Normen
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs4;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Februar 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer, der im Besitz eines unbefristeten Sichtvermerkes gewesen sei, sei am 31. März 1993 vom Jugendgerichtshof Wien wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf drei Jahre Probezeit, rechtskräftig verurteilt worden, weshalb sein Sichtvermerk mit Bescheid (der Bundespolizeidirektion Wien) vom 15. Dezember 1993, gestützt auf § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, für ungültig erklärt worden sei. Der Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 14. Jänner 1994 zugestellt worden und damit rechtskräftig. Seither halte sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodaß die Voraussetzung für die Ausweisung - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - gegeben sei. Daran vermöge auch der Hinweis des Beschwerdeführers, er hätte ohnehin einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, nichts zu ändern, zumal er diesen Antrag erst am 14. April 1994 eingebracht habe. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 AufG, könne sich der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg auf § 17 Abs. 4 FrG berufen.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung nach § 19 FrG anlange, so sei im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in Österreich geboren sei und seither mit seiner gesamten Familie hier lebe, ohne jeden Zweifel von einem mit dieser Maßnahme verbundenen bedeutsamen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei aber die Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Der seit über einem Jahr unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Hinzu komme, daß dem Beschwerdeführer - mangels Erfüllung der im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierten Voraussetzungen - "im Inland" nicht eine für den Aufenthalt erforderliche Bewilligung nach diesem Gesetz erteilt werden dürfe. Eine Abstandnahme von der Ausweisung würde deshalb dem Beschwerdeführer entgegen der genannten Bestimmung den tatsächlichen, jedoch nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob zuwiderlaufen würde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach den durch den Akteninhalt gedeckten Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde der dem Beschwerdeführer (am 11. April 1984) erteilte unbefristete Sichtvermerk mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. Dezember 1993, rechtskräftig seit 14. Jänner 1994, gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG für ungültig erklärt. Am 14. April 1994 beantragte der Beschwerdeführer bei der zuständigen Behörde die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Dieser Antrag wurde zufolge des Beschwerdevorbringens - an dessen Richtigkeit zu zweifeln kein Anlaß besteht, zumal ihm auch in der Gegenschrift der belangten Behörde nicht widersprochen wurde - von der Erstinstanz (Landeshauptmann von Wien) mit Bescheid vom 5. Mai 1994 gemäß § 13 Abs. 1 AufG mangels rechtzeitiger Antragstellung abgewiesen; über die dagegen erhobene Berufung war zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Beschwerde noch nicht entschieden.
2.1. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes vermag der Verwaltungsgerichtshof der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht, daß sich der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg auf die Bestimmung des § 17 Abs. 4 FrG (idF BGBl. Nr. 110/1994) berufen könne, nicht beizupflichten.
2.2. § 17 Abs. 4 FrG lautet:
"Wird der Behörde im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung auf ihr Befragen bekannt, daß der Fremde rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 6 Abs. 3) gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde, so ist über die Ausweisung erst nach Erledigung dieses Antrages zu entscheiden".
2.3. Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94, und in der Folge etwa die Erkenntnisse vom 29. Juni 1995, B 2688, 2689/94, und vom 11. Oktober 1995, B 2619/94) sind Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer über keine Aufenthaltsbewilligung (mehr) verfügen, im Fall relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung i.S. des § 13 Abs. 1 AufG im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des durch § 6 Abs. 2 AufG geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen. Das heißt, daß solche Bewilligungsanträge - ungeachtet der Fristversäumnis - als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die auch vom Inland aus gestellt werden können, zu werten sind.
2.4. Da auf den Fall des Beschwerdeführers die unter Pkt. 2.3. dargestellten sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen unbestrittenermaßen zutreffen, mithin der von ihm am 14. April 1994 eingebrachte Antrag als rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag anzusehen ist, hatte die Behörde vom Vorliegen eines rechtzeitig gestellten Antrages auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz auszugehen, aufgrund dessen sie gemäß § 17 Abs. 4 FrG verpflichtet war, über die Ausweisung erst nach (rechtskräftiger) Erledigung dieses Antrages zu entscheiden.
Dieser rechtlichen Beurteilung steht der Hinweis im § 17 Abs. 4 FrG (in Form eines Klammerzitates) auf "§ 6 Abs. 3" (AufG) nicht entgegen, wäre doch eine Verschiedenbehandlung der im § 6 Abs. 3 AufG geregelten Fallgruppe einerseits und der vom § 13 Abs. 1 leg. cit. umfaßten Fallgruppe andererseits durch Ausschluß der zuletzt genannten Fälle aus der Regelung des § 17 Abs. 4 FrG sachlich nicht zu rechtfertigen.
3. Dadurch, daß die belangte Behörde trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 4 FrG entgegen der dort für diesen Fall normierten Verpflichtung über die Ausweisung vor (rechtskräftiger) Entscheidung über den besagten Antrag des Beschwerdeführers entschied, belastete sie den bekämpften Bescheid schon deswegen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem (einen diesbezüglichen Ersatz bereits enthaltenden) pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz im Gesetz nicht vorgesehen ist.
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