VwGH 99/12/0199

VwGH99/12/019917.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der HK in W, vertreten durch Dr. Thomas Herzka, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 14/3, gegen den Bescheid des Personalamtes beim Vorstand der Post- und Telekom Austria Aktiengesellschaft vom 1. Juli 1999, Zl. 123 591-HC/99, betreffend Versorgungsgenuss nach dem Pensionsgesetz 1965 zu Recht erkannt:

Normen

AußStrG §224 idF 1978/280;
AußStrG §224 idF 1999/I/125 impl;
AußStrG §6;
AVG §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z3;
DVG 1984 §1;
EheG §46;
EheG §55a;
EheRÄG 1999 Art3 Z2 impl;
PG 1965 §1 Abs6;
PG 1965 §19;
ZPO §292;
ZPO §411 Abs1;
ZPO §416 Abs1;
ZPO §472;
AußStrG §224 idF 1978/280;
AußStrG §224 idF 1999/I/125 impl;
AußStrG §6;
AVG §38;
AVG §45 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z3;
DVG 1984 §1;
EheG §46;
EheG §55a;
EheRÄG 1999 Art3 Z2 impl;
PG 1965 §1 Abs6;
PG 1965 §19;
ZPO §292;
ZPO §411 Abs1;
ZPO §416 Abs1;
ZPO §472;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

Begründung

Mit Schreiben vom 29. Jänner 1999 beantragte die Beschwerdeführerin bei der zuständigen Behörde 1. Instanz die Überweisung ihres Witwenversorgungsgenusses. In einer formularmäßigen Erklärung gab sie unter anderem an, dass ihre Ehe mit dem Beamten im Ruhestand Franz K bis zu dessen Tod am 15. Jänner 1999 weder geschieden, aufgehoben noch für nichtig erklärt worden sei. Dem war eine Ablichtung der von einem Standesbeamten des Standesamtes Wien-Ottakring am 28. Jänner 1999 vorgenommenen Eintragung in das Sterbebuch sowie eine Heiratsurkunde angeschlossen, die diese Angaben bestätigten.

Im Zuge des Verfahrens teilte jedoch das Standesamt Wien-Ottakring der Pensions-Dienstbehörde 1. Instanz mit Schreiben vom 12. März 1999 mit, dass Franz K zum Zeitpunkt seines Todes von der Beschwerdeführerin geschieden gewesen sei. Der rechtskräftige Beschluss des Bezirksgerichtes (BG) H, 2 C 200/98p, sei dem Standesamt erst am 10. März 1999 zugegangen, sodass Ende Jänner 1999 die Scheidung noch nicht bekannt gewesen sei.

Über Ersuchen übermittelte das BG H den obzitierten Beschluss über die Scheidung im Einvernehmen nach § 55a EheG vom 17. Dezember 1998. Die Ausfertigung dieses Beschlusses trägt folgenden um die Daten handschriftlich ergänzten, kanzleimäßig beglaubigten Stempelaufdruck (im Folgenden Rechtskraftbestätigung genannt): "Diese Ausfertigung ist rechtskräftig seit 8.1.1999."

In einem Begleitschreiben teilte das BG H mit, in der Rechtssache der antragstellenden Parteien betreffend die einvernehmliche Scheidung sei der Scheidungsbeschluss vom 17. Dezember 1998 am 8. Jänner 1999 rechtskräftig geworden. Eine Verzögerung der Rechtskraft habe sich daraus ergeben, dass in den für die Scheidung im Einvernehmen unbedingt erforderlichen Vergleich unter Punkt 5 die Tochter der Antragsteller eine Verpflichtung zur Abgeltung von Investitionsansprüchen des Franz K in der Höhe von S 150.000,-- übernommen habe. Der Rechtsmittelverzicht der Erstantragstellerin (= Beschwerdeführerin) sei mit dem Beitritt der Tochter zu diesem Vergleich bedingt worden. Franz K habe einen "unmittelbaren" Rechtsmittelverzicht abgegeben. Am 8. Jänner 1999 sei die Tochter dem Vergleich durch Unterschrift vor Gericht beigetreten. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Rechtsmittelverzicht der Erstantragstellerin wirksam und der Scheidungsbeschluss rechtskräftig geworden.

Mit Bescheid vom 14. Mai 1999 legte die Behörde 1. Instanz gemäß § 19 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) den monatlichen Versorgungsgenuss der Beschwerdeführerin mit S 5.075,-- fest und sprach ihr auch eine Ergänzungszulage nach § 26 leg. cit. zu. Sie ging dabei davon aus, dass die Ehe der Beschwerdeführerin mit dem Verstorbenen vor dessen Ableben mit der am 8. Jänner 1999 eingetretenen Rechtskraft des Beschlusses des BG H vom 17. Dezember 1998 geschieden worden sei. Dementsprechend sei bei der Bemessung ihres Versorgungsgenusses von dem monatlichen Unterhaltsanspruch laut Scheidungsvergleich vom 17. Dezember 1998 sowie bei der Bemessung der Ergänzungszulage nach § 26 PG auch von ihrer Eigenpension auszugehen gewesen (wird näher ausgeführt).

In ihrer Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, nach dem PG sei für den Anspruch auf Zuerkennung des Ruhegenusses auf die materielle Rechtslage zum maßgebenden Zeitpunkt abzustellen. Dabei sei die Pensionsbehörde an die zivilrechtlichen Vorschriften und die durch das Gericht rechtskräftig geschaffene Rechtslage gebunden. Die Behörde verwechsle aber offenbar die formelle mit der materiellen Rechtskraft. Unter Rechtskraft im Sinne des § 224 Abs. 1 Außerstreitgesetz (AußStrG) sei nur die formelle Rechtskraft nach § 411 ZPO zu verstehen. Formelle Rechtskraft einer Entscheidung bedeute deren Unanfechtbarkeit; diese trete u.a. dann ein, wenn die Parteien auf ihr Rechtsmittel verzichtet hätten. Bei Ehescheidungsurteilen oder -beschlüssen handle es sich um einen rechtsgestaltenden richterlichen Akt, dessen allseitige Gestaltungswirkung jedoch erst mit der materiellen Rechtskraft gegeben sei. Diese allseitige Bindung als Folge der materiellen Rechtskraft trete jedoch erst mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung an die Parteien des Verfahrens ein (Hinweis auf § 416 ZPO). Auch bei einem Rechtsmittelverzicht trete die Wirkung der Ehescheidung im Sinn des § 46 Abs. 2 EheG erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung ein (wird näher an Hand der Rechtsprechung zu den Scheidungsurteilen im streitigen Eheverfahren dargelegt). Im Beschwerdefall sei zwar auf Grund ihres Rechtsmittelverzichtes (ab dessen Wirksamkeit am 8. Jänner 1999) der Scheidungsbeschluss des BG H nach § 55a EheG vom 17. Dezember 1998 nicht mehr anfechtbar (d.h. formell rechtskräftig) gewesen. Die Rechtsgestaltungswirkung dieses Beschlusses sei aber nicht eingetreten, weil ihrem Gatten Franz K dieser Beschluss infolge Ablebens nicht mehr zugestellt habe werden können. Die Behörde 1. Instanz habe es unterlassen, beim BG H entsprechende Erkundigungen einzuholen, ob dessen Beschluss vom 17. Dezember 1998 in Rechtskraft erwachsen sei. Bei zutreffender rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass sie mit Franz K im Zeitpunkt seines Todes in aufrechter Ehe gelebt habe, weshalb ihr ein Ruhegenuss in Höhe der vollen Witwenpension zustehe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 1999 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 1 Abs. 6 und § 19 PG ab. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, gemäß § 46 EheG werde die Ehe durch gerichtliche Entscheidung geschieden und mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Der Behörde liege der Scheidungsbeschluss des BG H vom 17. Dezember 1998 mit der Rechtskraftbestätigung "Rechtskräftig seit 8.1.1999" vor. Die Behörde 1. Instanz habe das BG H um eine gesonderte Mitteilung über den Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses ersucht, worauf ihr mitgeteilt worden sei, dass die Rechtskraft am 8. Jänner 1999 eingetreten sei. Der Übernahme der Beschlussausfertigung durch die antragstellenden Parteien des Scheidungsverfahrens sei bezüglich dessen Rechtskraft keine Bedeutung zugemessen worden. Diese Auskunft des zuständigen BG sei für die verwaltungsbehördliche Entscheidung bindend gewesen. Es sei daher im Beschwerdefall zutreffend § 19 PG angewendet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Dem Verwaltungsgerichtshof wurden über sein Ersuchen vom BG H die Akten des Scheidungsverfahrens der Beschwerdeführerin vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

1. Pensionsgesetz 1965 (PG)

1.1. Nach § 1 Abs. 3 PG sind Hinterbliebene der überlebende Ehegatte, die Kinder und der frühere Ehegatte des verstorbenen Beamten.

Überlebender Ehegatte (Witwe, Witwer) ist nach § 1 Abs. 4 PG, wer im Zeitpunkt des Todes des Beamten mit diesem verheiratet gewesen ist.

Früherer Ehegatte (frühere Ehefrau, früherer Ehemann) ist nach § 1 Abs. 6 leg. cit., wessen Ehe mit dem Beamten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist.

1.2. Abschnitt III des PG regelt die Versorgungsbezüge der Hinterbliebenen. Im Unterabschnitt A (§§ 14-16) sind die Bestimmungen über den Versorgungsbezug des überlebenden Ehegatten enthalten. Das Ausmaß des Witwen- und Witwerversorgungsgenusses beträgt mindestens 40, höchstens 60 v.H. des Ruhegenusses, auf den der verstorbene Beamte am Sterbetag Anspruch gehabt hat oder im Falle der mit dem Ablauf dieses Tages erfolgten Versetzung in den Ruhestand gehabt hätte (§§ 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 15a PG). Auf den Bestand eines Unterhaltsanspruches bzw. eines entsprechenden Titels des überlebenden Ehegatten zu diesem Zeitpunkt kommt es nicht an.

1.3. Im Unterabschnitt C des Abschnittes III ist der Versorgungsbezug des früheren Ehegatten (§ 19 PG) geregelt. Das Ausmaß seines Versorgungsbezuges richtet sich nach dem ihm in bestimmter Form gegenüber dem verstorbenen Beamten an dessen Todestag eingeräumten Unterhaltsanspruch (§ 19 Abs. 1 leg. cit.), unter bestimmten Voraussetzungen nach der nachweislich regelmäßigen Unterhaltsleistung an ihn (§ 19 Abs. 1a PG). Wegen der sinngemäßen Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten kann der Versorgungsbezug des früheren Ehegatten nicht über den Anspruch der Witwe/des Witwers hinausgehen.

2. Ehegesetz (EheG)

Nach § 46 EheG wird die Ehe durch gerichtliche Entscheidung geschieden. Sie ist mit Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung begehrt werden kann, ergeben sich aus den nachstehenden Vorschriften.

Gemäß § 55a EheG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 280/1978 können die Ehegatten die Scheidung gemeinsam begehren, wenn ihre eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben, beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zugestehen und zwischen ihnen Einvernehmen über die Scheidung besteht (Abs. 1).

Die Ehe darf nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung u.a. über ihre unterhaltsrechtliche Beziehung und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen (Abs. 2 Satz 1).

3. Außerstreitgesetz (AußStrG)

3.1. Für das Verfahren der Scheidung im Einvernehmen nach § 55a EheG gilt seit der Novelle BGBl. Nr. 280/1978 das AußStrG, RGBl. Nr. 208/1854 ( Einfügung der §§ 220 bis 228).

3.2. § 224 AußStrG in der im Beschwerdefall auf Grund der zeitlichen Lagerung maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 280/1978 lautet:

"(1) Jeder Ehegatte kann den Antrag auf Scheidung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme des Antrages hat die Folge, dass ein schon ergangener Scheidungsbeschluss wirkungslos wird, ohne dass dieser einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Gleiches gilt, wenn ein Ehegatte vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses stirbt."

3.3. Gemäß § 226 Abs. 2 Z. 3 AußStrG hat der auf Scheidung lautende Beschluss den Ausspruch zu enthalten, dass die Ehe mit der Wirkung geschieden wird, dass sie mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst ist.

3.4. Nach Z. 2 des Art. III des Eherechts-Änderungsgesetzes 1999 (EheRÄG 1999), BGBl. I Nr. 125/1999, wird § 224 AußStrG (mit Wirkung vom 1. Jänner 2000; vgl. dazu die Bestimmung des Art. VII Z. 1 leg. cit.) wie folgt abgeändert:

a) In Abs. 1 wird nach der Wendung "Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses" das Klammerzitat "(§ 411 Abs. 1 ZPO)",

b) in Abs. 2 zweiter Satz nach der Wendung "Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses" das Klammerzitat "(§ 416 Abs. 1 ZPO)" eingefügt.

Die EB zur RV zum EheRÄG 1999, 1653 Blg StenProt NR XX. GP, begründen die Abänderung in Art. III Z. 2 auf Seite 31 damit, dass im Zusammenhang mit Verfahren über die Scheidung einer Ehe nach § 55a EheG in der Praxis immer wieder Zweifel darüber aufgetreten seien, ob im Fall eines Rechtsmittelverzichtes der Ehegatten nach mündlicher Verkündung des Scheidungsbeschlusses die eheauflösende Rechtswirkung der Ehescheidung (Hervorhebung im Original) nun mit diesem Verzicht (formelle Rechtskraft) oder aber erst mit der Zustellung der Beschlussausfertigung an beide Parteien (materielle Rechtskraft) eingetreten sei. Die Frage könne große statusrechtliche Bedeutung haben; man denke nur etwa an die Unwirksamkeit eines bereits ergangenen Scheidungsbeschlusses bei Versterben eines Ehegatten vor Eintritt der Rechtskraft (§ 224 Abs. 2 AußStrG) oder an die Frage, ab welchem Zeitpunkt den (ehemaligen) Ehegatten eine neuerliche Verehelichung möglich sei. Wegen ihrer Wichtigkeit solle diese Frage im Sinn der dazu herrschenden Meinung (es folgen Zitate) "gesetzlich ausdrücklich klargestellt werden." Dies solle durch das Einfügen des Klammerzitates "(§ 416 Abs. 1 ZPO)" in § 224 Abs. 2 zweiter Satz AußStrG geschehen. Durch dieses Klammerzitat werde zum Ausdruck gebracht, dass es in Konstellationen wie der geschilderten (Anmerkung: Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft) "auf die Zustellung und nicht etwa auf die Verkündung des Scheidungsbeschlusses durch das Gericht und den nachfolgenden Rechtsmittelverzicht" ankomme. "Erst mit der Zustellung des Scheidungsbeschlusses an beide Ehegatten ist die Ehe rechtskräftig geschieden und damit das Eheband aufgelöst" (Hervorhebungen im Original).

Davon zu unterscheiden sei die in § 224 Abs. 1 AußStrG geregelte Frage, "bis wann ein Ehegatte den Scheidungsantrag zurücknehmen kann. § 224 Abs. 1 AußStrG stellt dafür irreführenderweise ebenso wie § 224 Abs. 2 zweiter Satz AußStrG auf die 'Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses' ab, doch ist damit nach einhelliger Auffassung die formelle Rechtskraft, nämlich ihre Unanfechtbarkeit im Sinne des § 411 Abs. 1 ZPO gemeint" (Hervorhebungen im Original). Zur besseren Unterscheidung von dem hievon abweichenden Rechtskraftbegriff in § 224 Abs. 2 zweiter Satz AußStrG werde dies durch das Klammerzitat "(§ 411 Abs. 1 ZPO)" verdeutlicht.

4. Zivilprozessordnung (ZPO)

4.1. Nach § 292 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründen Urkunden, welche im Geltungsgebiete dieses Gesetzes von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form errichet sind (öffentliche Urkunden), vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt, oder von der Behörde oder der Urkundsperson bezeugt wird.

Der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung ist nach Abs. 2 dieser Bestimmung zulässig.

4.2. Nach § 411 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbare Urteile der Rechtskraft insoweit teilhaftig, als in dem Urteile über einen durch Klage oder Widerklage geltend gemachten Anspruch oder über ein im Laufe des Prozesses strittig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht entschieden ist, hinsichtlich dessen gemäß §§ 236 oder 259 die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens begehrt wurde.

4.3. Gemäß § 416 Abs. 1 ZPO wird das Urteil den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsausfertigung wirksam.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist das Gericht jedoch an seine Entscheidung gebunden, sobald dieselbe verkündet oder im Falle des § 415 in schriftlicher Abfassung zur Ausfertigung abgegeben ist.

II. Beschwerdeausführungen

1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem Vorbringen in ihrem Recht auf " volle" Witwenpension verletzt.

2.1. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt sie im Wesentlichen wie bereits im Verwaltungsverfahren vor, auch die belangte Behörde habe den Unterschied zwischen der materiellen und formellen Rechtskraft verkannt. Der Scheidungsbeschluss des BG H vom 17. Dezember 1998 sei ihrem Gatten Franz K bis zu dessen Ableben nicht zugestellt worden und entfalte daher keine Rechtswirksamkeit. Die vom BG H eingeholte Auskunft besage nur, dass der obgenannte Scheidungsbeschluss seit 8. Jänner 1999 formell rechtskräftig sei. Das BG sei auch nicht zu mehr verpflichtet gewesen, als die "formelle" Rechtskraft der Ehescheidung zu bestätigen. Die Behörden des pensionsrechtlichen Verfahrens seien von der unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen, dass mit der formellen Rechtskraft auch die Gestaltungswirkung des Scheidungsbeschlusses eingetreten sei. Bei zutreffender rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde aber davon ausgehen müssen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Todes von Franz K mit diesem in aufrechter Ehe verheiratet und daher pensionsrechtlich als Witwe zu behandeln gewesen sei.

2.2. Die belangte Behörde vertrat hiezu in ihrer Gegenschrift die Auffassung, die materielle Rechtskraft sei von verschiedenen Faktoren wie z.B. Aktenlauf im Gericht oder allfälliger Ortsabwesenheit der Streitteile abhängig. Da diese Faktoren der belangten Behörde (als außenstehendem Dritten) nicht bekannt sein könnten, sei sie an die Aussagen des Gerichtes zur Rechtskraft gebunden. Mit Schreiben vom 18. Februar 1999 habe das BG H mitgeteilt, dass die Ehe der Beschwerdeführerin mit Wirksamkeit vom 8. Jänner 1999 rechtskräftig geschieden worden sei. Die belangte Behörde sei daher an diese Auskunft des Gerichtes gebunden gewesen; deshalb sei diese Auskunft auch dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegt worden. Die Beschwerdeführerin habe auch überhaupt keine Aussage dazu getroffen, ob und wann ihr selbst der Scheidungsbeschluss zugestellt worden sei. Wenn ihr aber der Scheidungsbeschluss zugegangen sei - davon könne mangels gegenteiliger Behauptungen ausgegangen werden - hätte dieser Beschluss zumindest ihr gegenüber Rechtswirkungen entfaltet und sie müsse diese auch gegen sich gelten lassen.

2.3. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

2.3.1. Aus dem vom Verwaltungsgerichtshof angeforderten Akt des BG H, 2 C 200/98p, und den von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass der Scheidungsbeschluss nach § 55a EheG vom 17. Dezember 1998 von der Richterin in Anwesenheit beider Antragsteller an diesem Tag verkündet worden war. Franz K hatte einen unbedingten, die Beschwerdeführerin einen "bedingten" Rechtsmittelverzicht abgegeben. Die von ihr beigefügte Bedingung wurde durch die Unterfertigung des gerichtlichen Vergleichs durch ihre Tochter am 8. Jänner 1999 erfüllt. Die Zustellung des Scheidungsbeschlusses vom 17. Dezember 1998 und des Vergleiches vom selben Tag erfolgte laut Rückschein an den Rechtsvertreter von Franz K am 25. Jänner 1999, also nach dessen Tod am 15. Jänner 1999, an die Beschwerdeführerin durch Hinterlegung am 27. Jänner 1999. 2.3.2. Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob die Beschwerdeführerin mit dem Beamten des Ruhestandes Franz K im Zeitpunkt seines Todes noch durch das Band der Ehe verbunden war oder die Ehe zu diesem Zeitpunkt zu dem in der Rechtskraftbestätigung angeführten Datum (8. Jänner 1999) bereits geschieden war. Die Klärung des Personenstandes der Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt ist im Beschwerdefall deshalb von Bedeutung, weil das PG die versorgungsrechtliche Stellung der Witwe (§ 1 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 14 ff) anders regelt als die des früheren Ehegatten (§ 1 Abs. 6 in Verbindung mit § 19) und auch im Beschwerdefall der Versorgungsgenuss der Beschwerdeführerin je nach ihrem Status unterschiedlich hoch wäre.

Dabei sind folgende zwei nach dem Sachverhalt des Beschwerdefalles und dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgeworfene Fragen zu unterscheiden und getrennt zu behandeln:

a) Wann löst ein mündlich verkündeter Scheidungsbeschluss nach § 55a EheG, gegenüber dem die Antragsteller einen Rechtsmittelverzicht abgegeben haben, die Ehe auf? (siehe dazu unten 2.3.2.1.)

b) Sind die Pensions-Dienstbehörden im pensionsrechtlichen Bemessungsverfahren an das in der "Rechtskraftbestätigung" des Scheidungsbeschlusses des Gerichtes genannte Datum gebunden oder können/müssen sie allenfalls in diesem Vermerk unterlaufene Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten für ihr Verfahren (vorläufig) selbständig im Rahmen der Prüfung des Personenstandes des Versorgungsberechtigten beurteilen, solange darüber keine abschließende richterliche Entscheidung vorliegt? (siehe dazu unten 2.3.2.2.)

2.3.2.1. Die unter a) gestellte Frage ist im Beschwerdefall an Hand des EheG in Verbindung mit den verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AußStrG (§§ 220 ff, insbesondere dessen § 224) in der Fasssung der Novelle BGBl. Nr. 280/1978 zu lösen.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der herrschenden Auffassung zur Auslegung des § 224 AußStrG (in der genannten Fassung) an. Danach stellt § 224 Abs. 1 AußStrG in Verbindung mit dem ersten Satz nach Abs. 2 dieser Bestimmung, der die Frage regelt, bis wann ein Ehegatte den Scheidungsantrag nach § 55a EheG zurücknehmen kann und welche Folgen dies für das Scheidungsverfahren hat, auf die formelle Rechtskraft (im Sinne des § 411 Abs. 1 ZPO) ab. Hingegen knüpft § 224 Abs. 2 zweiter Satz AußStrG, der die Bedeutung des Versterbens eines Ehegatten vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses regelt, an der materiellen Rechtskraft (im Sinn des § 416 Abs. 1 ZPO) bzw. der damit verbundenen Gestaltungswirkung (vgl. dazu näher Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozessrechtes, 2. Auflage, Rz 1555 ff) an. Dies bedeutet, dass - soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist - die Rücknahme eines Antrages nach § 55a EheG nur bis zur Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes möglich war. Darin erschöpft sich aber die Wirkung des Rechtsmittelverzichtes. Die Auflösung der Ehe im Sinne des § 46 EheG tritt dagegen erst mit Zustellung (zur Problematik eines Verzichtes darauf siehe unten) der schriftlichen Ausfertigung des Scheidungsbeschlusses nach § 55a EheG an beide Antragsteller ein, d. h. die mündliche Verkündung des Scheidungsbeschlusses und ein nachfolgender Rechtsmittelverzicht allein führen noch nicht die Gestaltungswirkung (Auflösung der Ehe durch Scheidung) herbei (vgl. dazu JBl. 1980, 551; EFSlg. 44.785; H. Pichler, Wann wird der Scheidungsbeschluss rechtskräftig? in RiZ 1994, Seite 32 f).

Die erst am 1. Jänner 2000 in Kraft tretende Novelle des § 224 Abs. 1 und 2 AußStrG durch das EheRÄG 1999 hat nach den EB zur RV lediglich eine Klarstellung im Sinne der vorherrschenden Auslegung dieser Bestimmungen gebracht (siehe oben unter I.3.4.). Aus dieser Novelle kann daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes (unbeschadet des Zeitpunktes ihres Inkrafttretens) kein Umkehrschluss für die derzeit geltende, im Beschwerdefall anzuwendende Rechtslage gezogen werden.

Die Gestaltungswirkung (hier: eines gerichtlichen Scheidungsurteiles bzw. -beschlusses) tritt gegen alle von ihr betroffenen Personen im selben Zeitpunkt, d.h. mit dem Zeitpunkt der letzten Zustellung an eine Verfahrenspartei, ein (vgl. dazu Fasching, aaO, Rz 1558). Entgegen der Auffassung der belangten Behörde käme daher der (wirksamen) Zustellung des Scheidungsbeschlusses allein an die Beschwerdeführerin, die im Übrigen auch ihr gegenüber erst nach dem Tod des Franz K erfolgte, nicht die Bedeutung zu, dass die Gestaltungswirkung des Scheidungsbeschlusses ihr gegenüber eingetreten wäre (vgl. auch § 224 Abs. 2 zweiter Satz AußStrG).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist in Verbindung mit den im Gerichtsakt des BG H aufliegenden Zustellnachweisen davon auszugehen, dass im Beschwerdefall der Scheidungsbeschluss dieses Gerichtes vom 17. Dezember 1998 vor dem Tod des Franz K an keinen der beiden Antragsteller dieses Verfahrens zugestellt war und daher (sofern es auf die Zustellung an die Parteien des Scheidungsverfahrens ankommt) nicht zur Aufhebung der Ehe geführt hat. Dass die Beschwerdeführerin und Franz K im Scheidungsverfahren vor dem BG H neben ihren (zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirksam gewordenen) Rechtsmittelverzichten auch einen Verzicht auf die Zustellung der schriftlichen Zustellung abgegeben hätten, was allenfalls zu einem anderen Ergebnis führen könnte, lässt sich dem Gerichtsakt nicht entnehmen. Ein abgegebener Rechtsmittelverzicht allein umfasst noch nicht einen Verzicht auf Zustellung der schriftlichen Ausfertigung eines Gerichtsbeschlusses nach § 55a EheG. Es kann daher die Frage auf sich beruhen, ob ein solcher Verzicht auf Zustellung von (solchen) Beschlüssen nach dem AußStrG überhaupt zulässig wäre (bejahend H. Pichler, aaO).

2.3.2.2. Was die oben unter b) gestellte Frage betrifft, ist diese unabhängig von der unter a) erörterten Fragestellung zu klären, weil es bei Bindung der Verwaltungsbehörden an eine Rechtskraftbestätigung auf einem Scheidungsbeschluss bzw. an eine erteilte Auskunft des Gerichtes zu diesem Thema nicht darauf ankäme, ob dieser Vermerk bzw. die erteilte Auskunft zu diesem Thema richtig ist oder nicht.

Vorab ist zu bemerken, dass der über Ersuchen der Verwaltungsbehörde 1. Instanz erteilten Auskunft des BG H im Schreiben vom 18. Februar 1999 keine Bindungswirkung zukommt, weil sie ihrem Inhalt nach lediglich die Gründe für den im Rechtsmittelvermerk auf der Beschlussausfertigung genannten Termin (8. Jänner 1999) bekanntgibt. Dieses Schreiben des BG H kann daher allenfalls zur Auslegung herangezogen werden, was der Inhalt der Rechtskraftbestätigung auf dem Scheidungsbeschluss vom 17. Dezember 1998 sein könnte; es trifft aber keine eigenständige richterliche Verfügung, der Bindungswirkung zukäme.

Ferner ist festzuhalten, dass im Ausspruch des Scheidungsbeschlusses nach § 226 Abs. 2 Z. 3 AußStrG selbst kein Datum festgelegt wurde, wann die Ehe geschieden wurde oder der Beschluss in Rechtskraft erwachsen sei.

Näher zu untersuchen ist aber die Rechtsnatur und Wirkung der Rechtskraftbestätigung hinsichtlich des Scheidungsbeschlusses vom 17. Dezember 1998.

Eine ausdrückliche Regelung über das Anbringen von derartigen Rechtskraftbestätigungen auf einem rechtsgestaltenden Urteil bzw. Beschluss und die Vorgangsweise bei einer gesetzwidrigen oder irrtümlich erteilten derartigen "Bestätigung" enthalten die hier in Betracht kommenden, das Gerichtsverfahren betreffenden Gesetze - anders als für die Bestätigung der Vollstreckbarkeit bei Exekutionstiteln, für die § 7 Abs. 3 ff EO für die "Korrektur" solcher Akte besondere Anordnungen trifft - nicht.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei den hier zu beurteilenden Rechtskraftbestätigungen um die bloße Beurkundung einer sich unmittelbar aus dem Gesetz selbst ergebenden, mit einem erlassenen Urteil oder Beschluss verbundenen Rechtsfolge, die von der Erfüllung bestimmter Tatsachen (die formelle Rechtskraft z.B. vom ungenützten Verstreichen der Rechtsmittelfrist oder von der Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes nach mündlicher Verkündung, die materielle Rechtskraft z.B. zusätzlich von der an alle Parteien des Verfahrens erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung) abhängt und unabhängig von ihrer Beurkundung eintritt. Die Rechtskraftbestätigung selbst ist keine normativ verbindliche, der Rechtskraft zugängliche gerichtliche (Feststellungs)Entscheidung; sie ist ihrem Inhalt nach bloß eine von der Behörde (Gericht) bezeugte rechtserhebliche Tatsache, der auf Grund der Eigenschaft des bestätigenden Organes (einschließlich des Umstandes, dass das Organ, das das Urteil oder den Beschluss erlassen hat, auf den sich die Rechtskraftbestätigung bezieht, lege non distinguente durch ihre Erteilung nicht seine Amtsbefugnisse überschreitet) die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde nach § 292 Abs. 1 ZPO (vgl. dazu auch die Entscheidungen des OGH vom 31. Juli 1984, 3 Ob 552/84 = EFSlg. 46.418 sowie vom 28. März 1996, 8 Ob 2016/96 w, und vom 15. Dezember 1997, 1 Ob 281/97 y = Notz 1999, 86), der auch im (hier nach § 1 DVG gegebenen) Anwendungsbereich des AVG gilt, zukommt. Als solche macht sie (soweit sie keine äußeren Mängel aufweist - vgl. dazu § 296 ZPO) den vollen Beweis der bezeugten (rechtserheblichen) Tatsache, das heißt sie begründet die Vermutung ihrer inhaltlichen Richtigkeit, die allerdings nach § 292 Abs. 2 ZPO widerlegt werden kann.

Weist also die (hier: vom Gericht erteilte) Rechtskraftbestätigung auf einem individuellen Hoheitsakt der Behörde A (hier: Beschluss über eine einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG) keine äußeren Mängel auf, dann kann die Behörde B (hier: die Pensions-Dienstbehörde) in ihrem Verfahren bei der von ihr zu klärenden Frage, deren Lösung von der Verbindlichkeit des die Rechtskraftbestätigung tragenden Hoheitsaktes der Behörde A abhängt, zunächst vom Zutreffen der bezeugten Tatsache ausgehen. Insoweit trägt also das Gesetz dem in der Gegenschrift von der belangten Behörde aufgezeigten Anliegen der Verfahrensökonomie (siehe oben II.2.2.) durch eine Verfahrenserleichterung (zum Beweisthema, wann ein Hoheitsakt einer anderen Behörde rechtskräftig geworden ist) Rechnung. Daraus allein kann aber entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht auf eine (unbeschränkte) Bindungswirkung der Rechtskraftbestätigung der Behörde A für die Behörde B geschlossen werden. Wird daher die Gesetzmäßigkeit oder Richtigkeit der Rechtskraftbestätigung der Behörde A im Verfahren vor der Behörde B bestritten, dann hat die Behörde B diese Frage grundsätzlich selbst zu beurteilen. Insoweit liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht der Behörde B eine Vorfrage vor, bei der mangels einer abweichenden gesetzlichen Bestimmung im Anwendungsbereich des AVG nach § 38 leg. cit. vorzugehen ist: die endgültige im strittigen Fall zu treffende normative Entscheidung über den Zeitpunkt des Eintrittes der (formellen und/oder materiellen) Rechtskraft des Hoheitsaktes der Behörde A (hier: Gericht) hat freilich jene Behörde zu treffen, die den strittigen Hoheitsakt erlassen hat. Liegt eine normative rechtskräftige Entscheidung zu dieser Frage vor, sind alle anderen Behörden für ihre Verfahren daran gebunden. Davon abweichende frühere Beurteilungen der Vorfrage durch die Verwaltungsbehörde haben im Anwendungsbereich des AVG unter den Voraussetzungen des § 69 Abs.1 Z 3 zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist zunächst davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin (auch schon im Verwaltungsverfahren) bestritten hat, dass die Rechtskraftbestätigung auf dem Scheidungsbeschluss des BG H vom 17. Dezember 1998 für die Beurteilung der Frage, wann ihre Ehe mit Franz K rechtskräftig aufgelöst wurde, herangezogen werden kann, weil es dabei auf die materielle Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses ankomme und diese mangels dessen Zustellung vor dem Ableben des Franz K nicht eingetreten sei. Die belangte Behörde hätte daher auf dem Boden der in II.2.3.2.1. dargestellten Rechtslage prüfen müssen, worauf sich die Rechtskraftbestätigung des BG H bezieht. Soweit das BG H damit lediglich die Unanfechtbarkeit (formelle Rechtskraft) dieses Scheidungsbeschlusses ab 8. Jänner 1999, nicht aber damit auch den Zeitpunkt der Auflösung der Ehe (Verbindlichkeit der Entscheidung) beurkunden wollte, läge eine gerichtliche Äußerung zu der für den Ausgang des Versorgungsgenuss- Bemessungsverfahrens relevanten Frage des Personenstandes des Beschwerdeführerin am Sterbetag des Franz K, d.h. zur Frage, ob der genannte Scheidungsbeschluss überhaupt materiell rechtskräftig geworden ist (vgl. § 224 Abs. 2 Satz 2 AußStrG), gar nicht vor. Sollte aber die Rechtskraftbestätigung auf dem Scheidungsbeschluss des BG H vom 17. Dezember 1998 nur oder jedenfalls auch den Zeitpunkt der Verbindlichkeit der Ehescheidung mit 8. Jänner 1999 beurkunden, läge eine Beurkundung vor, die nach dem oben unter II.2.3.2.1. Ausgeführten unrichtig wäre und von der Beschwerdeführerin hinreichend substantiiert bestritten wurde, sodass die belangte Behörde in ihrem Verfahren weder mangels einer Bindung an die (diesfalls unrichtigen) Rechtskraftbestätigung noch nach § 292 Abs. 1 ZPO von der Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit vom Zutreffen des genannten Zeitpunktes für die Wirksamkeit der Ehescheidung hätte ausgehen dürfen, sondern diese Frage in ihrem Verfahren als Vorfrage zu beurteilen gehabt hätte; sollte diese strittige Frage allerdings bereits Gegenstand eines beim BG H anhängigen Verfahrens gewesen sein, hätte sie auch die Möglichkeit gehabt, ihr Verfahren nach § 38 AVG bis zur Entscheidung dieser Hauptfrage durch die Gerichte auszusetzen. Dass dies der Fall gewesen wäre, hat die Beschwerdeführerin allerdings nicht behauptet, noch ergibt sich dies aus den vorgelegten bzw. beigeschafften Akten.

3. Da die belangte Behörde es - von einer unrichtigen Rechtsauffassung über die maßgebenden Umstände für den Eintritt der Verbindlichkeit einer einvernehmlichen Ehescheidung nach § 55a EheG und die Wirkung einer Rechtskraftbestätigung auf einem Scheidungsbeschluss für ihr pensionsbehördliches Verfahren ausgehend - unterlassen hat, sich mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin, sie sei im Zeitpunkt des Todes von Franz K mit diesem noch verheiratet gewesen, inhaltlich auseinanderzusetzen, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. November 1999

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte