VwGH 97/18/0383

VwGH97/18/03832.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des KH, (geboren am 26. Jänner 1966), in Wien, vertreten durch Dr. Ulla Ulrich-Mossbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 35, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Mai 1997, Zl. SD 611/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Mai 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer, der sich seit März 1992 im Bundesgebiet befinde, habe zuletzt über einen Sichtvermerk verfügt, der am 30. März 1993 seine Gültigkeit verloren habe. Ein vom Beschwerdeführer am 1. Juli 1993 eingebrachter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 10. Dezember 1993 in erster Instanz und mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1996 rechtskräftig abgewiesen worden. Diesen Sachverhalt lasse der Beschwerdeführer unbestritten, bringe jedoch seine Auffassung zum Ausdruck, dass er noch vor Ablauf des ihm zuletzt erteilten Sichtvermerks einen Antrag auf "Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung" "bei der Fremdenpolizei" habe stellen wollen, er aber unter Hinweis auf das ab 1. Juli 1993 in Kraft tretende Aufenthaltsgesetz an den Landeshauptmann von Wien als Behörde erster Instanz verwiesen worden wäre. Sein dort am 1. Juli 1993 gestellter Antrag wäre zwar rechtskräftig abgewiesen worden, er hätte gegen den zweitinstanzlichen Bescheid des Bundesministers für Inneres jedoch rechtzeitig Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht und gleichzeitig den Antrag gestellt, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Da diesbezüglich mit einer positiven Erledigung zu rechnen sei, wäre eine Ausweisung im Grunde des § 17 Abs. 4 FrG unzulässig. Damit befinde sich der Beschwerdeführer im Rechtsirrtum. Zum einen stelle das Gesetz (§ 17 Abs. 1 FrG) allein auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet ab, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen ein für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts erforderlich gewesenes Tätigwerden des Fremden unterblieben sei. Zum anderen sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Bestimmung des § 6 Abs. 3 AufG, auf die sich § 17 Abs. 4 FrG beziehe, nur dann zum Tragen komme, wenn der Fremde bereits eine Aufenthaltsbewilligung gehabt habe. Unbestritten sei aber, dass der Beschwerdeführer zwar über den Sichtvermerk (gültig bis zum 30. März 1993), nicht jedoch über eine Bewilligung nach dem (mit 1. Juli 1993 in Kraft getretenen) Aufenthaltsgesetz verfügt habe. Da § 6 Abs. 3 AufG in der derzeit gültigen Fassung die Aufenthaltsberechtigung bis zur Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung ausdrücklich davon abhängig mache, dass der Fremde vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung eine Verlängerung dieser Bewilligung beantrage, komme im Beschwerdefall mangels Vorliegen der wesentlichen Voraussetzung - einer Bewilligung, die einer (rechtzeitigen) Verlängerung zugänglich gewesen wäre - eine Anwendung des § 6 Abs. 3 AufG nicht in Betracht. Demnach könne sich der Beschwerdeführer auch nicht mit Erfolg auf die Bestimmung des § 17 Abs. 4 FrG, die eine rechtzeitige Antragstellung nach § 6 Abs. 3 AufG voraussetze, berufen.

Die Erstbehörde sei daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 31. März 1993 unrechtmäßig in Österreich aufhalte. In einem solchen Fall sei ein Fremder mit Bescheid auszuweisen, wenn dem nicht die Bestimmung des § 19 FrG entgegenstehe. In diesem Zusammenhang verweise der Beschwerdeführer lediglich auf seinen etwa fünfjährigen inländischen Aufenthalt sowie darauf, dass er "intensiven Kontakt zu Freunden" hätte, ohne dies näher zu konkretisieren. Familiäre Bindungen des Beschwerdeführers seien aber nach der Aktenlage nicht erkennbar und würden von ihm auch nicht behauptet, sodass ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in sein Familienleben jedenfalls nicht vorliege. Selbst wenn man aufgrund des etwa fünfjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von einem Eingriff in sein Privatleben ausginge, könne damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden, schlage doch sein mehr als vierjähriger unrechtmäßiger Aufenthalt zu seinen Ungunsten zu Buche. Demgegenüber komme den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien vom Beschwerdeführer in gravierender Weise missachtet worden. Abgesehen von seinem langjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt falle im Beschwerdefall erschwerend ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer seinen unrechtmäßigen Aufenthalt ungeachtet der dafür erfolgten Bestrafungen und auch ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags nach dem Aufenthaltsgesetz fortgesetzt habe. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Dieses Abwägungsergebnis werde noch durch den Umstand bekräftigt, dass der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den bekämpften Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Unbestritten ist, dass dem Beschwerdeführer nach Ablauf seines Sichtvermerks am 30. März 1993 keine Aufenthaltsberechtigung mehr erteilt, vielmehr sein Antrag vom 1. Juli 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen wurde; der gegen diesen abweisenden Bescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde nach Ausweis des Aktes aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1997, Zl. AW 97/19/0845, Aktenblatt 64).

Gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer halte sich seit Ablauf des besagten Sichtvermerkes unberechtigt in Österreich auf, weswegen die Voraussetzung nach § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG für die vorliegende Ausweisung erfüllt sei, führt der Beschwerdeführer indes ins Treffen, dass er bei der "Fremdenpolizei" rechtzeitig vor dem besagten Ablauf um Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung in Österreich angesucht habe, ihn diese Behörde aber auf die nach dem AufG ab dem 1. Juli 1993 gegebene Zuständigkeit des Landeshauptmanns von Wien hingewiesen habe und sein bei diesem eingebrachter Antrag abgewiesen worden sei. Gegen diese Abweisung habe der Beschwerdeführer eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Da dieser Antrag daher noch nicht erledigt sei, käme für den Beschwerdeführer § 17 Abs. 4 FrG zum Tragen, weil ein Sichtvermerk "nach herrschenden Auslegungsregeln" einer Aufenthaltsbewilligung gleichzusetzen sei. Darüber hinaus sei über seinen mündlich eingebrachten Antrag auf Verlängerung seines Sichtvermerks von der Fremdenpolizeibehörde noch nicht entschieden worden, weshalb auch deshalb § 17 Abs. 4 FrG zu seinen Gunsten ausschlage. Da sich der Beschwerdeführer schließlich schon längere Zeit im Inland befinde und die Frist zur Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nur kurz versäumt worden sei, könne sich der Beschwerdeführer im Übrigen auch im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Mai 1996, B 1611/94 u.a., auf § 17 Abs. 4 FrG berufen.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die in der Beschwerde mit Blick auf § 17 Abs. 4 FrG verfolgte Argumentation ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer die gemäß § 17 Abs. 4 FrG wesentliche Voraussetzung der rechtzeitigen Stellung eines Antrages auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht erfüllte, hat er doch nach den unbestrittenen Feststellungen im bekämpften Bescheid zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügt, die nach § 13 Abs. 1 verlängert hätte werden können. Von daher gesehen spielt es keine Rolle, ob der Beschwerdeführer tatsächlich bei der Fremdenpolizeibehörde schon vor dem besagten Zeitpunkt einen Antrag auf Verlängerung seines Sichtvermerkes gestellt hat. Weiters ist für die Beschwerde auch mit ihrem Hinweis auf das von ihr zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nichts zu gewinnen. Nach der damit angesprochenen Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sind Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben, und die aus welchem Grund auch immer über keine Aufenthaltsberechtigung (mehr) verfügen, im Fall relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des durch § 6 Abs. 2 AufG geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen; d.h., dass solche Bewilligungsanträge - ungeachtet der Fristversäumnis - als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die auch vom Inland aus gestellt werden können, zu werten sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759, mwH). Diese Rechtsprechung versagt aber im vorliegenden Fall schon deswegen, weil sich der Beschwerdeführer nur für einen kurzen Zeitraum - nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nämlich nur von März 1992 bis 30. März 1993 - berechtigt in Österreich aufhielt (vgl. in diesem Sinn auch das die Versagung der Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers betreffende hg. Erkenntnis vom 4. September 1998, Zl. 96/19/1017, Seite 6 f).

Vor dem Hintergrund des Gesagten kann somit der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, dass die Auffassung der belangten Behörde, im Beschwerdefall sei die Voraussetzung für die Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG erfüllt, rechtswidrig wäre.

2.1. Aus dem Blickwinkel des § 19 führt der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen, dass er schon seit vielen Jahren in Österreich lebe, sich hier "gut integrieren" habe können, weshalb die Ausweisung schwerwiegend in sein Privatleben eingreife. Ferner habe der Beschwerdeführer zu seinem Heimatland nur mehr "lose Beziehungen", seine Ausreise aus Österreich wäre mit "schwerwiegenden Problemen finanzieller und psychischer Natur verbunden", da er nicht die Möglichkeit hätte, "in einen Familienverband zurückzukehren".

2.2. Auch dieses Vorbringen geht fehl. Zwar ist der Beschwerde einzuräumen, dass im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich mit der vorliegenden Ausweisung ein Eingriff in dessen Privatleben verbunden ist. Die belangte Behörde hat aber zutreffend auf den hohen Stellenwert hingewiesen, der dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen etwa vierjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich gravierend verletzt. Weiters fällt - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend festgehalten - zu Ungunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er seinen unberechtigten Aufenthalt auch in Anbetracht der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und seiner unbestrittenen rechtskräftigen Bestrafung wegen unbefugten Aufenthalts (im Zeitraum vom 31. März 1993 bis zum 9. April 1996, Aktenblatt 40) nicht beendet hat. Das somit sehr gewichtige öffentliche Interesse an der Ausreise des Beschwerdeführers wird durch die von ihm geltend gemachten persönlichen Interessen nicht aufgewogen, zumal der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Integration ein zum weitaus überwiegenden Teil unberechtigter Aufenthalt zugrunde liegt. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, nicht die Möglichkeit zu haben, in seinem Heimatland in einen Familienverband zurückzukehren, ist schließlich entgegenzuhalten, dass sich § 19 FrG nur auf das in Österreich geführte Privat- und Familienleben bezieht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. März 1998, Zl. 96/18/0122, mwH).

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 2. März 1999

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