eines berechtigten vorzeitigen Austrittes (etwa eines Lehrlings) gebührt. Ebensowenig ist ein sachlicher Grund dafür ersichtlich, den Doppelbezug von Ansprüchen (u.a.) wegen vorzeitigen berechtigten Austrittes mit Arbeitslosengeld im allgemeinen zu vermeiden, bei Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz hingegen nicht.
Das Beschwerdeargument, es sei nicht einsichtig, warum derjenige Lehrling, der das Lehrverhältnis im Sinne des § 25 Abs. 1 KO zur Auflösung bringe und noch während der dreimonatigen Frist ein neues Lehrverhältnis eingehe, besser gestellt sein solle, als jener, der keine neue Lehrstelle finde und daher auf ein entsprechendes Arbeitslosengeld angewiesen sei, verkennt, daß die ein soziales Risiko absichernde Leistung aus der Arbeitslosenversicherung einem Entgeltanspruch aus privatrechtlichem Vertrag nicht gleichgesetzt werden kann. Im übrigen wird mit der Behauptung, der Lehrling, der keine neue Lehrstelle finde, sei (implizite: auch für die Zeit des Bezuges der Kündigungsentschädigung) auf ein entsprechendes Arbeitslosengeld angewiesen, außer Acht gelassen, daß der Bezug von Arbeitslosengeld nur in jenem Zeitraum ruht, in dem es andernfalls zu einem Doppelbezug von Arbeitslosengeld und Kündigungsentschädigung käme.
Das Beschwerdeargument, die Rechtsansicht der belangten Behörde sei auch aus sozialversicherungsrechtlichen Erwägungen problematisch, weil die Pflichtversicherung mit dem Tag der Lehrvertragsauflösung erlösche, ist schon im Hinblick auf § 1 Abs. 6 AlVG bzw. § 11 ASVG nicht nachvollziehbar. Nach den zitierten Vorschriften endet die Pflichtversicherung erst mit dem Ende jenes Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gewährt wird (vgl. zu § 11 ASVG das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1984, Slg. 11452/A; Arb 10.189).
Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
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