VwGH 98/09/0318

VwGH98/09/031827.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Deutschlandsberg, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, Kirchengasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 14. Juli 1998, Zl. 13.110/4-IV/3/98, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer denkmalschutzrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §863;
AVG §13 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwRallg;
ABGB §863;
AVG §13 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Burg Deutschlandsberg.

Mit Bescheid vom 22. November 1996 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Ansuchens vom 6. November 1996 gemäß § 29 Abs. 1 Stmk. Baugesetz 1995 für ihr Vorhaben Burgturm-Überdachung Gadenbau und Stiegenhaus nach Maßgabe der genehmigten Pläne und Projektsunterlagen die baubehördliche Bewilligung unter Vorschreibung von insgesamt 13 Auflagen erteilt; diese Baubewilligung erlischt gemäß § 31 Stmk. Baugesetz 1995 von selbst und ohne weitere behördliche Maßnahme, wenn die bewilligte Bauführung nicht binnen fünf Jahren nach Rechtskraft dieses Bescheides begonnen wird. Nach der Begründung dieses - unter anderem auch dem Bundesdenkmalamt zugestellten - Bescheides sei eine Überdachung des Stiegenhauses dringendst notwendig und insoweit Gefahr im Verzug für Leben und Gut gegeben.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Eingabe vom 4. März 1997 (eingelangt beim Bundesdenkmalamt am 6. März 1997) die Erteilung einer Bewilligung nach § 5 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG) für die beabsichtigte Dacheindeckung am Gadenbau der Burg Deutschlandsberg. In diesem (durch entsprechende Planunterlagen belegten) Antrag ersuchte die Beschwerdeführerin um "raschestmögliche Genehmigung, da wie wir schon mündlich dargelegt haben, der Zeitfaktor eine enorm wichtige Rolle spielt".

Wegen Nichterledigung dieses Antrages durch das Bundesdenkmalamt erhob die Beschwerdeführerin am 15. September 1997 einen - bei der belangten Behörde am 17. September 1997 eingelangten - Devolutionsantrag im Sinn des § 73 Abs. 2 AVG. In diesem Antrag wurde unter anderem ausgeführt, die Beschwerdeführerin erlaube sich "im Hinblick auf die gegebene Dringlichkeit einerseits zum Schutze der vorhandenen Museumsräumlichkeiten, andererseits um weitere Schäden an der Bausubstanz zu vermeiden", um ehestmögliche Entscheidung zu ersuchen.

Wegen Nichterledigung dieses Devolutionsantrages durch die belangte Behörde erhob die Beschwerdeführerin am 23. März 1998 eine zur hg. Zl. 98/09/0066 protokollierte Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof; dieses Verfahren wurde mit hg. Beschluss vom 11. September 1998 eingestellt, weil die belangte Behörde am 17. Juli 1998 den (versäumten, nunmehr angefochtenen) Bescheid über den Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin nachgeholt bzw. erlassen hat.

Mit diesem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde "der von der Stadtgemeinde Deutschlandsberg in einem beim Bundesdenkmalamt anhängigen Verfahren gemäß § 5 Denkmalschutzgesetz eingebrachte Devolutionsantrag vom 15. September 1997 gemäß § 73 Abs. 2 AVG abgewiesen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. Oktober 1998, B 1614/98-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten (durch den Schriftsatz vom 14. Jänner 1999 ergänzten) Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Sachentscheidung über ihren Devolutionsantrag verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes unter Zuspruch des Schriftsatzaufwandes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat der Aufforderung zur Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 15. Jänner 1999 und der neuerlichen Aufforderung zur Aktenvorlage mit Verfügung vom 10. Juni 1999 nicht fristgerecht entsprochen. Am 17. September 1999 legte die belangte Behörde den Akt des Bundesdenkmalamtes (Mappe Burg III) sowie drei Akten des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Devolutionsantrages im Wesentlichen damit, die Beschwerdeführerin habe anläßlich einer Besprechung am 24. April 1997 erklärt, ihre ursprüngliche Planung abändern zu wollen; die geänderten Pläne seien nicht vorgelegt worden. Die Ankündigung, geänderte Pläne vorzulegen, sei nur dahingehend zu interpretieren, dass die Beschwerdeführerin den ursprünglichen Antrag nicht oder zumindest nicht vollständig aufrecht erhalten wolle. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Ankündigung keinen geänderten Vorschlag eingereicht habe, sei ebenfalls ihr zuzurechnen. Die Verzögerungen im gegenständlichen Verfahren seien nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Die Bestimmung des § 73 AVG ist im Beschwerdefall zufolge § 82 Abs. 6 leg. cit. in ihrer Fassung vor der (am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen) Verwaltungsverfahrensnovelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, anzuwenden.

Gemäß § 73 Abs. 1 leg. cit. sind die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht nach Abs. 2 erster Satz dieser Gesetzesstelle auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zu ihrer Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Der Antrag ist nach Abs. 2 zweiter Satz dieser Gesetzesstelle abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. November 1995, Zl. 92/07/0078, vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0048, vom 4. April 1989, Zl. 88/07/0150, und vom 26. Februar 1985, Zl. 84/07/0365) ist die Verzögerung der Entscheidung im Sinn des § 73 Abs. 2 zweiter Satz AVG dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch unüberwindliche Hindernisse (wie etwa ein länger dauerndes Ermittlungsverfahren oder ein gesetzliches Hindernis) noch durch ein Verschulden der Partei (wie etwa ein Formgebrechen des Parteiantrages) verursacht worden ist.

Keiner dieser zur Abweisung des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin führenden Ursachen der Verzögerung ist im Beschwerdefall vorgelegen:

Dass trotz des Hinweises der Beschwerdeführerin auf die Dringlichkeit der Angelegenheit vom Bundesdenkmalamt keine Entscheidung getroffen wurde, die Beschwerdeführerin nach Ablauf von sechs Monaten seit ihrer Antragstellung den Devolutionsantrag gestellt hat und die Behörde nicht durch die Dauer eines Ermittlungsverfahrens an der Entscheidung gehindert wurde, ist unbestritten. Der vorliegende Antrag auf Bewilligung im Sinn des § 5 Abs. 1 DMSG wurde nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten und der Begründung des angefochtenen Bescheides von der Beschwerdeführerin weder zurückgezogen oder abgeändert, noch hat die Behörde wegen eines Formgebrechens dieses Antrages einen Verbesserungsauftrag erteilt. Dass ein Formgebrechen des Parteiantrages vorgelegen sei und die Behörde aus diesem Grund an einer meritorischen Erledigung gehindert worden sei, wird von der belangten Behörde nicht behauptet. Im übrigen hätte die Behörde einen Verbesserungsauftrag wegen eines Formgebrechens unverzüglich veranlassen müssen, damit ein ausschließliches Verschulden der Behörde an der Verzögerung verneint werden könnte.

Die Beschwerdeführerin war nicht verpflichtet, ihren Antrag entsprechend den materiell-rechtlichen Vorstellungen der Behörde abzuändern, oder einen von der Behörde als inhaltlich genehmigungsfähig erachteten Antrag zu stellen. Eine Beratung von Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht zählt jedenfalls nicht zu den Pflichten der Behörde (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, Seite 362 E 8 wiedergegebene hg. Judikatur). Dass die Beschwerdeführerin keine Änderung ihres Antrages vornahm sondern an diesem unverändert festhielt, hat eine meritorische Erledigung nicht gehindert. Die Behörde durfte die meritorische Erledigung über den unveränderten Antrag auch nicht bis zur Vorlage eines (ihren Vorstellungen entsprechenden) geänderten Projekts "aussetzen" oder davon abhängig machen. Ein Wunsch der Beschwerdeführerin, mit der Entscheidung zuzuwarten, ist den vorgelegten Verwaltungsakten jedenfalls nicht entnehmbar. Von der Beschwerdeführerin wurde in allen ihren Schriftsätzen vielmehr im Gegenteil auf die besondere Dringlichkeit des Vorhabens ausdrücklich hingewiesen.

Die Rechtsansicht der belangten Behörde, die "Ankündigung geänderte Pläne vorzulegen" sei als gänzliche oder teilweise Antragsrücknahme "zu interpretieren", widerspricht schon dem Grundsatz, dass die Behörde an einen inhaltlich eindeutigen Parteiantrag gebunden ist und bleibt. Für die Rechtswirksamkeit einer Prozeßhandlung ist allein der Inhalt der Erklärung (ihr objektiver Erklärungswert) und nicht ein konkludentes Verhalten oder ein allenfalls einer Erklärung zugrundeliegender Beweggrund maßgebend (vgl. insoweit die bei Walter/Thienel, a.a.O., Seite 337 wiedergegebene hg. Judikatur). Eine formelle Zurückziehung oder Änderung des Antrages durch die Beschwerdeführerin ist den Verwaltungsakten jedenfalls nicht zu entnehmen. Auch der im Aktenvermerk vom 25. April 1997 festgehaltene Versuch der Behörde erster Instanz, mit der Beschwerdeführerin ein geändertes Projekt zu erarbeiten, führte - nach dem Inhalt dieses Aktenvermerkes über den Verlauf der Besprechung - lediglich dazu, dass der Bürgermeister erklärte, "großes Verständnis für die Interessen der Denkmalpflege" aufzubringen und "neuerlich einen Entwurf betreffend die Überdachung einzuholen". Eine formelle Rückziehung oder Änderung ihres Antrages wurde damit von der Beschwerdeführerin allerdings nicht erklärt und auch nicht einmal in Aussicht gestellt oder mit dem Ergebnis eines "neuerlichen Entwurfes" in Verbindung gebracht. Dass die Beschwerdeführerin eine Entscheidung über ihren Antrag verlangte, ergibt sich bereits unzweifelhaft aus dem Schreiben des Landeskonservators für Steiermark vom 26. September 1997 an das Bundesdenkmalamt. Dem Inhalt des Aktenvermerkes des Bundesdenkmalamtes vom 25. April 1997 selbst und auch der von der belangten Behörde zu diesem Aktenvermerk eingeholten Stellungnahme der Beschwerdeführerin ist ein sachverhaltsmäßiger Anhaltspunkt für die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin wolle ihren ursprünglichen Antrag nicht oder zumindest nicht vollständig aufrecht erhalten, nicht entnehmbar.

Die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Devolutionsantrages erweist sich demnach als ungerechtfertigt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aus prozeßökonomischer Erwägung (zur Vermeidung weiterer Rechtsgänge und Verzögerungen) zu dem Hinweis veranlaßt, dass nach der den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmenden Sachlage eine Auseinandersetzung auch damit, ob die von der Beschwerdeführerin begehrte Maßnahme die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 1 lit. b DMSG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 473/1990; vgl. auch § 5 Abs. 1 leg. cit. sowie Art. II Abs. 1 und Abs. 5 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 170/1999) zu erfüllen vermag, angezeigt erscheint.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Oktober 1999

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