Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Syrien, reiste am 2. Dezember 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 4. Dezember 1997 Asyl.
Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen an, sie habe ihren Beruf als Sekretärin in einem Büro in K. ausgeübt, wo ein Kunde "namens H. ins Büro" gekommen sei und "Interesse an meiner Person (15.9.1997)" gezeigt habe. Nachdem sie "Christin" sei und "dieser Mann Moslem", habe sie ihm zu verstehen gegeben, "dass seine Bemühungen vergeblich sind".
Das weitere Drängen dieses Mannes schilderte die Beschwerdeführerin - auszugsweise - wie folgt:
"Der Mann verfolgte mich jedoch immer wieder und beteuerte seine Liebe; außerdem drohte er mir für den Fall, dass ich sein Angebot nicht annehme.
H. belästigte mich auch telefonisch.
Am 24.9.1997 wurde mir seitens H. ein offizieller Heiratsantrag gemacht, den ich jedoch ablehnte.
Am 28.9.1997 ersuchten wir unseren Pfarrer um Intervention bei der Familie H., damit ich wieder in Ruhe weiterleben kann. Die Bemühungen unseres Pfarrers blieben jedoch erfolglos.
Am 29.9.1997, als ich zum Büro ging, fuhr H. mit einem Motorrad auf mich zu und versuchte mich niederzufahren; ich konnte mich jedoch retten.
In der Folge erstattete ich Anzeige bei der Polizei.
Nachdem der Polizist den Namen des Täters hörte, erklärte dieser, dass H. ein Beamter des Staatssicherheitsdienstes wäre.
Nachdem H. jedoch keinen tätlichen Angriff verübt hatte, erklärte mir der Polizist, dass man in diesem Fall nichts machen könne.
...
Einige Tage später sprach er meine Schwester R. in K. an und
gab ihr einen Brief für meine Familie.
Meine Familie wurde darin aufgefordert, die Zustimmung zu unserer Verehelichung und zum Übertritt zum Islam zu erteilen;
andernfalls würden die Sanktionen hart sein.
Am 23.10.1997 kam H. in mein Büro und wurde von meinem
Vorgesetzten aufgefordert, das Büro zu verlassen.
Daraufhin zog H. eine Pistole und drohte meinem Chef. Nach
diesem Vorfall wurde ich entlassen.
Am 23.11.1997 fuhr H. wieder mit einem Motorrad auf mich zu
und versuchte mich zu entführen, indem er zusammen mit einer anderen Person an meinen Haaren/Händen zerrte; ich konnte jedoch entkommen.
Zwei Tage später kam H. abends mit mehreren Personen zu unserem Haus und sagte zu meiner Familie, dass er mich mitnehmen wird.
Meine Familie sprach mit der Gruppe.
Inzwischen kam mein Bruder in mein Zimmer und sprang mit mir aus dem Fenster; folglich gelangten wir zum Haus meines Onkels.
...
Dies sind meine Gründe, denen ich nichts anzufügen habe."
Auf die Frage, warum sie nicht öfter Anzeige bei der Polizei erstattet habe:
"Wir waren der Ansicht, dass dies sinnlos ist, nachdem die erste Anzeige erfolglos war. Ich bin auch der Meinung, dass mir H.
bis Damaskus gefolgt wäre."
Mit Bescheid vom 1. Dezember 1997 wies das Bundesasylamt den
Asylantrag als unbegründet ab.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie
ausführte:
"Die Behörde erster Instanz verkennt, dass Verfolgung aus
religiösen Motiven - um diese handelt es sich im vorliegenden Fall - fast nie aufgrund eines klaren staatlichen Auftrags erfolgt, sondern stets durch Privatpersonen mit staatlicher Duldung. So haben gewiss auch die KZ-Schergen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht aufgrund ausdrücklicher, womöglich schriftlicher oder in Gesetze gefasster Aufträge gemordet, sondern mit staatlicher Duldung. Eben dies drohte der Asylwerberin. Es ist daher völlig unbegreiflich, inwieweit die Behörde erster Instanz "keinen tauglichen Asylgrund im Sinne des Asylgesetzes" erblicken konnte. Die Asylwerberin war in Gefahr, mit staatlicher Duldung wegen ihres Bekenntnisses verfolgt zu werden."
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften liege darin, dass die Behörde erster Instanz das detaillierte und genauere Vorbringen der Asylwerberin nicht überprüft habe. Außerdem habe "sie insbesondere keinerlei Ermittlungsschritte dahingehend gesetzt, ob der von der Asylwerberin angegebene H. Mitglied des syrischen Gemeindienstes ist und ob Anzeigen gegen Mitglieder des syrischen Geheimdienstes Aussicht auf Erfolg haben."
Zugleich mit der Berufung legte die Beschwerdeführerin drei Schreiben vor, welche von ihrem Vater, dem Pfarrer ihrer Heimatgemeinde und ihrem ehemaligen Arbeitgeber ausgestellt worden seien. In diesen Schreiben heißt es - auszugsweise - wie folgt:
"...
Herr H. will meine Tochter S. zwingen, den christlichen Glauben zu verlassen und zum Islam überzutreten. Er nimmt dabei keine Rücksicht auf die christlichen Werte, die meine Tochter S. zu Hause und in der Kirche gelernt hat. Herr H. hat uns und meine Tochter ständig am Telefon terrorisiert. Ich und die ganze Familie sind in eine Situation geraten, das bei Hören eines Telefonklanges Nervenzusammenbruch erleiden. Eines Tages übergab Herr H. meiner zweiten Tochter R., die er auf der Straße eintraf, einen Drohbrief in der Hand. Sie kam mit voller Schreck und Erregung nach Hause. Im Brief war Folgendes geschrieben: Er wird meine Tochter S. entführen und gegen deren Willen der Familie und der Kirche meiner Tochter zum Islam zwingen, außerdem werden wir an die Zeiten von "S" erinnert. Unter "S" versteht man die Verfolgung, Tyrannisierung und die Schlachtung der Christen im 2. Weltkrieg durch die Türkische Herrschaft im Nahenosten. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich Nichts gegen den Islam habe, sondern gegen die radikalen islamischen Gruppen, die den gleichen Gedankensinn haben wie Herr H. Die Anhänger dieser Gruppen nehmen ständig zu. Die Haltung der syrischen Regierung gegenüber solchen Gruppen ist eindeutig. Sie werden indirekt unterstützt, weil man dadurch mehr Einfluss verschafft. Die syrische Regierung reagiert nur gegen die politischen Gruppen, wie z.B. die Moslembruderschaft, weil diese gegen das Regime arbeiten. Nun bitte ich Sie nachzudenken, ob das Zwingen meiner Tochter zum Islam überzutreten, eine humanitäre Akt oder eine Terror und Unterdrückung ist?
Für mich das ist Terror, weil Herr H. ein Mitglied des syrischen Geheimdienstes ist. Es ist bei uns bekannt, dass der Geheimdienst das Land regiert. Keine Partei und keine Institution darf sich einmischen, wenn der Geheimdienst sich eingemischt hat. Es ist auch bekannt, dass die syrische Regierung dem Geheimdienst freien Handlungsvollmacht erteilt hat, um das Volk zu unterdrücken und um die Macht der Regierung zu stärken. Der Geheimdienst nutzt diese Vollmacht aus und mischt sich in jede Gelegenheit ein. Einige Mitglieder des Geheimdienstes, wie H. versuchen persönliche Ziele zu verwirklichen und er fürchtet keinen Widerstand seitens seiner Vorgesetzten.
Ich kann wohl sagen, dass meine Tochter Glück hatte weil sie zum richtigen Zeitpunkt fliehen konnte und Zuflucht in einem sicheren Land wie Österreich findet, wo es Menschenrechte und Religionsfreiheit gibt.
Ich hoffe, dass Sie das Ansuchen meiner Tochter, Asyl zu gewähren, positiv erledigen, damit sie diese Unterdrückung und Verfolgung in Syrien vergisst und nicht wiederfährt. Mit dem Asylgewähren retten Sie nicht nur meine Tochter, sondern die ganze Familie. Eine Rückkehr meine Tochter nach Syrien würde bedeuten, dass das Leben der Familie zerstört wird, weil wenn sie einen Moslem wie H. heiratet, bringt es Scham und Niederwerfung für die ganze Familie und wenn sie sich weigert, ihn zu heiraten, bedeutet das Widerstand gegen die Regierung, und das kann weder meine Tochter noch die Familie aushalten.
Weitere Informationen:
Nach der Flucht meiner Tochter wurde ich dreimal zur Zentrale des Geheimdienstes vorgeladen. Jedesmal musste ich stundenlang im Korridor warten, dann wurde ich nach Hause geschickt mit der Aufforderung, am nächsten Tag wieder zu kommen. Und jedes Mal wurde mir gedroht, pünktlich vor dem Amtszimmer zu erscheinen, ansonsten muss ich mit schlimmsten Folgen rechnen. Das ist für einen Mann in meinem Alter nervenzermürbend. Außerdem wurde meinen Sohn S. mehrmals zum Geheimdienst zitiert, manchmal sogar um Mitternacht, damit er den Fluchtort meiner Tochter preisgibt.
..."
In der Bestätigung des Pfarrers heißt es:
"... Ein moslemischer junger Mann, der H. heißt und ein
Mitglied des syrischen Geheimdienstes ist, verfolgte in der letzten Zeit Fräulein S. und drohte es mehrmals, damit es ihn heiratet und zum Islam überzutreten. Ich versuchte mit der Familie des jungen Mannes zu reden, um ihn zur Vernunft zu bringen. Meine Bemühungen wurden aber nicht ernst genommen wurden zurückgewiesen. Die Familie H. bestand auf diese Heirat und ist bereit, Gewalt anzuwenden, damit H. das Mädchen heiratet und es zum Islam zwingt.
Am Abend des 25-11-97 kamen Fräulein S. in Begleitung seines Bruders S. und seines Cousins zu mir und sagten, dass H. und mehrere Männer das Haus des Mädchens stürmten, um es mit Gewalt mitzunehmen. Ich half dem Mädchen und schickte es zu einem Freund nach Damaskus.
..."
In dem Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers heißt es:
"... Der Grund für die Entlassung war die Verfolgung des
Mädchens von einem jungen Mann - Geheimdienstler - der es bis ins Büro verfolgte und S. und uns mit der Pistole bedrohte. Außerdem bedrohte er uns mit fatalen Folgen. Da er ein Mitglied des Geheimdienstes ist, haben wir vor ihm Angst, weil er uns und das Büro Schaden zufügen kann, und er wird irgendeinen Grund dafür erfinden. Die Alternative war, dass ich und ich bedauerte es sehr, Fräulein S. entlassen musste, um Probleme zu vermeiden. ..."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Die belangte Behörde begründete die Abweisung nach Darstellung der Aussagen der Beschwerdeführerin - auszugsweise - wie folgt:
"Das Vorbringen der Asylwerberin bezüglich der Geschehnisse mit einem Mitglied des syrischen Geheimdienstes, welcher sie heiraten und zur Ehe zwingen wollte, wird infolge des schlüssigen Vorbringens sowie der der Berufung beigelegten Bestätigungen des Familienvaters, eines Geistlichen sowie des ehemaligen Arbeitgebers für wahr gehalten.
Dieser für wahr gehaltene Sachverhalt vermag jedoch keine Asylrelevanz i.S.d. AsylG 1997 bzw. der GFK zu entfalten, wozu Folgendes auszuführen ist:
Gemäß der ständigen Judikatur des VwGH vermögen geltend gemachte bzw. befürchtete Übergriffe durch Private die Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Verfolgung i.S.d. GFK muss entweder von staatlichen Behörden oder zumindest staatsähnlich agierenden Autoritäten ausgehen oder muss der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten.
Wohlbegründete Furcht vor Verfolgung kann zudem nur dann angenommen werden, wenn sich die Umstände, die den weiteren Verbleib des Asylwerbers in seiner Heimat als objektiv unerträglich erscheinen lassen, auf das gesamte Gebiet des Heimatstaates beziehen (VwGH v. 12.07.1989, Zl. 89/01/0143). Zum vorliegenden Sachverhalt ist festzuhalten, dass die geltend gemachten Übergriffe durch einen Privaten, welcher beruflich Mitglied des syrischen Geheimdienstes ist, aus keinem der in der GFK genannten Grund erfolgt ist.
Die anfänglichen Belästigungen sowie die in der Folge zweifelsfrei ins kriminelle ausufernden Handlungen des Mitgliedes des Geheimdienstes, welcher die Berufungswerberin ehelichen wollte, sind aus keinem der in der GFK genannten Gründen, nämlich der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, geschehen. Eine Verfolgung aus religiösen Motiven - wie im Berufungsschriftsatz ausgeführt - kann von der erkennenden Behörde nicht erkannt werden, ist doch auch den Ausführungen der Antragstellerin bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt nicht zu entnehmen, dass die Nachstellungen durch das Mitglied des Geheimdienstes aus anderen als privaten Motiven erfolgt wäre.
Es ist unbestritten, dass im vorliegenden Fall zum Teil mit kriminellen Handlungen versucht wurde, die Berufungswerberin zu einer von ihr ungewollten Ehe bzw. zum Übertritt zum Islam zu zwingen; dies jedoch aus niederen Motiven einer Privatperson und nicht von staatlicher Stelle initiiert. Den Versuchen des H., sie zur Ehe zu zwingen, wäre die Berufungswerberin wohl auch ausgesetzt gewesen, wäre sie Mitglied einer anderen Religionsgemeinschaft. Selbst bei gleicher Religionszugehörigkeit wie das Mitglied des syrischen Gemeindienstes wäre sie seinen ungewollten Nachstellungen ausgesetzt gewesen, was durch seine Aufforderung, zum Islam überzutreten, bestätigt wird. Eine Verfolgung wegen ihres christlichen Bekenntnisses kann daher nicht erblickt werden.
Dass die Berufungswerberin aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Religion einer tatsächlichen staatlichen Diskriminierung ausgesetzt gewesen wäre, hat sie im gesamten Verfahren nicht behauptet und wäre dies auch im Widerspruch zur syrischen Verfassung (vgl. Art. 35) und letztlich auch mit den Berichten und dem notorischen Wissen über die derzeitige Menschenrechtssituation in Syrien nicht in Einklang zu bringen.
Es kann zudem dem Bundesasylamt nicht entgegnet werden, wenn dieses es als nicht nachvollziehbar ansieht, dass sich die Asylwerberin nicht vermehrt mit Anzeigen zur Wehr gesetzt hat. Den Angaben der Berufungswerberin vor dem Bundesasylamt ist vielmehr zu entnehmen, dass sie ein einziges Mal, nämlich unmittelbar nach dem 29.09.1997, als H. mit einem Motorrad auf sie zugefahren ist, Anzeige bei der Polizei erstattet hat. Die Berufungswerberin gibt selbst an, dass der die Anzeige entgegennehmende Polizist ihr dargelegt hat, dass der sie verfolgende Offizier des Geheimdienstes bislang keinen tätlichen Angriff gegen sie verübt hätte und man aus diesem Grund in ihrem Fall nichts machen könne.
Gerade solche tätlichen Angriffe sowie gefährliche Drohungen und andere kriminelle Handlungen wurden jedoch erst in der Folge vom Mitglied des Geheimdienstes getätigt und ist nicht einsichtig, warum sie sich nicht um tatsächlichen Schutz bei staatlichen Stellen in der Folge zumindest bemüht hat.
Auch ist nicht erkennbar, dass sich die für die Berufungswerberin zweifelsfrei in höchstem Maße unangenehmen und entwürdigenden Nachstellungen durch ein Mitglied des syrischen Geheimdienstes, welche jedoch - wie bereits ausgeführt - ausschließlich aus privaten Motiven erfolgten, tatsächlich auf das gesamte Gebiet des Heimatstaates bezogen hätten.
Dem beigelegten Schreiben des Vaters der Berufungswerberin ist zu entnehmen, dass nach der Flucht der Berufungswerberin er sowie ein Bruder der Asylwerberin mehrmals zum Geheimdienst zitiert wurde. Mögen diese Aufforderungen, insbesondere im Hinblick auf die angeführten Zeitpunkte der Vorladungen äußerst unangenehm gewesen sein, ist dem Schreiben des Vaters doch nicht zu entnehmen, dass es zu tatsächlichen Übergriffen von Seiten des Geheimdienstes gekommen wäre. Da dieses Schreiben vom 06.12.1997 datiert ist und seitdem weitere Übergriffe durch den der Berufungswerberin nachstellenden Offizier des Geheimdienstes sowie andere offizielle Stellen nicht behauptet wurden, vermag aus den obgenannten Ausführungen keine drohende und aktuelle Verfolgungsgefahr i.S.d. GFK erkannt werden.
..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Sie beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Bundesminister für Inneres als weitere Partei beteiligte sich am vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG hat der unabhängige Bundesasylsenat § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Im Sinne dieser Bestimmung ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat allerdings (nur) dann als aus der Aktenlage iVm der Berufung geklärt anzusehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308).
Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung nach der zitierten Verfahrensvorschrift nicht vor, weil die Beschwerdeführerin in der Berufung ein über ihre Angaben in erster Instanz hinausgehendes Vorbringen in Richtung einer behaupteten (mittelbaren) staatlichen Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft in Syrien behauptete und dazu neue Beweismittel in Form der im Bescheid der belangten Behörde aufgelisteten Schreiben vorlegte. Die belangte Behörde hat ausgehend von diesen Urkunden zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen getroffen und darüber hinaus auf nicht näher bezeichnete "Berichte" und ihr "notorisches Wissen über die derzeitige Menschenrechtssituation in Syrien" Bezug genommen, woraus sie ableitete, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Religion keiner staatlichen Diskriminierung ausgesetzt (gewesen) wäre. Um welche Berichte es sich dabei handle und über welche konkreten Tatsachen die belangte Behörde ein "notorisches Wissen" verfüge, wird nicht näher ausgeführt. Es kommt zur Klärung der Frage der Diskriminierung einer religiösen Minderheit in einem Staat bei konkreten gegenteiligen Behauptungen im Übrigen nicht auf die an sich nach der Zugehörigkeit zu einem bestimmten religiösen Bekenntnis nicht differenzierende Gesetzeslage des betreffenden Staates an, sondern wesentlich ist, ob dieser in der behördlichen Praxis seine Rechtslage auch einhält. Den Ausführungen im Bescheid lässt sich nicht entnehmen, dass sich die belangte Behörde damit auseinander gesetzt hätte. Da aber Anhaltspunkte für eine solche herabsetzende Behandlung der Beschwerdeführerin durch die syrischen Behörden in den von der belangten Behörde für "wahr" gehaltenen Behauptungen der Beschwerdeführerin - wie noch näher auszuführen ist - vorhanden sind, hätte sie sich damit jedenfalls befassen müssen.
Indem die belangte Behörde somit unter Berücksichtigung neuer Beweismittel ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu zusätzlichen, teilweise nicht nachprüfbaren Feststellungen gelangte, hat sie ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0475). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen iVm den vorgelegten Urkunden kann auch nicht ohne weiters angenommen werden, die belangte Behörde hätte bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensfehlers zu keinem anderen Bescheid gelangen können. Wenn nämlich die belangte Behörde einerseits ausführt, die Beschwerdeführerin habe "im gesamten Verfahren nicht behauptet", dass sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit einer "staatlichen Diskriminierung ausgesetzt gewesen wäre", so steht dies mit ihrer eigenen Begründung in Widerspruch, wonach "das Vorbringen der Asylwerberin bezüglich der Geschehnisse mit H. aufgrund des schlüssigen Vorbringens sowie der in der Berufung beigelegten Bestätigungen des Familienvaters, eines Geistlichen sowie des ehemaligen Arbeitgebers für wahr gehalten" werde. Aus dem Berufungsvorbringen insbesondere in Verbindung mit dem vorgelegten Schreiben des Vaters der Beschwerdeführerin ergeben sich aber konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin die Aussichtslosigkeit eines Widerstandes gegen das sie verfolgende Mitglied des syrischen Geheimdienstes in einen Zusammenhang mit ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft in Syrien stellte. Der belangten Behörde ist zwar nicht entgegenzutreten, wenn sie die von ihr als "kriminelle Handlungen" qualifizierten Bestrebungen des H. als Verfolgungshandlungen aus "privaten Motiven" bezeichnete. Weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren (insbesondere auch nicht aus ihren Angaben anlässlich ihrer Einvernahme in erster Instanz) noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich konkrete Hinweise dafür, dass die Vorgangsweise des H. von staatlichen Behörden beauftragt oder etwa von dessen Vorgesetzten ausdrücklich oder in Kenntnis seiner Tat stillschweigend gebilligt worden wäre. Die belangte Behörde hat auch grundsätzlich richtig ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Übergriffe in einer asylrelevanten Intensität durch private Personen u.a. dann eine dem Staat zuzurechnende Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen können, wenn der betreffende Staat aus asylrelevanten Gründen nicht gewillt ist, die nicht unmittelbar dem Staat zuzurechnenden Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (ein Fall sogenannter mittelbarer staatlicher Verfolgung, vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0384, 0385; vom 18. September 1997, Zl. 95/20/0707; vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0380). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin "den Versuchen des H., sie zur Ehe zu zwingen", auch ausgesetzt (gewesen) wäre, wenn "sie Mitglied einer anderen Religionsgemeinschaft" wäre bzw. ob sie "selbst bei gleicher Religionszugehörigkeit wie das Mitglied des syrischen Geheimdienstes seinen ungewollten Nachstellungen ausgesetzt gewesen" wäre. Es mag auch durchaus sein, dass H. der Beschwerdeführerin "aus niederen Motiven" auch dann mit "zum Teil kriminellen Handlungen" nachgestellt hätte, wenn sie einer anderen Religionsgemeinschaft zugehörte. Wesentlich für die Zurechnung als (mittelbare) staatliche Verfolgung im vorliegenden Fall ist, ob die Beschwerdeführerin gerade deshalb keinen behördlichen Schutz vor den "kriminellen" Methoden des H. zu erwarten (gehabt) hätte, weil sie der christlichen Glaubensgemeinschaft in Syrien angehört oder anders formuliert: Die zu klärende Frage ist, ob H., sei es als Mitglied des syrischen Geheimdienstes oder ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten staatlichen Organisation, ungehindert von den staatlichen Behörden auch dann in der angeführten Form hätte vorgehen können, wenn die Beschwerdeführerin nicht Mitglied der christlichen Glaubensgemeinschaft in Syrien wäre, sondern etwa der moslemischen Glaubensgemeinschaft angehörte.
Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin weiters entgegen, sie habe nur das erste Mal eine Anzeige erstattet und sich in der Folge nicht mehr um den staatlichen Schutz vor den Nachstellungen von H. bemüht.
Dazu ist festzuhalten, dass einer nicht von staatlichen Stellen ausgehenden Verfolgung nicht in allen Fällen bereits dann die Asylrelevanz abgesprochen werden kann, wenn sich der Asylwerber nicht (bzw. nicht in ausreichendem Maße) an staatliche Stellen um Hilfe gewendet hat. Wenn nämlich, wie von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vorgebracht wurde ("die Asylwerberin war in Gefahr, mit staatlicher Duldung wegen ihres Bekenntnisses verfolgt zu werden"), bereits von vornherein klar wäre, dass die staatlichen Stellen vor Verfolgung nicht schützen wollen, wäre es nach der hg. Rechtsprechung nicht erforderlich, den - aussichtslosen - Versuch zu unternehmen, bei staatlichen Stellen Schutz zu suchen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 1997, Zl. 95/20/0707). Die Beschwerdeführerin selbst hat dazu bei ihrer Einvernahme in erster Instanz erklärt, "wir waren der Ansicht, dass dies (eine weitere Anzeige bei der Polizei) sinnlos ist, nachdem die erste Anzeige erfolglos war".
Die belangte Behörde hätte sich insbesondere vor dem Hintergrund der von ihr als glaubwürdig eingeschätzten Bestätigung des Vaters der Beschwerdeführerin damit auseinander setzen müssen, ob diese Aussage im Zusammenhang damit stand, dass die Beschwerdeführerin Mitglied der christlichen Glaubensgemeinschaft ist, oder aber in einem Konnex mit den allgemeinen politischen Verhältnissen. So wäre etwa ein asylrelevanter Zusammenhang dann nicht erkennbar, wenn die Polizei in Syrien grundsätzlich nicht gewillt wäre, gegen "kriminelle Handlungen" von Geheimdienstleuten - selbst wenn sie aus privaten Gründen erfolgten - einzuschreiten. Eine solche Annahme würde allerdings unterstellen, dass Mitglieder des syrischen Geheimdienstes generell in Syrien völlig willkürlich agieren könnten, was wiederum den Feststellungen im angefochtenen Bescheid in dieser Form nicht entnommen werden kann. Die weitere Aussage der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin hätte nicht mit einer landesweiten Verfolgung durch H. zu rechnen, wurde nicht begründet und ist angesichts der als glaubwürdig angesehenen Angaben der Beschwerdeführerin zu den Aktivitäten von H. in dieser Form ohne nähere Ausführungen nicht schlüssig.
Die belangte Behörde wird sich daher im fortgesetzten Verfahren in einer mündlichen Verhandlung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren und den vorgelegten Urkunden vor dem Hintergrund der aufgezeigten Erwägungen auseinander zu setzen und dazu nachvollziehbare, anhand der Aktenlage überprüfbare, Feststellungen zu treffen haben.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 24. Juni 1999
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