Normen
ABGB §90;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
ABGB §90;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der seit 10. Juni 1994 - mit Unterbrechungen - im Bezug der Notstandshilfe stehende Beschwerdeführer wurde mit Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz vom 15. Februar 1995 davon verständigt, dass sein Anspruch auf Notstandshilfe ab dem 7. Februar 1995 S 328,-- und vom 1. März 1995 bis zum voraussichtlichen Ende der Leistung am 8. Juni 1995 S 350,30 täglich betrage.
Mit Schreiben vom 21. Februar 1995 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung in Bescheidform. Er brachte vor, mit seiner in derselben Wohnung lebenden Ehegattin in näher beschriebener Weise keinen gemeinsamen Haushalt zu führen, weshalb die seiner Ehegattin gewährten Bezüge nicht anrechenbar seien. Der gemeinsame Sohn absolviere seit dem 1. Februar 1995 den Zivildienst.
Mit Bescheid vom 2. März 1995 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz die Notstandshilfe des Beschwerdeführers "ab 7.2.1995 mit täglich S 328,-- und ab 1.3.1995 mit täglich S 350,30" bemessen. In der Begründung dieser Entscheidung wurde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin "in aufrechter Ehe" lebe, und die (niedrigere) Notstandshilfe der Ehegattin des Beschwerdeführers unter Abzug der - mit Hinweis auf die getrennte Haushaltsführung um 30 % erhöhten - Freigrenze von S 7.143,50 auf die Notstandshilfe des Beschwerdeführers angerechnet. Ausgehend von einer Notstandshilfe der Ehegattin des Beschwerdeführers in der Höhe von S 8.571,-- bis 31. Jänner 1995 und (wegen Entfalls des Familienzuschlages infolge des Zivildienstes des Sohnes) S 7.893,--
ab dem 1. Februar 1995 ergebe sich ein Anrechnungsbetrag von S 1.428,-- "für den Zeitraum 7.2.1995" und S 750,-- ab 1. März 1995.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er schon seit Jahren von seiner Ehegattin unter näheren beschriebenen Umständen getrennt lebe und eine Einkommensanrechnung daher nicht stattzufinden habe. Seine Ehegattin, die eine Ehescheidung "angeblich aus weltanschaulichen Gründen" ablehne, erbringe keinerlei Leistungen für ihn, weshalb er auch keinen Unterhalt leiste. Der gemeinsame Sohn, der zum Beschwerdeführer keinen persönlichen Kontakt pflege, habe im Haushalt seiner Mutter gelebt. Beantragt werde die Gewährung der vollen Notstandshilfe ohne Anrechnungen.
Am 6. Juni 1995 beantragte der Beschwerdeführer - mit Wirksamkeit ab 9. Juni 1995 - neuerlich Notstandshilfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. August 1995 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers "teilweise statt", indem sie die Notstandshilfe des Beschwerdeführers "ab dem 7.2.1995" mit täglich S 318,60 (also niedriger als im erstinstanzlichen Bescheid) und "ab dem 1.3.1995" mit täglich S 367,60 (statt S 350,30) bemaß. Dabei ging die belangte Behörde - wie die Behörde erster Instanz - von einer Einkommensanrechnung unter Berücksichtigung der erhöhten Freigrenze von insgesamt S 7.143,50 und einer täglichen Notstandshilfe der Ehegattin des Beschwerdeführers von S 285,70 im Jänner 1995 und S 263,10 ab dem 1. Februar 1995 aus. Die Berechnungsunterschiede ergaben sich daraus, dass die Behörde erster Instanz die Monatsleistung an die Ehegattin des Beschwerdeführers jeweils mit dem Dreißigfachen der täglichen Notstandshilfe berechnet hatte, während die belangte Behörde für Jänner 1995 eine Auszahlung der Leistung für 31 Tage und für die Zeit "seit 1.2.1995" eine Auszahlung an 28 Tagen im Monat annahm.
Zur Begründung dafür, warum eine Einkommensanrechnung trotz getrennter Haushaltsführung stattzufinden habe, verwies die belangte Behörde auf einen Bescheid vom 13. Juni 1988, worin dies dem Beschwerdeführer schon erklärt worden sei. Die entsprechenden Ausführungen in dem Bescheid vom 13. Juni 1988 - der mit den Verwaltungsakten vorgelegt wurde - lauten:
"Gemäß § 94 ABGB sind Ehegatten zum gesetzlichen Unterhalt verpflichtet, wobei unmaßgeblich ist, ob eine gemeinsame Haushaltsführung vorliegt oder nicht.
Daraus resultiert, dass jedenfalls das Einkommen Ihrer Gattin bei der Beurteilung der Notlage zu berücksichtigen ist.
In Anbetracht der besonderen Umstände, die aus den bereits zitierten Ermittlungen eindeutig hervorgehen, vertritt der Berufungsausschuss jedoch die Ansicht, dass in Ihrem Falle davon auszugehen ist, dass eine getrennte Haushaltsführung vorliegt. Dieser Umstand wird als besonders berücksichtigungswürdig erachtet und rechtfertigt eine Freigrenzenerhöhung um 30 v.H."
In der vorliegenden, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer - insoweit sich seine Ausführungen an den Verwaltungsgerichtshof richten - im Wesentlichen geltend, die Einkommensanrechnung sei bei getrennter Haushaltsführung nicht zulässig. Darüber hinaus wird dargelegt, der Beschwerdeführer schulde seiner Ehegattin aufgrund ihres näher beschriebenen Verhaltens keinen Unterhalt und sie erbringe an ihn "weder Unterhaltsleistungen noch Haushaltsleistungen irgendwelcher Art".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat in ihrem dem Beschwerdeführer am 23. August 1995 zugestellten Bescheid die Notstandshilfe des Beschwerdeführers für die Zeit "ab dem 7.2.1995" mit täglich S 318,60 und für die Zeit "ab dem 1.3.1995" mit täglich S 367,60 festgesetzt. Das ist zunächst dahingehend zu deuten, dass dem Beschwerdeführer der Betrag von täglich S 318,60 nur bis Ende Februar 1995 und für die Zeit ab dem 1. März 1995 der Betrag von täglich S 367,60 an Stelle des Betrages von täglich S 318,60 (und nicht zusätzlich) zustehen sollte.
Hinsichtlich des Betrages von täglich S 367,60 hätte die belangte Behörde - dem Wortlaut nach - über den Anspruch des Beschwerdeführers in der Form eines "offenen Abspruchs" und somit bis zur Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse, zumindest aber bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides entschieden. Richtigerweise war Gegenstand des Verfahrens aber nur der noch offene Restanspruch des Beschwerdeführers aufgrund seines im Juni 1994 gestellten Antrags auf Notstandshilfe. Da der Bescheid der belangten Behörde zu einem späteren Zeitpunkt erging, hätte es im Spruch der Entscheidung einer entsprechenden zeitlichen Eingrenzung bedurft, worauf bei der Erlassung des Ersatzbescheides zu achten sein wird.
Die belangte Behörde scheint darüber hinaus im Abspruch über die Zeit "ab dem 1.3.1995" von Verhältnissen ausgegangen zu sein, die - bei der von der belangten Behörde vorgenommenen, jeweils auf den Folgemonat bezogenen Anrechnung des Einkommens der Ehegattin des Beschwerdeführers - nur für den Monat März 1995 Gültigkeit haben konnten, weil sich der zugrunde gelegte Anrechnungsbetrag aus der für die 28 Tage des Monats Februar 1995 an die Ehegattin des Beschwerdeführers ausgezahlten Notstandshilfe ergab. Mit Schreiben vom 13. September 1995 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer daher mit, die im angefochtenen Bescheid erfolgte Feststellung der Leistungshöhe "ab 1.3.1995" gelte "naturgemäß nicht über den März 1995 hinaus" und es bestünden - so sind die sprachlich nicht völlig klaren Ausführungen in diesem Schreiben zu verstehen - "ab 1.4.1995 ... Änderungen im Sachverhalt", die eine vom angefochtenen Bescheid abweichende Berechnung der Notstandshilfe erlaubten. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde auf diese Sachverhaltsänderungen in ihrem erst im August 1995 erlassenen Bescheid schon Bedacht zu nehmen gehabt hätte. Folgte man den Ausführungen in diesem nachträglichen Schreiben der belangten Behörde, so hätte diese bei der Bescheiderlassung offenbar gemeint, "Sache" des Berufungsverfahrens sei überhaupt nur die Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides vom 2. März 1995 und nicht - angesichts des zeitlich offenen Abspruches im erstinstanzlichen Bescheid - auch die daran anschließende Zeit (hier: bis zum Anspruchsende noch vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides) gewesen. Auch darin läge eine Verkennung der Rechtslage.
Eine weitere Auseinandersetzung mit diesen Unzulänglichkeiten des angefochtenen Bescheides erübrigt sich aber, weil die ihm zugrunde liegende Beurteilung des Anspruches des Beschwerdeführers für keinen der in Betracht kommenden Teilzeiträume zutrifft:
Gemäß § 2 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 388/1989, sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen. Durch eine vorübergehende Abwesenheit (Kur-, Krankenhausaufenthalt, Arbeitsverrichtung an einem anderen Ort u. ä.) wird der gemeinsame Haushalt nicht aufgelöst. Gleiches gilt, wenn der (die) Arbeitslose die Hausgemeinschaft mit dem Ehepartner (Lebensgefährte bzw. der Lebensgefährtin) nur deshalb aufgegeben hat oder ihr ferngeblieben ist, um der Anrechnung des Einkommens zu entgehen.
Zur Anrechnungsvoraussetzung eines gemeinsamen Haushaltes zwischen Ehegatten kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 97/08/0168, und die dort zitierte Vorjudikatur verwiesen werden. Daraus ist hervorzuheben, dass die Behörden vor dem Hintergrund des § 90 ABGB, wonach Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft sowie (u.a.) auch zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet sind, grundsätzlich vom typischen Bild einer aufrechten Ehe ausgehen dürfen, solange nicht die Parteien eine davon abweichende Lebensführung behaupten und die erforderlichen Beweismittel benennen oder beibringen (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zlen. 92/08/0177, 0179; zu Fragen der Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der Behauptung getrennter Haushalte in derselben Wohnung das Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zlen. 92/08/0021, 0022). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde schon in dem früheren Bescheid, auf den im angefochtenen Bescheid verwiesen wird, dargelegt, "in Anbetracht der besonderen Umstände", die aus den damals geführten Ermittlungen eindeutig hervorgegangen seien, sei im Fall des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass eine getrennte Haushaltsführung vorliege. Im angefochtenen Bescheid wird hervorgehoben, dass sich daran nichts geändert habe und "eine getrennte Haushaltsführung ... ohnehin vom Arbeitsmarktservice anerkannt" werde. Da es sich dabei um eine gemischte Tat- und Rechtsfrage handelt, ist die von den Parteien geteilte Annahme des Fehlens eines gemeinsamen Haushaltes auch der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde zu legen (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0175).
Damit lagen die Voraussetzungen der von der belangten Behörde vorgenommenen Einkommensanrechnung - mit Rücksicht darauf, dass auch nicht festgestellt wurde, der gemeinsame Haushalt sei nur aufgegeben worden, um der Einkommensanrechnung zu entgehen - aber nicht vor (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 96/08/0342). Wenn die belangte Behörde angesichts des wiedergegebenen Inhaltes des § 2 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung meint, die gemeinsame Haushaltsführung sei für die Einkommensanrechnung "unmaßgeblich" und es genüge zur Berücksichtigung der getrennten Haushaltsführung die Zuerkennung einer mehr oder weniger großzügigen Freigrenzenerhöhung, so steht dies in einem klaren Widerspruch zu der von der belangten Behörde anzuwendenden Vorschrift.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Auf die zusätzlich begehrten Beträge (Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand für die "Verfassungsgerichtshofbeschwerde" und "Porti") hat der Beschwerdeführer danach nicht Anspruch.
Wien, am 15. November 2000
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